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Full text of "Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung der Gewächse"

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Beiträge 


zur 


hre von der Fortpllanzung 


Von 
_ Professor Dr. =. Möbius. 
Mit 36’ Abbildungen im Text. 
m  ——— 
Jena, 
Verlag von Gustav Fischer. 
1897. 
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Verlag von &ustav Fischer in Jena. 


DI, nn 
Büsgen Dr. M., Prof. der Botanik an der Universität Jena, Der Honigtau. 


) Biologische Studien an Pflanzen und Pflanzenläusen. Mit 2 lithogr. 
Tafeln. 1891. Preis: 3 Mark. 


Betrachtungen über das Verhalten des Gerbstoffes in den 
Pflanzen. ı389. Preis: 1 Mark 60 Pf. 


Detmer Dr. W., Professor an der Universität Jena, Das pflanzenphysio- 
, logische Praktikum. Anleitung zu pflanzenphysiologischen Unter- 


suchungen. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 181 Abbildungen. 1895. Preis: 
brosch,. 9 Mark, geb. 10 Mark, 


Haberlandt Dr. 6., Prof. der Botanik in Graz, Ueber die Beziehungen 
’ zwischen Funktion und Lage des Zellkernes bei den 
Pflanzen. Mit 2 lithograph. Tateln. 1887. Preis: 3 Mark 60 Pf. 


fessor c., Monographie der Gattung Epilo- 
aussknecht, ? ‚ Monographie der \atsung TEpiipe 
I bium. mit 23 lithographischen Tafeln und 1 Verbreitungs- 

tabelle, 1884. Preis: 45 Mark. x 
Hertwie Dr. Oscar, o. ö. Professor der Anatomie und Direktor des II. Ana- 
&) tomischen Instituts an der Universität Berlin, Die Zelle und die 


Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie. Mit 168 Ab- 
bildungen iım Texte. 1892. Preis: 8 Mark. 

Inhalt: Erstes Capitel. Die Geschichte der Zellentheorie. Die Geschichte der 
Protoplasmatheorie. — Zweites Capitele. Die chemisch-physikalischen und morpho- 
logischen Eigenschaften der Zelle. — Drittes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. 
1. Die Bewegungserscheinungen. — Viertes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. 
II. Die Reizerscheinungen. — Fünftes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. 
liI, Stoffwechsel und formative Thätigkeit. — Sechstes Capitel.e. Die Lebenseigen- 
schaften der Zelle. IV. Die Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Theilung. — 
Siebentes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. V. Die Erscheinungen und das 
Wesen der Befruchtung. — Achtes Capitel. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, 
Kern und Zellproduct. — Neuntes Capitel. Die Zelle als Anlage eines Organismus 
(Vererbungstheorieen). 

. a Dr. E., Professor der Botanik an der Universität Freiburg i. Br., 

Hildebran ’ Die Lebensverhältnisse der Oxalisarten. Mit 5 litho- 
graphischen Tafeln und 5 Blatt Erklärungen. 1884. Preis: 18 Mark. 

Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Mit 2 lithographischen Tafeln. 
1889. Preis: 4 Mark, 

Klebs Dr. Georg, Professor der Botanik in Basel, Ueber das Verhältnis 

’ des männlichen und weiblichen Geschlechts in der Natur. 
1894. Preis: 80 Pf. 

Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung. 
1895. Preis: 75 Pı. 
—— Die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen Algen und 
Pilzen. Mit 3 Tafeln und 15 Textfiguren. 1896. Preis: 18 Mark. 
5 
Leitseb Dr. H., Professor an der Universität zu Graz, Mittheilungen aus 
OD ’ 


dem botanischen Institut zu Graz. Erstes Heft. Mit 5 
lithographischeu Tafeln. 1886. Preis: 8 Mark. 

Inhalt: Dr. E. Heinricher, Die Eiweissschläuche der Crueiferen und 
verwandter Elemente in der Rhoeadinenreihe. Mit 3 Tafeln. — Dr. G. Pommer, 
Ein Beitrag zur Kenntniss der fadenbildenden Bacterien. Mit 1 Tafel, — 
H. Leitgeb, Krystalloide in Zellkernen. — H. Leitgeb, Beiträge zur 
Physiologie der Spaltöffnungsapparate. Mit 1 Tafel. 

Zweites Heft. Mit 4 lithographischen Tafeln und 3 Holzschnitten. 1888, Preis: 


7 Mark. 
Inhalt: A. Scherffel, Die-Drüsen in den Höhlen der Rhizomsehuppen 
von Lathraea squamaria L. Mit 1 Tafel. — H. Leitgeb, Der Gehalt der 


Dahliaknollen an Asparagin und Tyrosin. Mit 1 Tafel. — Dr. E. Heinricher, 
Beeinflusst das Licht die Organanlage am Farnembryo? Mit 3 Holzschnitten. — 
H, Leitgeb, Ueber Sphäride. Mit 2 Tafeln. 


Beiträge 


zur 


Lehre von der Fortpilanzung 


der Gewächse. 


Von 


Professor Dr. M. Möbius. 


Mit 36 Abbildungen im Text. 


— 


Jena, 
Verlage von Gustav/Fischer. 


1897. 


u) 


Herrn Geheimrath 


of. Dre ulius von Sachs 


Pal 


in Würzburg 


in Hochachtung und Verehrung 


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| gewidmet. 


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. vom Verfasser. 


Vorwort. 


Nachdem ich auf äussere Veranlassung hin mich mit Unter- 
suchungen über die Folgen der ungeschlechtlichen Vermehrung 
bei Blüthenpflanzen und über die Umstände, von denen das 
Blühen abhängt, beschäftist und zwei Aufsätze über diese 
Gegenstände im biologischen Centralblatt (I891 und 92) ver- 
öffentlicht hatte, suchte ich die Verhältnisse der Fortpflanzung 
bei den Pflanzen in biologischer Hinsicht weiter zu erforschen 
und so ist noch ein Aufsatz über die Entwicklung und Bedeutung 
der geschlechtlichen Fortpflanzung im Pflanzenreiche (Biolog. 
Centralbl. 1896) entstanden. Es lag mir dann weiter vor allen 
Dingen daran, die Fortpflanzungserscheinungen in Beziehung 
zu anderen Lebenserscheinungen in das richtige Licht zu stellen 
und ebenso die verschiedenen Arten der Fortpflanzung bei den 
Gewächsen demgemäss richtig zu unterscheiden, wie ich dies 
im ersten Kapitel dieses Buches zu thun versucht habe. Als 
weitere Ergänzung zu dem früher schon Bearbeiteten erschien 
erforderlich eine Betrachtung über das Verhältniss zwischen der 
Fortpflanzung durch Keime und der durch Knospen, wie sie im 
vierten Kapitel gegeben worden ist. Nachdem ich nun ferner 
die früheren Aufsätze umgearbeitet und erweitert hatte, schien 
es mir am zweckmässigsten, sie gemeinsam mit den neuen Ab- 
schnitten zu einem Buche zu vereinigen, welches ich hiermit 
nicht nur den Fachgenossen, sondern den Freunden der Natur- 
wissenschaft überhaupt vorlege: wenigstens habe ich mich 


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bemüht, auch denen, welche nicht Botaniker von Fach sind. 
verständlich zu schreiben. Ausserdem hoffe ich, dass die Figuren 
im Texte dazu beitragen werden, das Gesagte anschaulicher zu 
machen. Wenn auch bei den meisten derselben bereits ver- 
öftentlichte Abbildungen benutzt worden sind, so sind doch alle 
Figuren vom Verf. neu und eigens für dieses Buch gezeichnet; 
nur die im 5. Kapitel sind zum Theil schon im biologischen 
Centralblatt erschienen. 

Als das Manuskript bereits fertig war, erschien das Werk 
von KLeEs über die Bedingungen der Fortpflanzung bei einigen 
Algen und Pilzen: ich habe es also nicht mehr berücksichtigen 
können, mir aber erlaubt, eine Figur aus demselben zu ent- 
lehnen. Schliesslich spreche ich dem Herrn Verleger für die 
gute Ausstattung, welche er dem Buche hat zu Theil werden 
lassen, meinen besten Dank aus. 


Frankfurt a. M., December 1896. 


Inhaltsübersicht. 


ererinleituug .,. „u. 2320000 ee el nes 1—22 


Erhaltung des Individuums und der Species I—ı7. Fortpflan- 
zung durch Keime 8— 13. Fortpflanzung durch Knospen 13—17. 
Abgrenzung des Individuums 17—18. Lebensdauer des Indi- 
viduums 18— 21. Erhaltung der Art durch Knospen und Keime, 
Bedeutung der Sexualität 21—22. 


Kapitel II. Ueber die Folgen von beständiger vegetativer Ver- 
BETA ANZEN. ne ET IT DT 


Theoretische Betrachtung über die angeblichen Nachtheile 
der vegetativen Vermehrung 23—27. Spontan wachsende 
Pflanzen, die sich auf vegetativem Wege fortpflanzen 28—32. 
Culturpflanzen, die vegetativ vermehrt werden 33—7I, und zwar 
r) ohne Nachtheil, wie Banane 33, Dattelpalme 35, Yamswurzel 
35, Taro 36, Batate 37, Feige 37, Olive 38 und Zierpflanzen. 
2) solche, die an epidemischen Krankheiten leiden, wie Pyra- 
midenpappel 40—46, Weiden 46—47, Rebe 49-55, Kartoffel 55 
—61, Obstbäume 61—68, Zuckerrohr 68—71. Epidemien bei 
Pflanzen, die sich durch Keime vermehren: bei Culturpflanzen 
71—72, bei spontan wachsenden Pflanzen 73—74. Keimlings- 
krankheiten 75. Zusammenfassung 76—77. 


Kapitel III. Ueber die ir von denen das Blühen der 
Pflanzen abhängt . . . .. BE EN ER NE 


Allgemeines 78—79. Aka vom Alter der Pflanze, 
einmal und mehrmals blühende Pflanzen S0—89, Periodicität im 
Blühen bei letzteren 89—90. Abhängigkeit von äusseren Um- 
ständen im Allgemeinen 90—92, vom Licht 93—104, von der 
Wärme 104—113, von der Feuchtigkeit 1I3—124, von der Er- 
nährung 124—-126. Experimente über den Einfluss von Licht und 
Feuchtigkeit 126—129. Abhängigkeit vom Standort 130—I31, 
von anderen Organismen 13I—132, von der vegetativen Thätig- 
keit 132—134. 


= VII — 
Kapitel IV. Ueber das Verhältniss zwischen Keim- und Knospen- gr 
bildung bei der Fortpflanzung der Gewächse . . . » 2... .% 135—158 

Ersetzung der Keime durch Knospen: T) bei wildwachsenden 
Pflanzen 135—149, und zwar in Folge des Wohnortes 136—137, 
der ausbleibenden Bestäubung 137—140, der veränderten 
Blüthenbildung 140— 141, der Bastartnatur der Pflanzen 141—142, 
des Diöcismus 142—143, ferner bei Wasserpflanzen 143—146, 
bei Epiphyten 146—148, bei Fourcroya 148—149. 2) Bei cul- 
tivirten Pflanzen 149—156, Banane 150, Feige 151, Dattel 152, 
Oelbaum 152—153, Zuckerrohr 153—154, Obstbäume und Reben 
154—155, Knollengewächse 155—156, Zierpflanzen 156. Zu- 
sammenfassung 156—158. 


Kapitel V. Ueber Entstehung und Bedeutung der geschleehtlichen 
Fortpflanzung im Pflanzenreiche . . .» . 2 22 2020202. 159-206 


Knospen und Keime, asexuell und sexuell gebildete Keime 
159-160 Einfluss des Mediums auf die Entwicklung der 
Sexualität und die Ausbildung der Sexualorgane 160—165. 
Verhältniss zwischen den Organen der Reproduction und denen 
der übrigen Organisation 165—168, Fortpflanzungsverhältnisse 
der verschiedenen Pflanzenclassen 168—187. Vereinigung der 
männlichen und weiblichen Zellen und Kerne 188—194. Re- 
duction der Chromosomen, Keimplasma 194—198. Bedeutung 
der Sexualität 199—206. 


Alphabetisches Register . . 2.2... a2 nu. nn 2 an 


KAPITEL 1. 


Einleitung. 


Aufs Neue freuen wir uns in jedem Jahre, wann im Frühling 
die Vegetation erwacht, aus der Erde Blätter und blüthen- 
tragende Stengel hervorkommen, an den vorher kahlen Aesten 
der Bäume grüne Blätter und verschiedenfarbige Blüthen er- 
scheinen. Der Anblick eines Gartens, in dem Rosskastanien, 
Syringen, Goldregen u. s. w. neben einander blühen, gibt uns 
einen Begriff von dem Drange, der die Pflanzen erfasst hat, ihre 
Organe zu entfalten: Blätter und Blüthen. Was aber, so von 
der einen Seite betrachtet, als eine Freude für das Auge und 
als ein Schmuck für die Pflanze erscheint, das ist in anderer 
Hinsicht der Ausdruck der wichtigsten Vorgänge im Pflanzen- 
leben, die jedoch von sehr verschiedener Bedeutung sind, denn 
die ‚Blattentfaltung dient der Erhaltung des Individuums die 
Blüthenproduktion der Erhaltung der Species. Es ist nothwendig, 
sich klar zu machen, dass die Erhaltung des Individuums und 
die Erhaltung der Species Vorgänge sind, welche einerseits 
durch einander bedingt sind, andererseits in einem gewissen 
Gegensatz zu einander stehen. 

Wenn ein Baum seine Blätter verliert oder wenn wir ihm 
dieselben abschneiden würden, so ist er nicht mehr im Stande, 
organische Substanz zu bilden, weil die Organe, welche die 
Assimilation besorgen, fehlen. Er kann also nicht mehr wachsen 
und wenn kein Reservematerial zu neuer Blattentwicklung vor- 
handen ist oder wenn diese immer wieder gehindert wird. so 
muss er eingehen, so kann sich das Individuum nicht erhalten. 
Wenn wir dagegen dem Baume alle Blüthen abschneiden würden, 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. I 


— D -— 


so würde er nicht nur keinen Schaden dadurch haben, sondern 
würde seine Laubtheile nur um so kräftiger entfalten, alle durch 
die Assimilation gewonnene organische Substanz für das Wachs- 
thum des Individuums verwenden können. Wenn aber die 
Blüthen stets entfernt würden, so würde der Baum, nachdem 
er sein Lebensende erreicht hat, untergehen, ohne dass an seine 
Stelle ein anderer treten kann: für die Erhaltung der Species 
wäre nicht gesorgt. Nun aber ist der Natur nur an der Er- 
haltung der Species gelegen und die Individuen dienen nur, 
um die Idee der Species in der Welt der Erscheinungen zu 
repräsentiren. Individuen müssen natürlich existiren, denn sonst 
ist die Species nicht vertreten, aber es ist ganz gleichgiltig, 
durch welche Individuen dieselbe vertreten wird, sie allein 
beharrt in dem ewigen Wechsel, in dem immer wiederholten 
Entstehen und Vergehen der Einzelwesen. Der Erkenntniss, 
dass der Natur an der Erhaltung oder gar an dem Wohl- 
befinden der Individuen gar nichts gelegen ist, dürfen wir uns 
nicht verschliessen. Wenn wir einen Organismus betrachten, 
so erscheint er uns als ein wundervolles Kunstwerk und leicht 
sind wir zu dem Glauben geneigt, dass seine Entstehung auch 
einer Mühe und eines Aufwandes bedarf, wie es bei der Her- 
stellung eines von Menschen gemachten Kunstwerkes der Fall 
ist. Wenn aber der Keim und damit auch der Drang zum Leben 
vorhanden ist, so entsteht der Organismus ganz von selbst, 
spielend, ohne Mühe, ohne Aufwand. Weil es aber der Natur, 
so zu sagen, nichts kostet, immer neue Organismen hervor- 
zubringen, so verfährt sie auch verschwenderisch mit ihnen und 
bekümmert sich nicht darum, ob mit einem Schlage Tausende 
vernichtet werden, wenn nur noch Keime übrig bleiben, aus 
denen Neue entstehen können. Ist aber also der Natur nichts 
an dem Untergange des Individuums gelegen, so noch viel 
weniger daran, dass es ihm während seiner Existenz gut gehe: 
nur so weit wird es mit dem Nöthigsten ausgestattet, dass es 


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— 3 — 


sich eben erhalten und für die Erhaltung der Art sorgen kann. 
Betrachten wir den Baum mit seinem starken Stamm und seiner 
herrlichen Laubkrone, so erscheint er uns leicht als das Bild 
üppiger Lebensfülle, aber der Botaniker weiss, dass die Or- 
ganisation auch dieses Baumes auf äusserster Sparsamkeit be- 
ruht. Seine Blätter sind so gebaut, dass sie mit möglichst 
wenig Aufwendung von Material möglichst viel Chlorophyll- 
körner dem Lichte darbieten, sie sind so gestellt, dass sie sich 
möglichst wenig beschatten und das Licht ausnutzen, damit 
nur ja keines überflüssig an dem Baume vorhanden sei. Die 
Blätter reichen nur hin, den Bedarf an Substanz einer so grossen 


Pflanze, wie eines Baumes, zu decken, wenn sie so gebaut und 


so gestellt sind, dass sie das Sonnenlicht auch wirklich aus- 
nutzen können; sie müssen immer thätig sein, so lange es Tag 
ist, um das nothwendige Material zu liefern für das Dicken- 
und Längenwachstum der Wurzeln und des Stammes, für die 
Anlage neuer Triebe und vor Allem auch für die Produktion 
von Blüthen und Früchten. Wie mit dem Assimilationssystem, 
so ist es auch mit dem Leitungs- und dem Festigungssystem, 
sodass der ganze Bau dieser Gewebe uns nur von dem Gesichts- 
puncte aus verständlich wird, wenn wir annehmen, dass die 
angedeuteten Zwecke mit Aufwendung von möglichst wenigem 
Material erreicht werden sollen. 

Ganz anders ist es, wenn es sich um die Erhaltung der 
Species handelt: da herrscht Freigebigkeit, ja sogar Ver- 
schwendung. Der Fülle der Blüthen entspricht ein grösserer 
oder geringerer Fruchtansatz, oft ein verhältnissmässig sehr ge- 
ringer; wie viele von den Samen werden nutzlos ausgestreut 
und wie wenige gelangen unter Bedingungen, unter denen 


sie keimen und heranwachsen können !). 

I) Man wird freilich hier einwenden können, dass, um nur eines oder 
wenige neue Exemplare zu erhalten, bei der Unsicherheit des Fruchtansatzes 
und der Keimung die Natur so unverhältnissmässig viele Blüthen und Samen 

I * 


Es gibt aber in der Natur viele Pflanzen, deren ganzes 
Wachsthum nur dahin zielt, Blüthen und Früchte anzusetzen 


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und wenn sie dies ge- 
than haben, selbst zu 
Grunde gehen. Es ist 
bekannt, dass die Gärt- 
ner bei einigen Pflan- 
zen, z. B. Orchideen, 
unter Umständen die 
Blüthenanlagen oder 
wenigstens einen Theil 
derselben entfernen 
müssen, wenn sie das 
Exemplar erhalten 
wollen, welches sich 
sonst „todt blühen“ 
würde. Schärfer kann 
_ der Gegensatz zwischen 
dem Wohl des Indi- 
viduums und dem der 
Species nicht ausge- 
sprochen werden. In 
der Natur blüben sich 


Fig. 1. Corypha Gebanga, 
ein Exemplar vor dem 
Blühen, ein blühendes und 
eines, das nach dem Blühen 
abgestorben ist. (Nach 
Blume, Rumphia.) 


bilden musste, aber gerade dass die Einrichtungen solche sind, spricht dafür, 
dass sie hier nicht mit einer Sparsamkeit verfahren ist, wie bei der Aus- 


stattung des Individuums. 


= 5 __ 


nun eine ganze Menge Pflanzen regelmässig todt, nämlich alle 
sogenannten hapaxanthischen (einmal blühenden) Pflanzen. Die 
Corypha-Arten (Fig. I) sind hohe, stolze Palmen, aber sie leben 
nur so lange, bis ihr einziger Vegetationspunct durch die Thätig- 
keit der Wurzeln und Blätter, die die Nahrung aufnehmen und 
bereiten, und des Stammes, der den Saft zuführt, kräftig genug 
geworden ist, um den gewaltigen Blüthenstand zu bilden; dieser 
kommt „aus dem Herzen“ und daran muss der Baum sterben, 
mögen die Blüthen Früchte angesetzt haben oder nicht. 

Die einjährigen Pflanzen bilden ihre Blätter und Wurzeln 
nur so weit aus, dass das zur Entwicklung der Blüthen und 
Früchte nothwendige Material gewonnen werden kann: mit der 
Fruchtreife vertrockenen allmählich die Blätter und nach der- 
selben geht die ganze Pflanze ein. Es sind darum auch meist 
kleine Pflanzen, die sich nothdürftig bis zur Fruchtreife erhalten. 
Das unscheinbare Pflänzchen Stellaria media, unser sogenannter 
Hühnerdarm, blüht und fruchtet sogar mehreremale während 
einer Vegetationsperiode und, gehen wir gar zu den niederen 
Pflanzen über, da finden wir bei manchen Pilzen, z. B. Pilo- 
bolus, eine rasche Entwicklung in wenigen Tagen, die mit der 
Ausbildung der Sporen ihr Ende erreicht, aber immer von 
neuem wieder durchlaufen werden kann, wenn die Sporen ein 
zur Keimung günstiges Substrat finden. Diese Pflanzen aber, 
die so gar nicht für sich selbst sorgen, die sich so ganz in der 
Sorge für die Fortpflanzung aufopfern, sie repräsentiren die 
Species durch zahllose, immer neue Individuen und gerade 
unser Hühnerdarm gehört zu den fast über die ganze Erde ver- 
breiteten Unkräutern. Im Gegensatze hierzu stehen die meisten 
Bäume: viele unserer nordischen Waldbäume leben Decennien 
nur für die Erhaltung ihres Individuums, bevor sie Blüthen 
und Früchte ansetzen (vergl. Kap. III). Sie thuen dies dann 
viele Jahre lang immer wieder, aber im regelmässigen Ver- 
laufe der Dinge entwickeln sich aus den Keimen nur wenige 


zur 


neue Pflanzen. Wenn aber ein Baum Jahrhunderte, ja Jahr- 
tausende alt wird, so repräsentirt er eben während dieser 
Zeit die Species, wozu bei den einjährigen Pflanzen eben- 
soviele Generationen nothwendig sind, wie der Baum Jahre 
lebt. Die californische Riesenfichte, IOooo Jahre alt, 140 Meter 
hoch, 35 Meter im Stammumfang, ist nur in wenigen Exem- 
plaren vorhanden, der Hühnerdarm, ein wenig Zoll hohes 
Kraut von Monat-langer Dauer, ist in zahllosen, sich immer er- 
neuernden Exemplaren weit verbreitet: welches aber von diesen 
beiden vertritt die Species in der besseren Weise?) 

Wenn eine Pflanze sehr alt wird, so ist dies ein Zeichen 
dafür, dass sie hinlänglich geschützt ist gegen die Angriffe der 
Witterung, der Winde, der feindlichen Organismen, dass sie 
genügende Nahrung an ihrem Standort vorfindet, kurz dass die 
Bedingungen zur Erhaltung des Individuums erfüllt sind: in 
diesem Falle hat sie natürlich um so weniger nöthig, an die 
Fortpflanzung zu denken. Dagegen sehen wir oft, dass das 
Eintreten ungünstiger Lebensbedingungen die Production der 
Fortpflanzungsorgane hervorruft; wenn die Erhaltung des Indi- 
viduums bedroht ist, dann muss es an die Erhaltung der Art 
denken. Wir werden im II. Kapitel diese Umstände näher be- 
trachten und werden auch sehen, wie in der Praxis von dieser 
Regel Gebrauch gemacht wird. Hier gilt es nur den Grund- 
gedanken hervorzuheben und zu betonen, dass derselbe uns zur 
Erklärung mancher Erscheinungen dienen kann. Man hält dies 
vielleicht für überflüssig, allein ich will ein Beispiel anführen, 
das zeigt, wie das Ausserachtlassen dieses Gedankens zu ganz 
verkehrten Anschauungen führen kann. 

In einem kleinen Aufsatze über die Beziehungen der 
Flechten zu den Pilzen (Hedwigia 1895 p. 195) zieht Lindau 

1) Ich glaube, dass für den, der ein wenig tiefer nachzudenken versteht, 


der Begriff der Unvergänglichkeit sich viel eher an die Betrachtung der 
letzteren als der ersteren Pflanze knüpfen wird. 


Be na al 


— 7 —_— 


aus dem Umstande, dass bei den Flechtengonidien, also den im 
Flechtenthallus eingeschlossenen Algen, die fructificative Ver- 
mehrung unterbleibt, den Schluss, dass die Algen sich inner- 
halb der Flechte in einem unnormalen und geschädigten Zu- 
stande befinden, dass also der Pilz auf den Algen parasitire. 
Gleichwohl sagt er selbst von der Alge: „sie theilt sich an- 
scheinend ganz normal, bringt häufig ihre Zellen zu ansehn- 
licherer Grösse als die freilebende Form und übertrifft sie auch 
in den meisten Fällen durch die Lebhaftigkeit der Theilungen“. 
Der richtige aus solchem Verhalten der Alge zu ziehende 
Schluss würde aber sein, dass die Alge sich in ihrem Zustande 
wohl genug befindet, um nicht an Fortpflanzung denken zu 
müssen; sie bekommt von dem Pilz, in dem sie parasitisch lebt, 
soviel Material zugeführt, dass sie von der durch ihre Assi- 
milationsthätigkeit gebildeten Substanz dem Pilze wieder ab- 
geben kann!). | 


Es ist also unrichtig zu sagen, dass eine Pflanze, wenn sie 


_ nicht zur Fructification schreitet, „in ihren Lebensfunctionen 


alterirt‘“‘ sei, denn die Fructification und die vegetativen Pro- 
cesse sind keine gleichwerthigen Lebensfunctionen, sondern 
stehen in einer gewissen Concurrenz zu einander: je besser und 
ungestörter die vegetativen Processe verlaufen, um so weniger 
ist Gefahr für die Existenz des Individuums vorhanden, um so 
weniger braucht für dessen Ersatz durch andere gesorgt zu 
werden; die Fortpflanzung ist aber weiter nichts als ein Er- 
setzen des alten Individuums durch neue. 


ı) Natürlich bezieht sich das besonders auf Flechten mit heteromerem 
Thallus, deren Pilze ja wie andere saprophytische Pilze auch ohne Algen 
gedeihen können, wenn das Substrat organische Substanzen enthält, wie es 
Möller in seinen gonidienfreien Flechtenculturen gezeigt hat; die in dem 
Pilzthallus eingeschlossene Alge aber muss ihre Nahrungsstoffe, ausser der 
Kohlensäure, vom Pilze beziehen. Bei andern Flechten tritt ein mutu- 
alistisches Nahrungsverhältniss ein und bei Formen, wie Üoenogonium, er- 
scheint der Pilz wirklich als Parasit auf der Alge. 


ae 


Es giebt aber verschiedene Arten der Fortpflanzung, näm- 
lich ausser der durch Keime, wie wir sie bisher im Auge ge- 
habt haben, auch eine durch Knospen. Die letztere, die wir 
auch vegetative Vermehrung oder Propagation nennen, tritt 
nicht immer in einen solchen Gegensatz zum individuellen 
Leben, wie die durch Keime. Den Unterschied zwischen der 
Vermehrung durch Keime und der durch Knospen findet man 
gut dargelegt in Hanstein’s Abhandlung über Caelebogyne. 
Dass ich hier die Sache wieder vorbringe und besonders be- 
tone, scheint mir nicht ungerechtfertigt zu sein, denn man hat 
sie meiner Ansicht nach zu sehr ausser Acht gelassen und be- 
geht einen Fehler, wenn man den Unterschied nicht in diesem 
Punkte sucht, sondern darin, ob die neue Pflanze auf sexuellem 
Wege oder ungeschlechtlich entstanden sei. Die Unter- 
scheidung zwischen der Fortpflanzung durch Keime und der 
durch Knospen steht ganz im Einklang mit der vorher darge- 
legten Auffassung von der Erhaltung des Individuums und der 
der Species. 

Diejenigen, welche glauben, dass man das Hauptgewicht 
darauf legen müsse, ob die Vermehrung geschlechtlich oder 
ungeschlechtlich erfolge, haben jedenfalls vorwiegend die 
Blüthenpflanzen im Auge gehabt, bei denen die Keime regel- 
mässig auf sexuellem Wege gebildet werden und die unge- 
schlechtliche Vermehrung eine rein vegetative ist. Wie man 
aber die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung bei 
den Blüthenpflanzen nur versteht, wenn man sie von der der 
Sporenpflanzen und in letzter Linie von der Schwärmsporen- 
copulation ableitet (Kap. V), so wird auch der Unterschied 
zwischen Keimen und Knospen viel klarer, wenn man sein Augen- 
merk zunächst auf die Kryptogmen richtet. Es ist bekannt, dass 
es Schwärmsporen gibt, welche je nach Umständen sich direct 
weiter entwickeln können oder durch paarweise Copulation 
eine entwicklungsfähige Zygospore liefern. Für die Beschaffen- 


a 0 ER nn 


heit des neuen Individuums ist es ebenso gleichgiltig, ob es 
aus einer einzelnen Schwärmspore oder aus einer Zygospore 
entstanden ist, wie es für die Mutterpflanze gleichgiltig ist, ob 
die von ihr erzeugten Schwärmer copuliren oder nicht: bei der 
Entstehung der Schwärmer verjüngt sich der Inhalt ihrer 
Zellen, tritt aus und lässt die Membranen leer zurück, und 
wenn der grösste Theil der Zellen oder gar alle auf diese 
Weise verbraucht worden sind, so ist die Existenz der Mutter- 
pflanze zu Ende oder mindestens gefährdet. So sehen wir 
z. B. den Thallus einer Bulbochaete (Fig. 2) grösstentheils aus 
entleerten Zellen bestehen, weil 
die Protoplasmakörper als Schwärm- N ‚I ve 
sporen ausgetreten sind; wir sehen A / 
aber auch die durch Copulations- (7 / 
schläuche verbundenen Fäden von (7/ 


Spirogyra aus lauter entleerten 
Zellen bestehen, weil die Proto- 
plasmakörper sich paarweise zu den 


Zygosporen verbunden haben, die a 


= —— 


frei in den leeren Zellen des einen 
: 2 - Fig. 2. A Pflänzchen von 
Fadens liegen. Solche Fälle, wie Bultochnele pyomaso, dessen 
sie bei einfach gebauten Algen zu Zellen zum grösseren Theil 
, s durch Schwärmsporenbildung 
beobachten sind, zeigen uns recht entleert sind. B Zwei Faden- 
. . ER . stücke von Spirogyra spec. in 
deutlich, dass die Sexualität ein  Copulation, der linke Faden mit 
A : : leeren Zellen, der rechte mit 
Beeundärer Muuzanaı ‘= el Zyeosporen, NUN) 
aber die Art und Weise ist, wie der 
Keim entsteht, nämlich durch Verjüngung vorhandener Zellen 
unter Beeinträchtigung des Wachsthums der ursprünglichen 
Pflanze. 
Die Entstehung des Keimes durch Zellverjüngung kann 
eine einfachere oder complicirtere sein. Die einfachste ist die 
von Bulbochaete und anderen Algen, wo der Inhalt einer Zelle 


ohne weitere Theilungserscheinungen zur Schwärmspore wird, 


die complicirteste ist die bei den Angiospermen, wo das Ei 
aus dem Kern des Embryosackes entsteht. Dazwischen liegen 
die verschiedenen Bildungsarten der Schwärmsporen, Ga- 
meten, Sporen, Eier und Antherozodien, die theils durch Voll- 
zellbildung, wie die Eier in den Archegonien, theils durch freie 
Zellbildung, wie die Askosporen im Askus entstehen. Es 
brauchen die einzelnen Verhältnisse hier nicht geschildert zu 
werden, sondern es soll nur noch auf einzelne Punkte aufmerk- 
sam gemacht werden. Zunächst verdienen nämlich die acrogen 
abgeschnürten Conidien der Pilze, also einschliesslich der Ba- 
sidiosporen, erwähnt zu werden, die doch biologisch den in 
Sporangien oder Schläuchen erzeugten Pilzsporen offenbar gleich- 
werthig sind, aber ohne Zellverjüngung zu entstehen scheinen ; 
dass auch bei ihnen eine Verjüngung und zwar eine Vollzell- 
bildung eintritt, wobei die Wände von Mutter- und Tochter- 
zellen eng aneinanderschliessen oder auch ganz mit einander 
verwachsen, hat de Seynes!) wahrscheinlich gemacht; es ist 
noch nicht entschieden, ob es wirklich überall stattfindet und 
bei der oft ausserordentlichen Kleinheit der Gebilde wohl auch 
schwierig nachzuweisen. Ferner ist zu erwähnen, dass zu 
diesen echten Keimen, die durch Verjüngung entstehen, nach 
Göbel’s Untersuchungen ?) auch die sogenannten Brutkörper 
von Aneura multifida zu rechnen sind, da sie nur aus dem 
Inhalte der Zellen des Laubes entstehen und das Zellgerüst 
des. Sprosses, also die leeren Membranen, erhalten bleiben. 
(Fig. 3). Es ist dies insofern interessant, als es einen, wie es 
scheint, einzig dastehenden Vorgang bei den Lebermoosen 
bildet, welcher noch der Schwärmsporenbildung bei den Algen 


.. I) In einer 1886 zu Paris erchienenen Arbeit, die ziemlich ausführlich 
im botanischen Centralblatt 1887, Bd. XXXI, p. 67 referirt worden ist. 

2) Die Muscineen, in Schenk’s Handb. d. Bot., Bd. II, p. 337. Ebenso 
ist es nach G. Ruge’s Untersuchungen bei einer von Göbel in Tovar 
gesammelten Aneura spec., auf welche sich die der Ruge’schen Abhandlung 
entlehnten Abbildungen in Fig. 3 beziehen (s. Flora 1893, p. 307). 


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5 


VOTE vu 


entspricht: ein Coleochaete-Thallus, dessen Zellen theilweise als 
Schwärmsporen ausgeschlüpft sind und ein Aneura-Thallus, 
dessen Zellen als Brutkörper ausgestossen worden sind, zeigen 
eine unverkennbare Analogie. 


Fig.3. A Stück eines Thallus von Coleochaete scutata, der in Schwärm- 
sporenbildung begriffen ist. DB Stück eines Thallus von Aneura spec., von 
oben, mit Brutknospenbildung. (© Querschnitt durch denselben, das Aus- 
treten der Brutknospen zeigend. (A nach Pringsheim, B und ( nach 
G. Ruge.) 


Also die Keime entstehen durch Zellverjüngung und die 
verjüngten Zellen sind direct fähig, sich weiterzuentwickeln 
oder es copuliren zwei so gebildete Zellen und erst das 
Copulationsproduct kann zur neuen Pflanze auswachsen. Von 
der Zelle des Mutterthallus, in der sich die Keimbildung 
vollzogen hat, bleibt oft nur die leere Membran zurück 
und so kann ein kleinerer oder grösserer Theil der Mutter- 
pflanze dabei aufgebraucht werden, wie wir dies bei Schwärm- 
sporen bildenden Algen und Conjugaten sehen. In anderen 
Fällen wird ein complicirter Apparat von der Pflanze auf- 
gebaut, in welchem nur gewisse Zellen die Keime liefern, 
der übrige und bei weitem grösste Theil des Gewebes in ver- 
schiedentlicher Hinsicht diesen Zwecken der Vermehrung durch 
Keime dient, wie wir es an den Inflorescenzen der Blüthen- 


Fennae 


pflanzen und den Fruchtkörpern der grösseren Pilze sehen. 
Wir können recht wohl den Fruchtkörper eines Pilzes, etwa 
einer Morchel, mit dem Blüthenstande einer höheren Pflanze 
vergleichen, besonders wenn der letztere auch direct aus dem 
unterirdischen Stamme, wie "etwa bei einem Amorphophallus 
hervorgeht. In beiden Fällen ist ein grosser Aufwand von 
Substanz nöthig, um die Fortpflanzungsorgane zu erzeugen, 
die Hauptmasse des Gebildes dient zur Exposition der Samen 
oder Sporen, zur Anlockung von Thieren mittelst Geruch oder 
Farbe oder Darbietung von Nahrung, welche Thiere die Be- 
stäubung vollziehen oder die Früchte oder Sporen verbreiten 
sollen. Sporen und Samen sind Keime in dem Sinne, dass bei 
ihrer Entstehung eine Zellverjüngung stattgefunden hat; dass 
jene rein asexuell, diese durch Befruchtung entstanden sind, 
ist ein secundärer Unterschied, der für die Vermehrung ohne 
Bedeutung ist. Die Pflanze selbst ist bei der Morchel das My- 
celium, welches jedenfalls während der Bildung des Frucht- 
körpers seine ganze Kraft auf dieselbe wenden muss und in 
seinem Wachsthum unterdessen beschränkt ist. Bei Amorpho- 
phallus kann die Knolle, die einen so grossen Blüthenstand 
hervorbringen muss, die zu ihrer Ernährung nothwendigen 
Blätter auch erst erzeugen, wenn sie die Blüthe überstanden 
und neue Kräfte gesammelt hat. Es wäre gar nicht zu ver- 
wundern, wenn das Mycelium oder die Knolle gelegentlich nach 
der Bildung der Inflorescenzen zu Grunde gingen, indem ihre 
ganze Kraft durch die Erzeugung der Keime erschöpft wird 
und somit auch hier die Erhaltung und Ausbreitung der Art 
auf Kosten der individuellen Existenz gesichert wird. 

Bei Moosen und Farnen findet bekanntlich ein regel- 
mässiger Generationswechsel statt und deshalb sind die Ver- 
hältnisse hier weniger leicht zu überblicken. Wir haben also 
bei ihnen zweierlei Keime und zwar sind es die asexuell er- 
zeugten, die Sporen, durch welche die Erhaltung der Art ge- 


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schieht. Bei den Moosen geht. nun regelmässig die ganze sporen- 
bildende Generation nach Ausstreuung der Sporen zu Grunde, 
ja es kann auch die Moospflanze selbst an der Sporen- 
erzeugung zu Grunde gehen, wie es bei Buxbaumia aphylla ein- 
tritt. Bei den Farnen muss regelmässig die geschlechtliche 
Generation für die Entstehung der ungeschlechtlichen geopfert 
werden; das Prothallium geht ein, während die Farnpflanze sich 
ausbildet, diese aber kann wiederholt Sporophylle erzeugen. 
Im Gegensatze zu der bisher betrachteten Keimbildung 
findet bei der Vermehrung durch Knospen keine Verjüngung, 
sondern nur ein Wachsthum unter gewöhnlicher Zelltheilung 


‚statt. Die Knospenbildung kann auftreten als eine Produktion 


von Vermehrungsorganen, die eine gewisse Gestalt und Grösse 
besitzen und an bestimmten, dazu a 

ausgebildeten Theilen der Pflanze 3, 
entstehen, wie dies bei den Brut- 
knospen von Marchantia oder Tetra- 
phis der Fall ist (Fig. 4); oder die 
Knospenbildung ist von dem ge- 
wöhnlichen, vegetativen Wachsthum 
nicht scharf zu trennen, indem auch 
das einfache vegetative Wachsthum 
zur Vermehrung und Ausbreitung 
der Pflanze führen kann, wie z. B. 
wenn bei Marchantia zwei Gabel- 
äste des Thallus durch Absterben 
desselben von hinten aus isolirt —,—_ 


werden. Bei den Einzelligen fällt Fig. 4. A Längsschnitt durch 
. einen Brutknospenbecher von 
Zelltheilung und Vermehrung zu- Tora: ve 
sammen, die erstere ist aber nur die gleichen von Marchantia poly- 
; morpha. (A nach Sachs, B 

Folge des das Maass überschreiten- nach Dodel.) 


den Wachsthums der Zellen und die dadurch herbeigeführte 
Vermehrung würde auch unter den Begriff der Knospenbildung 


fallen. Bei den Hefezellen wird die neue Zelle wirklich als 
eine Knospe an der alten angelegt und wächst erst allmählich 
heran, bei den Palmellaceen wird die neue als eine der alten 
sofort gleichwerthige Zelle durch eine Halbirungswand abge- 
trennt: vielleicht können wir die Diatomeen als ein Zwischen- 
glied betrachten, da bei ihnen, wann die Zelltheilung erfolgt, 
die eine Zellhälfte mit der grösseren Schalenhälfte auch die 
grössere neue Zelle gibt, die andere mit der kleineren Schalen- 
hälfte gewissermaassen die abgetrennte Knospe repräsentirt. Da 
bei den Einzelligen, zu denen die ‚Siphoneen nicht zu rechnen 
sind, die eine Zelle den ganzen vollständigen Organismus 
bildet, so ist auch die Knospe oder die bei der Theilung neu 
entstehende Zelle sofort ein vollständiges neues Individuum. 
Noch ganz ähnlich den einzelligen Algen verhalten sich die 
fadenbildenden, deren Fäden aus lauter gleichartigen Zellen 


Fig. 5. Fig. 6. 


Fig. 5. Dlothris nitens. Ein Fadenstück, im Zerfall begriffen. (Nach 


Klebs.) 

Fig. 6. Hormogonienbildung bei: A = Pleetonema Wollei, B= Rivu- 
laria bullata. A, und B, einzelne Hormogonien. ( Entwicklung einer jungen 
Pflanze von B aus einem Hormogonium. (A nach Gomont, B nach 


Thnret.) 


bestehen und in der Weise auseinanderbrechen können, dass 
die Fadenstücke ungestört weiterwachsen, wie es bei Spirogyra- 
und Ulothrix-Arten vorkommt (Fig. 5). An den Anfang der 
eigentlichen Knospenbildung bei mehrzelligen Pflanzen können 
wir die Bildung der Hormogonien bei den fadenförmigen 
Cyanophyceen stellen (Fig. 6). Die Hormogonien sind Faden- 
stücke, in denen eine besonders lebhafte Zelltheilung statt- 
gefunden hat, welche also durch ein gesteigertes Wachsthum 
der Mutterpflanze entstanden sind und sich nun von dieser 
trennen. Wenn die Hormogonien, wie bei Zyngbya oder Rivu- 
laria, aus einer Gallertscheide des ursprünglichen Fadens heraus- 
geschlüpft sind, so bleibt dieser Theil der Scheide zunächst leer 
und es erinnert dies an die Entleerung der Sporangien durch 
die Schwärmsporenbildung (oben Fig. 2), es scheint hier also 
die Mutterpflanze, wie bei der Keimbildung, beeinträchtigt zu 
werden. Allein die Analogie ist nur eine scheinbare, denn 
erstens ist die Gallertscheide nicht die eigentliche Zellmembran 
und zweitens wird der entleerte Theil der Scheide durch nach- 
her eintretendes Wachsthum des Fadens wieder ausgefüllt. Die 
einzelnen Formen der Knospenbildung für die verschiedenen 
Abtheilungen des Pflanzenreiches zu schildern, kann hier nicht 
meine Absicht sein; was zur Knospenbildung zu rechnen sei 
im Gegensatze zur Keimbildung, ist jedesmal leicht zu ent- 
scheiden, wenn man bedenkt, dass bei der ersteren keine Zell- 
verjüngung, sondern ein gesteigertes, von gewöhnlicher Zell- 
theilung begleitetes Wachsthum stattfindet, wie bei der Anlage 
eines neuen vegetativen Triebes, die wir ja am Spross der 
Blüthenpflanzen eine Knospe nennen. Es ist eben die zur Ver- 
grösserung des Individuums führende und die zur Vermehrung 
der Individuen also zur Erhaltung der Art bestimmte Knospen- 
bildung morphologisch nicht scharf von einander zu trennen, 
wie wir es z. B. bei der Erdbeere sehen (Fig. 7). Dieselbe 
treibt bekanntlich von ihrem Stocke aus Ausläufer, oberirdische 


en 


Stolonen, welche in einer gewissen Entfernung Wurzel schlagen, 
Blätter treiben und eine neue Pflanze liefern; wir sehen dann 
im Umkreise des Mutterstockes eine Anzahl Tochterstöcke, die 
mit ersterer nur durch je einen Strang verbunden sind: der 
Strang kann durchgeschnitten werden und wir haben dann 
soviel einzelne Individuen als Tochterstöcke neben dem Mutter- 


Fig. 7. Entstehung neuer Pflanzen an einem Ausläufer der Erdbeere 
(nach Seubert). 


stock vorhanden waren. Auch wenn der Tochterstock noch 
mit dem Mutterstock durch den Ausläufer verbunden ist, so sind 
doch unzweifelhaft jetzt zwei Individuen vorhanden, denn jede 
Pflanze ist vollständig, besteht aus einem beblätterten und mit 
Wurzeln versehenen Spross und ist in ihrer Weiterentwicklung 
von der anderen unabhängig und es können an ihnen Diffe- 
renzen auftreten, soweit eben solche an zwei Exemplaren der- 
selben Art, resp. Sorte, möglich sind. Ein Erdbeerstock aber, 
der keine Ausläufer mit neuen Stöcken gebildet hat, kann nicht 
in mehrere Individuen getheilt werden und ebensowenig eine 
andere Pflanze, z. B. ein Baum. Was also ein Individuum ist, 


sagt sein Name: nämlich ein Körper, der sich nicht theilen lässt 
und zwar so, dass die Theilung unmittelbar zwei oder mehrere 
neue vollständige Körper ergibt. Jeder Baum ist desshalb 
ein Individuum, weil wir ihn ja nicht so theilen können, dass 
wir direct aus der Theilung zwei neue vollständige Bäume er- 
halten. Dass wir dagegen seine Zweige zu Stecklingen benutzen 
und aus ihnen neue Bäume ziehen können, hat damit nichts zu 
thun: das abgeschnittene Steckreis hat noch keine Wurzeln und 
diese gehören doch auch zur Vollständigkeit des Baumes. 

Also auf Vollständigkeit, nicht auf völlige Gleichheit kommt 
es an, denn der Tochterstock der Erdbeere kann viel kleiner 
sein als der Mutterstock, aber er ist vollständig, hat Stamm, 
Blätter und Wurzeln und der Unterschied gegenüber dem 
Mutterstock ist nur ein quantitativer. Wenn aber ein Steckling 
vom Baum genommen wird, so ist der Mangel an Wurzeln bei 
ersterem ein qualitativer Unterschied gegenüber dem letzteren. 
Diese Definition dürfte sich ohne Schwierigkeit nicht nur bei 
Pflanzen, sondern überhaupt bei allen Organismen durchführen 
lassen, soweit dieselben eine bestimmte Gestalt besitzen und 
eine bestimmte Lage in Beziehung zu ihrer Umgebung ein- 
nehmen. Pflanzen, die ein Lager von unbestimmter Gestalt 
oder freischwimmende Fäden mit gleichwerthigen Enden bilden, 
können, wie oben für Spirogyra und Ulothrix angegeben wurde, 
so getheilt werden, dass die Theilstücke wieder vollständig 
sind, denn da alle Zellen gleichartig sind, so fehlt, sobald nur 
noch zwei Zellen verbunden sind, diesen Theilstücken kein 
charakteristisches Merkmal, das der ganze Faden hatte. 

Es liegen aber gerade hier so einfache und leicht zu be- 
zeichnende Verhältnisse vor, dass eine besondere begriffliche 
Abgrenzung der Individuen gar nicht erforderlich ist. Die 
Hauptsache ist eben, dass man von der Anschauung und nicht 
von Begriffen ausgehe. Nur durch das fehlerhafte Ausgehen 
von letzteren ist es möglich, einerseits den Baum als eine Co- 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 2 


ee 


lonie, nicht als ein Individuum zu erklären, andererseits in 
sämmtlichen italienischen Pappeln nur ein Individuum zu sehen. 
Dass man überhaupt dazu gelangt ist, einen Baum mit einem 
Polypenstock !) zu vergleichen und als eine Colonie von Einzel- 
pflanzen, welche durch die austreibenden Knospen gebildet 
werden, zu betrachten, ist nur erklärlich aus der Gewohnheit 
in unseren Breiten, die Bäume in den winterlichen Zustand 
übergehen und im Frühling neu austreiben zu sehen. Die 
Unterbrechung der Vegetation durch den Winter ist aber kein 
normaler Zustand, sondern gewissermaassen ein krankhafter, und 
nur in Gegenden mit gleichmässig warmem und feuchtem 
Klima sieht man die Pflanzen sich in normaler Weise ent- 
wickeln, wie dies Haberland in seiner botanischen Tropen- 
reise (p. 3.) sehr ansprechend dargelegt hat. 

Dass jedes Individuum nur eine begrenzte 1. ner 
aus inneren Gründen hat, ist eigentlich ein Satz, der aus reiner 
Ueberlegung angenommen werden muss. Denn dass etwas in 
der Zeit entstehe mit der Fähigkeit, über die Zeit auszudauern, 
ist ganz und gar widersinnig. Trotzdem scheint es, als ob 
grosse Bäume, welche Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lang 
bestehen, eigentlich an und für sich die Fähigkeit einer unbe- 
grenzten Dauer hätten und nur durch die Einwirkung äusserer 
Umstände zum Absterben gebracht würden. Zunächst aber 
müssen wir bedenken, dass das Leben dieser Baumriesen durch 
seine Länge doch nur uns Menschen, die wir es mit der mensch- 
lichen Lebensdauer vergleichen, in Erstaunen setzt. Ferner 
sehen wir, dass nur gewisse Baumarten so alt werden, andere 
aber nicht, woraus denn zu schliessen ist, dass die verschiedenen 


ı) Uebrigens lässt sich auch ein Polypenstock von bestimmter Gestalt 
nicht in gleiche Theile zerlegen und ist desshalb ein Individuum für sich; 
ebenso ein Schwamm, der zwar aus zahllosen Einzelwesen besteht, aber 
eine bestimmte Gestalt, eine Anheftungsstelle und eine gemeinsame Mund- 
öffnung besitzt. Selbst ein Physophorastock ‚ist ein Individuum; seine Theile 
können auch als Individuen auftreten, dann repräsentiren sie aber keine Phy- 
sophora. 


de > 


Baumarten eine verschieden lange Lebensdauer besitzen, ge- 
rade wie die einjährigen Pflanzen, welche theils nur wenige 
Monate, theils vom ersten Frühjahr bis zum äussersten Spät- 
jahre aushalten !),. Wir können auch noch auf eine Erscheinung 
in den Gewächshäusern hinweisen, indem es für eine ganze 
Anzahl von Pflanzen bekannt ist, dass sie Jahre lang sich gut 
erhalten, dann aber, obwohl sie in gleicher Weise weiter ge- 
pflegt werden und die äusseren Verhältnisse sich nicht ändern, 
allmählich oder rasch absterben. In der Natur ist jede Pflanze 
einem mehr oder weniger harten Kampfe ums Dasein ausge- 
setzt und ihr Tod ist, wie der der Thiere, meistens ein ge- 
waltsamer. Kein Baum bleibt von den Angriffen der Pilze 
und Thiere, von den Unbilden der Witterung verschont: wie 
lange er diesem Angriffe widersteht, hängt theils von deren 
Stärke, theils aber auch von seiner ihm innewohnenden Wider- 
standskraft ab. Diese letztere nimmt, von einem gewissen 
Zeitpunkte an, der für jede Species innerhalb gewisser Grenzen 
liegt, ab und mit dieser Abnahme tritt die Altersschwäche, mit 
ihrem Aufhören der Tod ein. Jedes Individuum ist also der 
Altersschwäche und dem Tode unterworfen, wie es einen An- 
fang und eine Entstehung hat. Das Leben der Species, wenn 
man sich so ausdrücken darf, beruht nun darauf, dass die In- 
dividuen nicht gänzlich untergehen, sondern sich in der em- 
bryonalen Substanz forterhalten, ja dieselbe kann sogar die 
Species überleben, da die neuen Arten aus den alten hervor- 
gehen und diese aussterben können ?). Bei der Vermehrung 
durch Keime sowohl wie auch durch Knospen ist also immer 
die embryonale Substanz der Träger der Entwicklungsfähig- 


I) Man vergleiche den Aufsatz von A. Burgerstein: „Ueber Lebensdauer 
und Lebensfähigkeit der Pflanzen“ in der Wiener illustrirten Gartenzeitung, 
Juni 1895. 

2) So ist also, empirisch genommen, auch die Species nicht unsterblich, 
sie ist noch keine Platonische Idee, allein im Vergleich zu den Individuen 
stellt sie doch das Beharrende im Wechsel dar. 


2* 


keit des neuen Individuums und insofern ist nicht abzusehen, 
warum die durch Knospen erfolgende Vermehrung eher zum 
Untergange der Art (resp. Varietät, Sorte) führen soll als die 
durch Keime. Da wir im II. Kapitel auf diesen Punkt noch 
einzugehen haben, so soll er: hier nur berührt werden und wir 
haben nur noch daran zu erinnern, dass eine Trennung in 
embryonale und vergängliche Substanz oder embryonales und 
vergängliches Gewebe nicht bei allen Organismen eingetreten 
ist. Es fehlt diese Trennung bei den einzelligen Organismen 
oder vielmehr sie ist hier nicht an einem, sondern erst an 
mehreren Individuen bemerkbar: wir können uns vorstellen, 
dass von den zwei Zellen, in die sich die ursprüngliche Zelle, 
der Organismus also, theilt, die eine dem Untergang geweiht 
ist, die andere sich weiter theilt, was natürlich in der Natur 
nicht mit solcher Regelmässigkeit erfolgt; in Wirklichkeit 
müssen nur, wenn auch tausende, die die vergängliche Sub- 
stanz repräsentiren, untergehen, immer einige als Repräsen- 
tanten der embryonalen Substanz übrigbleiben, wenn die Spe- 
cies sich erhalten soll. Dies besagt die sogenannte Unsterb- 
lichkeit der Einzelligen, in der wir nichts zu sehen haben, 
was von den Verhältnissen bei den Mehrzelligen principiell 
verschieden wäre, indem auch bei ihnen sich immer wenigstens 
einige Zellen der embryonalen Substanz erhalten müssen. Diese 
Erscheinung hat bekanntlich Sachs als die Continuität des 
Keimplasmas bezeichnet und damit in klare Begriffe gebracht, 
was vielleicht schon von den Stoikern unter dem Aoyog o7regua- 
tızog gemeint war. Schopenhauer!) sagt nämlich von 
diesem Begriff, den er einen schönen und tiefsinnigen nennt, 
dass, wenn auch ausführlichere Berichte über ihn zu wünschen 
wären, doch soviel klar sei, „dass dadurch das gedacht wird, 


I) Fragmente zur Geschichte der Philosophie, $ 6 in: Parerga und Pa- 
ralipomena. 


was in den successiven Individuen einer Gattung (Species) die 
identische Form derselben behauptet und erhält, indem es 
von einem auf’ das andere übergeht; also gleichsam der im 
Samen verkörperte Begriff der Gattung.“ 

Auch diese letzten Betrachtungen über die Grenze des 
Individuums in Raum und Zeit scheinen mir nicht überflüssig 
zu sein, wenn es sich um die Darlegung der Verhältnisse 
handelt, welche dazu dienen, die in vergänglichen Individuen 
sich repräsentirende Species zu erhalten. Die Mittel, welche die 
Natur dazu verwendet, sind, kurz zusammengefasst, folgende. 
Zunächst kann das Individuum trotz seiner Vergänglichkeit 
doch verhältnissmässig lange Zeit aushalten: die langlebigen 
Bäume, die gewöhnlich erst spät anfangen, durch Samenbildung 
für die Erhaltung und Verbreitung der Species zu sorgen. 
Sodann finden wir in der Knospenbildung ein Wachsthum über 
die Grenzen des Individuums hinaus, wodurch bei Unter- 
brechung der Verbindung neue Individuen entstehen. Drittens 
beruht die Erhaltung der Art auf der Bildung von Keimen, 
welche auf Kosten des individuellen Wachsthums entstehen und 
theils ungeschlechtlich sind, theils durch einen Sexualact er- 
zeugt werden: hier kann es soweit kommen, dass das ganze 
Individuum der Erzeugung dieser Keime geopfert wird. 

Als Hauptzweck im Leben der Organismen, vom Menschen 
natürlich abgesehen, müssen wir doch die Erhaltung und die 
Ausbreitung der Species ansehen, d. h. ihr zeitliches Fort- 
bestehen und ihre räumliche Entfaltung oder die Erzeugung 
neuer Individuen an Stelle der vergehenden und die Ver- 
mehrung der Individuen. Von diesem Standpuncte aus hat es 
nur eine untergeordnete Bedeutung, dass zur Entstehung ge- 
wisser Keime eine Vereinigung zweier Individuen nothwendig 
ist; wir könnten uns wenigstens vorstellen, dass die angegebenen 
Zwecke auch ebenso gut erreicht würden, wenn alle Keime rein 
asexuell entständen. Allein wir müssen annehmen, dass die 


—yEaD 


asexuelle Fortpflanzung nicht genügt, wenn wir uns die oft 
äusserst complicirten Einrichtungen der Natur zur Ermöglichung 
der Vereinigung zweier Geschlechter vergegenwärtigen. Es 
muss wohl eine grosse Bedeutung darin liegen, dass zwei vorher 
getrennte Substanzen, an denen die vererblichen Eigenschaften 
ihrer Erzeuger haften, zusammenkommen und ein neues Indi- 
viduum mit einem Gemisch dieser beiderseitigen Eigenschaften 
erzeugen. Wir werden im V. Kapitel die Versuche kennen 
lernen, die zur Erklärung davon gemacht worden sind, werden 
aber auch das Ungenügende derselben zugeben müssen. Viel- 
leicht hat es damit eine Bewandtniss, die nur für den Menschen 
gilt, in dem allein die tiefere Bedeutung des Lebens zur Geltung 
kommt und bei dem allein jedes Individuum von Bedeutung ist. 
Es scheint der Natur aber nicht möglich gewesen zu sein, 
sogleich den Menschen zu erschaffen, sondern es musste von 
den niedersten Erscheinungen der Organismenwelt eine lange 
Stufenfolge bis zum Auftreten des Menschen durchlaufen werden. 
In der Organisation seiner Vorläufer findet sich nun schon 
vieles, was auch dem Menschen eigenthümlich ist. So findet 
sich auch bei anderen Organismen schon die geschlechtliche 
Fortpflanzung, welche erst im Menschen ihre wahre Bedeutung 
erhält !). — 


ı) Vergl. Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, II. Bd., 
3. Aufl., p. 604. 


KAPITEL I. 


Ueber die Folgen von beständiger vegetativer Ver- 
mehrung der Pflanzen‘). 


Wir sind am Schlusse der Einleitung zu der Annahme ge- 
langt, dass der geschlechtlichen Fortpflanzung eine grosse Be- 
deutung im Leben und in der Entwicklung der Organismen 
zukommen muss. Bei den Wirbelthieren ist sie die alleinige 
Art der Fortpflanzung überhaupt geworden und bei den 
Blüthenpflanzen die einzige Art der Vermehrung durch Keime, 
da eine parthenogenetische Entwicklung des Eies nirgends 
sicher nachgewiesen ist. Bei manchen Blüthenpflanzen, z. B. 
vielen Coniferen, ist die Fortpflanzung durch Samen die einzig 
mögliche, während bei vielen anderen neben dieser noch eine 
Vermehrung durch Knospen, also vegetative Vermehrung statt- 
finden kann. Wir haben schon gesehen, welcher Unterschied 
zwischen Keim- und Knospenbildung besteht, dass nämlich bei 
ersterer eine Zellverjüngung stattfindet, bei letzterer dagegen 
ein Wachsthum über die Grenzen des Individuums hinaus. 
Aus dieser Zellverjüngung, einem Begriff, der in morpho- 
logischer Hinsicht ganz klar zu präcisiren ist, hat man nun den 
Begriff der Verjüngung des Pflanzenlebens im Allgemeinen 
abgeleitet und sich vorgestellt, dass eine aus einem Keime, bei 


1) Conf. Biologisches Centralblatt, Bd. XI, No. 5 u. 6, 1891. 


den Blüthenpflanzen also aus dem Samen, entstehende Pflanze 
ein mit frischen Kräften ausgestattetes Individuum sei und dass, 
wenn die Vermehrung durch Samen erfolge, die Art in jeder 
neuen Pflanze sich wieder verjünge und sich so ungeschwächt 
forterhalten könne. Dagegen erfolge bei der vegetativen Ver- 
mehrung keine Verjüngung, sie sei nur eine Verlängerung des 
individuellen Lebens und, wie das Leben des Individuums be- 
schränkt sei, so müsse auch hier eine Grenze der Weiter- 
entwicklung bestehen. Die Anhänger dieser Ansicht fassen 
somit alle Pflanzen, die durch Propagation von einer aus einem 
Samen entstandenen Pflanze abgeleitet werden können, als ein 
Individuum auf und bezeichnen diese Gesammtheit als eine 
„Sorte“ !); wie das Individuum allmählich altersschwach wird, 
so würde es auch die Sorte und diese müsse schliesslich durch 
Altersschwäche aussterben. 

Hiergegen lässt sich nun verschiedenes geltend machen. 
Zunächst ist auf das zu verweisen, was in der Einleitung über 
den Begriff des Individuums gesagt worden ist. Wir müssen 
Schleiden?) Recht geben, wenn er sagt: „Ich meine, der ge- 
sunde Menschenverstand wird es immer lächerlich finden, wenn 
man ihm zumuthet, die 2000 Pappeln einer meilenlangen 
preussischen Chaussee für Ein fortgesetztes Individuum anzu- 
sehen“. Die hier gemeinten Pyramidenpappeln, die nur durch 
Stecklinge fortgepflanzt werden, wird also jeder unbefangene 
Beurtheiler ebensogut für einzelne Individuen erklären, als 
andere aus Samen erwachsende Bäume. Begründet wird diese 
Anschauung noch dadurch, dass die aus vegetativen Theilen 
älterer entstandenen neuen Pflanzen auch wirklich neue Eigen- 


ı) Dies ist die Definition der Sorte von C. F. W. Jessen in seiner noch 
oft zu citirenden Abhandlung: „Ueber die Lebensdauer der Gewächse“, 
Eine gekrönte Preisschrift (Verhandlungen der kaiserl. Leopoldinisch-Karo- 
linischen Akademie der Naturforscher, 1855, Bd. XXV, I. p: 63—248) 1. c. 
p- 193. i 

2) Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik, 4. Aufl. (1861) p. 643. 


schaften annehmen können; sie zeigen oft gewisse Differenzen 
von ihrer Stammpflanze, wie es ebenso die Sämlinge gegenüber 
ihrer Mutterpflanze thun. Diesen Umstand finden wir auch 
bei Sorauer hervorgehoben, der sich darüber in einem die 
angebliche Degeneration der Culturpflanzen behandelnden Auf- 
Satze!) folgendermaassen äussert: „Von den durch Samen fort- 
gepflanzten Individuen räumt Jeder ein, dass die Nachkommen 
in gewissen Eigenschaften von der Mutterpflanze abweichen 
können, wenn sie auch in den wesentlichsten Merkmalen mit 
derselben übereinstimmen. Von den ungeschlechtlich ver- 
mehrten Culturpflanzen aber ist dasselbe Verhalten ohne 
Schwierigkeit zu erweisen. Der Gartenbau liefert hierfür die 
zahlreichsten Beispiele. Wem ist nicht bekannt, dass bei Ver- 
edlungen die Unterlage den Charakter des Edelreises oft be- 
einflusst und dass bei Stecklingen durch veränderte Ernährungs- 
verhältnisse Variationen eintreten können? Wenn also selbst 
zugegeben wird, dass das zunehmende Alter bei einer Pflanze 
gewisse Veränderungen in der Entwicklung bedinge, und wenn 
selbst zugegeben würde, dass diese Veränderungen dem Cultur- 
zwecke feindliche wären, also eine geringe Ernte quantitativ 
oder qualitativ bedingten, so fehlt doch immer noch der Nach- 
weis, dass diese Veränderung bei der Vermehrung sich auf den 
Sprössling überträgt und erhält“. 

Ferner ist daran zu erinnern, dass dasjenige, was als lebens- 
fähig von einem Individuum zum andern übergeht, die embryo- 
nale Substanz ist, dass auf dieser die Erhaltung der Art beruht. 
Dieselbe ist aber nicht bloss in dem wirklichen Embryo vor- 
handen, wie er, aus dem Ei hervorgegangen, in dem Samen 
eingeschlossen ist, sondern auch in den Knospen, zum min- 
desten in deren Vegetationspuncten. Denn zur vegetativen 
Vermehrung können eben nur solche Pflanzentheile dienen, 


I) P. Sorauer, Degeneriren unsere Culturpflanzen? (Oesterreichisches 
landwirthschaftliches Wochenblatt, 1877, No. 27.) 


ah e 


welche einen Vegetationspunct enthalten, oder doch wenigstens 
lebendige Zellen, die einen solchen bilden können, wie die 
Blätter der Farne, auf denen sich Adventivsprosse entwickeln. 
Wenn aber in den Knospen eben so gut wie in den Keimen 
embryonale Substanz, die nicht der Vergänglichkeit des Indi- 
viduums unterworfen ist, enthalten ist, so braucht bei der Ver- 
mehrung durch Knospen nicht eher eine Altersschwäche einzu- 
treten, als bei der durch Keime. 

Allein, wird man mir einwerfen, das Ei besteht nur aus 
embryonaler Substanz, bei der vegetativen Vermehrung aber 
wird auch schon ausgebildetes Gewebe von der Mutterpflanze 
auf die Tochterpflanze übertragen. Inwiefern dieses letztere 
aber nachtheilig wirken könne, ist eigentlich nicht einzu- 
sehen, indem ja doch sich die neuen Theile, Sprosse und 
Wurzeln, aus der embryonalen Substanz und nicht aus dem 
fertisen Gewebe bilden. Beim Zuckerrohr z. B. entstehen aus 
einem Steckreis (Bibit) soviele neue Pflanzen, als Vegetations- 
puncte an demselben vorhanden waren, während das die erstere 
tragende alte Stammstück zu Grunde geht. 

Es würde nur noch übrig bleiben, die Verjüngung bei der 
Entstehung eines neuen Individuums aus Samen im Gegensatz 
zu dem durch vegetative Fortpflanzung entstehenden darin zu 
suchen, dass der Same, respective der Embryo in demselben 
das Product einer Befruchtung ist. Diese Auffassung hat 
einiges für sich und würde die Erscheinung der sexuellen 
Fortpflanzung überhaupt dadurch zu erklären suchen, dass 
diese eine „Auffrischung des Blutes“ bedeute, indem eine ganz 
andere Substanz in die vorhandene eingeführt wird; man 
würde auch mit Recht annehmen, dass die Auffrischung um 
so wirksamer sei, je weiter, innerhalb gewisser Grenzen, die 
Bildungsstätten der zu vereinigenden Substanzen von ihrem 
gemeinsamen Ursprung her auseinander liegen. Handelt es 
sich aber, wie Sachs annimmt, nur darum, dass das nuclein- 


arme Ei durch den Spermakern mit Nuclein wieder versehen 
würde, so würde damit zwar die Nothwendigkeit der Befruch- 
tung, aber nicht der Vortheil der Kreuzbefruchtung erklärt 
werden. Mag dies aber nun sein wie es will — diese Erörte- 
rung gehört nicht an diesen Platz — so spricht gegen die 
Annahme, dass nur durch die Befruchtung eine wirkliche Auf- 
frischung oder Verjüngung erfolge, die ausschliesslich unge- 
schlechtliche Vermehrung bei ganzen grossen Gruppen von 
Pflanzen, nämlich bei den meisten Pilzen und bei vielen 
Algen, besonders den Laminariaceen und den mit ihnen 
am nächsten verwandten Familien. Niemandem fällt es ein 
und es liegt dazu auch gar kein Grund vor, bei ihnen eine 
eintretende Degeneration der Arten anzunehmen. Freilich er- 
folgt bei ihnen die Fortpflanzung nicht durch Knospen, sondern 
durch Keime, wie in der Einleitung hervorgehoben wurde, 
allein was dieser Unterschied für eintretende Degeneration be- 
deuten könne, das ist soeben als erster Punkt erörtert worden. 
Geben wir nun auch zu, dass das, was für Algen und Pilze 
gilt, sich nicht ohne weiteres übertragen lasse auf die Blüthen- 
pflanzen, um die es sich im Wesentlichen handelt, wenn von 
den nachtheiligen Folgen der fortgesetzten vegetativen Ver- 
mehrung die Rede ist, so können wir doch von rein theoretischer 
Betrachtung der Sache aus nicht zu einem sicheren Urtheil 
gelangen, dass eine Pflanze der Degeneration verfallen müsste, 
wenn sie ausschliesslich auf vegetativem Wege vermehrt 
wird. 

Desswegen erscheint es nothwendig, die Verhältnisse der 
spontan wachsenden und cultivirten Pflanzen, deren Fort- 
pflanzung im Allgemeinen, oder ganz ausschliesslich eine vege- 
tative ist, genauer zu untersuchen und auf empirischem Wege 
zu ermitteln, ob die so vielfach gehegte Ansicht von den 
schädlichen Folgen der vegetativen Vermehrung sich bestätigt 
oder nicht. 


OR 


Sehen wir nun zunächst zu, obesin der Natur viele Pflanzen 
gibt, die sich ausschliesslich oder vorwiegend vegetativ ver- 
mehren und ob diese Pflanzen sich in einem Zustande be- 
finden, der als krankhaft bezeichnet werden kann. 

„Dass Pflanzen für lange Zeiträume durch Knospen fortge- 
pflanzt werden können ohne die Hülfe einer sexuellen Zeu- 
gung, können wir sicher daraus schliessen, dass es bei vielen 
Pflanzen der Fall ist, welche in einem Naturzustande lange 
leben geblieben sein müssen.“ Dies sind die Worte Darwin’st), 
mit denen er die Betrachtung einer grösseren Reihe von Bei- 
spielen dieser Art einleitet, von denen einige hier wiederge- 
geben sein mögen. Er weist zunächst auf viele alpine Pflanzen 
hin, die von einer gewissen Höhe ihres Wohngebietes an 
keine Samen mehr produciren, sich also nur vegetativ ver- 
mehren. Eine besondere Eigenthümlichkeit bieten gewisse 
Gräser dar, von denen er Poa und Festuca nennt; wenn die- 
selben auf bergigen Weiden wachsen, so sollen sie sich fast 
ausschliesslich durch Zwiebeln fortpflanzen. Bei diesen Gräsern 
nämlich verwandeln sich oft die ganzen Aehrchen oder die 
einzelnen Blüthen mit Deck- und Vorspelze in kleinblättrige 
Laubsprosse, die an der Basis mit Wurzelanlagen versehen 
sind: dies sind die von Darwin „Zwiebeln“ genannten Or- 
gane. Sie lösen sich von der Rispe ab und bewurzeln sich 
auf dem Boden. Von Poa stricta Lindb. z. B. kennt man 
keine Früchte, sondern alle Pflanzen sind „lebendig-gebärend“ 
[vivipar?)]. Bei Poa bulbosa L. kommen in gewissen Gegenden 
nur vivipare, in andern auch früchtetragende Pflanzen vor: 


ı) Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 
Uebersetzung von Carus, 2. Ausgabe, 2. Bd., p. 195. Hierher gehört auch 
Vieles, was Kerner in seinem Pflanzenleben (2. Bd.) in dem Kapitel über 
Ersatz der Früchte durch Ableger sagt. 

2) So nennt man Pflanzen, die an Stelle von Blüthen in den Blüthen- 
ständen Brutzwiebeln oder Brutknospen hervorbringen. Man bezeichnet die 
Erscheinung auch als Apogamie. 


Poa alpina L. und Festuca ovina L. sind in Niederungen immer 
geschlechtlich, in Hochgebirgen und im Norden häufig apo- 
gamisch, bei Festuca Fuegiana Hook. und Deschampsia alpina 
R. et Sch. ist der geschlechtliche Zustand überhaupt sehr 
selten!). Nach Darwin breitet sich der Calmus (Acorus 
calamus L.) über einen grossen Theil der Erde aus, zeitigt 
aber seine Früchte so selten, dass diese nur von wenigen Bo- 
tanikern gesehen worden sind. Leizteres gilt speciell von 
Mittel- und Westeuropa, wohin er aus südlichen Gegenden 
eingeführt worden sein soll?); seine Verbreitung geschieht hier 
seit langer Zeit ausschliesslich durch Verzweigung und Thei- 
lung der Rhizome, also auf rein vegetativem Wege. Aehnlich 
ist es bei Lysimachia nummaularia L. und Vinca minor L., die 
äusserst selten Früchte produciren, aber sich durch ihre Aus- 
läufer bedeutend zu verbreiten wissen. Ausser den Ausläufern 
besitzt Ranunculus Ficaria L. noch andere Vermehrungsor- 
gane in kleinen, mit knollenförmigen Adventivwurzeln ver- 
sehenen Knospen, die in der Achsel der Laubblätter stehen 
und sich von der Pflanze ablösen (conf. Fig. 20). Das Kraut 
derselben ist bereits Ende Mai ganz vertrocknet und die Knöll- 
chen bleiben bis zum nächsten Frühjahr in der Erde liegen, 
um alsdann zu keimen. Darwin hat diesen Ranunculus nur 
einmal Samen tragend gefunden, während andere angeben, 
dass er in England, Frankreich und der Schweiz niemals 
Samen producire. Die Vermehrung von Ranunculus Ficaria 
ist von D. Clos?°) in einer besonderen Studie behandelt 

ı) Diese Beispiele sind angeführt nach Hackel’s Bearbeitung der 


Gräser in Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, II. Theil, 
2. Abtheilung, p. 15. 

2) Der Calmus soll erst 1574 von Clusius aus dem Süden in Wien 
eingeführt worden sein und sich von hier aus nach Norden und Westen 
verbreitet haben, andere Autoren bezweifeln dies. Man vergleiche auch, 
was Ludwig in seinem Lehrbuche der Biologie der Pflanzen (1895) p. 542 
über den Calmus sagt. 

3) Etude organographique de la Ficaire. (Annales des sciences na- 
turelles. Botanique, Ser. III, T. 17, p. 129.) 


worden; in derselben wird 
auch als eine- fast immer 
sterile Pflanze das gemeine 
Schilfrohr (Arundo phrag- 
mites L.) erwähnt, das viel- 
fach an Teichufern ange- 
pflanzt wird. Man bindet 
dazu Stücke des langen 
kriechenden Wurzelstocks 
an Strohseile und befestigt 
dieselben so, dass die Wur- 
zelstöcke sich etwas unter 
Wasser befinden: so be- 


wurzeln sie sich leicht 
und treiben weiter. Auch 
von einer Orchidee (Onei- 
dium Lemonianum Lindl. 
auf St. Thomas, Fig. 
wird angegeben’), dass sie 
nie Früchte trage, sondern 
sich immer nur durch Brut- 
knospen vermehre, die an 
den unten am Blüthenstand 
befindlichen Schuppenblät- 
tern an Stelle von Blüthen 
entstehen. Betreffs weiterer 
Beispiele von einheimischen 
und exotischen Pflanzen, 

Fig. 8. Oneidium Lemonianum 
(nach Bot. Reg.) im blühenden Zu- 
stande, von den vegetativen Ver- 


mehrungsorganen ist nichts zu 
sehen. 


ı) E. Eggers, Vermehrungsweise von Oneidium Lemonianum Lindl. 
und Paneratium Cariboeum L. (Botan. Centralbl., 1882, Bd. VIII, p. 122.) 


TE 
e 


welche blühen, aber nicht oder nur selten fructificiren, sei auf 
das Verzeichniss verwiesen, das Decaisne!) bereits im Jahre 
1858 aufgestellt hat. Hier wollen wir von wildwachsenden 
Blüthenpflanzen nur noch die Elodea canädensis Rich. an- 
führen, von der weibliche Pflanzen zuerst 1836 aus Nordamerika 
nach Irland gebracht wurden. Sie wurde dann auch im 
übrigen Grossbritannien und in den meisten Ländern Mittel- 
und Nordeuropas eingeschleppt. Hier vermehrte sie sich 
stellenweise — in Deutschland z. B. bei Potsdam und Sieg- 
burg — so stark, dass sie durch Verstopfung der Flussläufe 
für Schifffahrt und Fischerei lästig und deshalb als Wasserpest 
bezeichnet wurde. Da männliche Pflanzen fehlen, so geschah 
die Vermehrung immer nur durch Zertheilung der Stengel. 
Jetzt soll allerdings die Individuenzahl sich verringert haben, 
doch kann dies eher dem Eingreifen und der Vorsicht der 
Menschen, als einer Schwächung in der Entwicklung der 
Pflanze zuzuschreiben sein, denn, wo man sie in Flüssen an- 
trifft, gedeiht sie auf das üppigste ?). 

Ausser den Blüthenpflanzen können wir als Beispiele vege- 
tativrer Vermehrung in der Natur auch einige Kryptogamen 
anführen. „Von mehreren durch Ableger der verschiedensten 
Art sich erhaltenden und verbreitenden Moosen, wie z. B. 
Dicranodontium aristatum, Barbula papillosa, Grimmia tor- 
quata, Bryum concinnatum und Reyeri, hat kein Mensch jemals 
Früchte gesehen. Man kennt sie nur als unfruchtbar, und doch 
veranlasst das Fehlen der Früchte durchaus nicht ihr Ab- 
sterben“ 3). Bei anderen Laubmoosen fehlen die Früchte nur 


I) Note sur la sterilit@ habituelle de quelques especes. (Bulletin de la 
Societe Botanique de France, 1858, T. V, p. 154.) 

2) Im Sommer 1896 habe ich noch in der Zeitung Klagen aus dem 
Odenwald gelesen, dass die Wasserpest durch massenhaftes Auftreten fast 
alle Gewässer verstopfe. 

3) Nach Kerner, Pflanzenleben, II. Bd., p. 454, wo auch die folgenden 
Beispiele von Laubmoosen angeführt sind. 


in gewissen Gegenden, in denen ihre Vermehrung lediglich auf 
Knospenbildung angewiesen ist, wie Leucodon sciuroides im 
nördlichen Europa, Campylopus fragilis, Barbula fragilis und 
Timmia norvegica in den Alpen. Von Lebermoosen sei 
Lunularia vulgaris Mich. genannt, die in Deutschland, wo sie 
seit längerer Zeit eingeführt ist, niemals fructificirt, sondern 
sich nur durch sogenannte Brutknospen vermehrt; trotzdem 
bildet sie in den Gewächshäusern ein stark wucherndes Un- 
kraut. Bei manchen Flechten findet man keine Früchte: sie 
vermehren sich dadurch, dass sich kleine Stücke von ihrem 
Laube abtrennen, die Soredien genannt werden und die Keime 
neuer Pflanzen bilden. Die nicht fructificirenden Flechten sind 
vor den übrigen durch besonders reichliche Soredienbildung 
ausgezeichnet. Es ist schliesslich noch auf die Algengattung 
Caulerpa aufmerksam zu machen, von der für keine ihrer ca. 70 
bekannten Arten Schwärmsporenbildung oder überhaupt eine 
Vermehrung durch Keime mit Sicherheit bekannt ist: diese 
Pflanzen vermehren sich nur durch abgerissene Theile, „die ein 
staunenerregendes Vermögen besitzen, die Wunden zu ver- 
schliessen und sich zu regeneriren“ (Wille). 

Bei den hier angeführten Pflanzen, welche im natürlichen 
Zustande, ohne Cultur, wachsen, ist es meistens kaum möglich 
zu sagen, wie lange sie bei dieser vegetativen Vermehrung gut 
gediehen sind, da genauere Beobachtungen darüber fehlen. 
Nur von Elodea wissen wir, dass sie seit mehr als 50 Jahren 
sich in Europa ohne Schaden nur vegetativ vermehrt. Es 
können also an dieser so wenig wie an den andern Pflanzen 
Zeichen von Altersschwäche wahrgenommen werden. Jedenfalls 
zeigen uns diese Umstände, dass die vegetative Vermehrungs- 
weise nicht etwas ganz Widernatürliches ist und dass sich in ihr 
die Cultur keines Mittels bedient, das nicht auch von der 
Natur angewendet wird. 


En 


Was nun die Culturpflanzen betrifft, so haben wir auch 
unter ihnen solche, die nur oder wenigstens seit einem sehr 
langen Zeitraum vegetativ vermehrt worden sind, ohne dabei 
Zeichen von Altersschwäche zu geben. 

Das beste Beispiel dieser Art ist die Banane (Musa sapien- 
tium L.). Bekanntlich wird dieselbe jetzt in vielen Spielarten 
überall in der heissen Zone cultivirt, und zwar seit einer Zeit, 
die nicht mehr festzustellen ist!). Nach der Sage liess Gott, 
als er die ersten Men- 
schen schuf, auch die 
Banane aus dem Boden 
hervorsprossen: jeden- 
falls hat sich die Pflanze 
gleichzeitig mit den 
Menschenrassen aus- 
gebreitet. Sie ist also 
als eine der ältesten 
Culturpflanzen anzu- 
sehen. Ihre Vermeh- 
rung geschieht seit un- 
denklichen Zeiten nur 
durch Sprösslinge, die 
aus dem unter dem 
Boden befindlichen Rhi- 
zome hervorkommen 


t Fig. 9. Rhizom von Musa Troglodytarum 
(Fig.9). Nur sehr selten mit einem jungen Trieb; der Hauptspross ist 
bringt sie Samen her- abgeschnitten. (Nach Blanco, Flora der 


vor und selbst wenn Philippinen.) 


dies geschieht, so scheinen sie doch niemals zu Culturzwecken 
ausgesäet zu werden. Wenn bei irgend einer Pflanze, so würde 


I) De Candolle, Ursprung der Culturpflanzen. (Uebers. von E. 
Goetze, Leipzig 1884, S. 306.) 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 3 


man bei ihr vermuthen können, dass sie altersschwach 
geworden sei. Es ist aber gar nichts bekannt davon, dass die 
Culturen der Bananen jetzt einen schlechteren Ertrag geben 
als früher oder dass die Pflanzen von Epidemien zu leiden 
hätten. Die 
Banane scheint 
sich vielmehr 
trotz ihres viel- 
tausendjäh- 
rigen Alters als 
Culturpflanze, 
trotz ihrer re- 
gelmässig vege- 
tativen Ver- 
mehrung immer 
noch des besten 
Gedeihens zu 
erfreuen. Die- 
jenigen Schrift- 
steller, welche 
eine Degenera- 


tion der ge- 


Fig. 10. Phoenix daetylifera. Unterer Theil einer schlechtslos 
jüngeren Pflanze, an welcher aus den Achseln der vermehrten 
nz Ra mehrere Seitensprosse hervorkommen. Pflanzen durch 
N. d. N.) 


Altersschwäche 
vertreten, thun auch der Banane keine Erwähnung. Gegen 
ihre Ansicht ist sie bei Behandlung der Frage „Do varieties 
wear out“ in Gardener’s Chronicle (1875. I. p. 148) von R. 
Binns bereits als gutes Beweismaterial angeführt worden mit 
den Worten: „Do the Musa show any signs of deteriation? 
If not, it seems that, in this case, the ordinary mode of propa- 
gation can be dispensed with without ill effects!“ 


Nach der Banane möchte ich zunächst die Dattelpalme 
(Phoenix dactylifera L.) erwähnen (Fig. Io). Sie bringt aller- 
dings in den Ländern, wo sie in ihren Früchten den Be- 
wohnern das wichtigste Nahrungsmittel liefert, keimfähige Samen 
hervor, sie wird aber nicht durch diese, sondern durch Steck- 
linge in der Cultur vermehrt!). Cultivirt wird die für den 
Menschen so wichtige Palme vielleicht ebenso lange als die 
Banane, von epidemischen Krankheitserscheinungen wird aber 
nichts angegeben; wenn ihre Früchte fehlschlagen, so sind un- 
genügende Bestäubung der weiblichen Blüthen oder schäd- 
liche Insecten (Flugheuschrecken, Ameisen etc.) daran schuld. 


Ein weiteres Beispiel, das die Unschädlichkeit der geschlechts- 
losen Vermehrung der Culturpflanzen beweist, ist die Yams- 
wurzel (Dioscorea Batatas Decne), die in China, wo sie wahr- 
scheinlich auch heimisch ist, seit mehr als 2000 Jahren angebaut 
wird. Sie vertritt dort die Kartoffel und wird wie diese nur 
vegetativ vermehrt durch Stecklinge von den Stengeln oder 
durch Wurzelstücke?). In letzterem Fall werden die oberen 
Enden der Wurzelknollen abgeschnitten und in den Boden ge- 
legt. Von den Stengeln kann man sowohl Ableger als auch 
Stecklinge machen, die letzteren, welche man zwischen zwei 
Internodien herausschneidet, kann man selbst noch einmal längs 
spalten. Sie bewurzeln sich unter günstigen Verhältnissen mit 
Leichtigkeit und treiben aus den am Knoten vorhandenen 
Knospen aus. Es wird nichts darüber berichtet, dass die Pflanze 
infolge dieser Culturmethode irgendwie kränklich erscheine. 


ı) Conf. Leunis, Synopsis der Pflanzenkunde, 3. Aufl., bearbeitet von 
A.Frank, II. Bd., p. 894. AuchSeemann (Die Palmen, 2. Aufl., Leipzig 
1863, p. 198) gibt an, dass die „Dattelpalme durch Wurzelsprösslinge leicht 
fortzupflanzen ist“; ebenso Hansen in seinem interessanten Aufsatz über 
die Dattelpalme (Prometheus — 1890.) 

2) Decaisne, Note sur le Dioscorea Batatas. (Comptes rendus de 
Pacademie des sciences. Paris 1855, T. XL, p. 77-83.) 


3+ 


Die andern Dioscorea- Arten, von denen eine der gebräuch- 
lichsten D. sativa (Fig. 11) ist, dürften sich ähnlich verhalten. 
Eine ähnliche Rolle wie die Yamswurzel spielt in den 
meisten tropischen Ländern der sogenannte Taro (Colocasia 
antiguorum Schott 
(Fig. 12), über dessen 
Cultur ich leider 
keine so genauen An- 
gaben gefunden 
habe wie über die von 
Dioscorea,; nach 
allem aber ist zu 
vermuthen, dass er 
nur durch Rhizom- 
stücke vermehrt wird. 
Nun wird in Jes- 
sen’s Abhandlung 
(1. 'c.: p. T25) aller 


Fig. ıı. Dioscorea sativa. A Wurzeln, B Zweig dings berichtet, dass 
mit Blättern und Früchten. (Nach Zippel und die Pflanze von einer 


Ban Ann Krankheit ergriffen 
wird ähnlich der, 
welche die Kartoffeln (siehe weiter unten) befällt. „Keine Art 


des Bodens oder der Lage wird von diesem Verderben ver- 
schont, und weder im Boden noch in der Pflanze kann irgend 
etwas entdeckt werden, was im Mindesten auf die Ursache 
dieser Krankheit führt.* Dass aber in jener Zeit nichts ent- 
deckt werden konnte, beweist noch nicht die Abwesenheit 
eines von aussen kommenden Krankheitserregers. Zudem wird 
diese Krankheit nur für Jamaica angegeben; dies spricht, 
wenn in den andern Ländern die Pflanze bis jetzt gesund ge- 
blieben ist, nur dafür, dass hier eine specifische Erkrankung 
aufgetreten ist. 


Von der Batate (Convolvulus Batatas L.) können wir wohl 
dasselbe annehmen wie von der Yamswurzel.- Dass sie nur 
vegetativ vermehrt wird, geht schon aus einer Angabe Dar- 
win’s!) hervor, wonach 
(gemäss einer Mittheilung 
von Mr. Fortune) die 
Pflanze in China niemals 
Samen hervorbringt. Cul- 
tivirt wird sie aber jeden- 
falls schon länger als die 
Kartoffel und gehört Fin 
den tropischen Ländern, 
besonders der neuen Welt, 
wie jene zu den unent- 
behrlichsten Nahrungs- 
mitteln (Fig. 13). Von 
Krankheiten, die auf Al- 

tersschwäche beruhen! 


sollen, erfährt man nichts. 
Wir können ferner 


aufden Feigenbaum (Freus 
carica L.) hinweisen als 
eine geschlechtslos ver- 
mehrte Culturpflanze, die 
doch keine Degenerations- 


erscheinungen zeigt. Der- 
selbe wird Be DeCan- Fig. 12. Colocasia antiquorum. (Nach 
dolle seit mehr als Rumph, Herb. Amb,) 

4000 Jahren cultivirt und 

hat sich von seiner ursprünglichen, südasiatischen Heimath über 


alle Welttheile verbreitet, wo er in verschiedenen Spielarten 


1) Variiren etc., II. Bd., p. 194 


"spypdg smmajoauo) "EI "DIA 


(quy ‘gig ‘yduny yeN) 


gezogen wird. 
Seine Vermeh- 
rung geschieht 
fast nurdurch Ab- 
leger, die schnell 
Wurzel schlagen, 
und durch Stock- 
ausschläge. Seit 
sehr langer Zeit 
also wird der Fei- 
genbaum fortge- 
setzt auf vegeta- 
tive Weise ver- 
mehrt, ohne dabei 
jetzt schlechter als 
früher zu ge- 
deihen, denn die 
Krankheiten, die 
gelegentlich In- 
secten oder Pilze 
hervorrufen, dürf- 
ten schon lange 
bei ihm aufgetre- 
ten sein und zei- 
gen kein allge- 
meines Schwä- 
cherwerden der 
Pflanze an. 
Wenn wir 
schliesslich hier 
den Oelbaum (Olea 
europaea L.) an- 
führen, "WOTTBe 


schieht dies nur auf das Zeugniss von Bolle!) hin, der 
ihn zu den Culturpflanzen rechnet, die ohne Schaden vegetativ 
‘ vermehrt werden: im übrigen sind die Angaben über diese 
Art von einander abweichend. Die Cultur der Olive ist un- 
gefähr ebenso alt wie die des Feigenbaums; sie pflanzt sich 
durch Wurzelschösslinge, Absenker und Stecklinge fort. Nach 
Mittheilungen des Herrn Prof. Penzig in Genua keimen die 
reifen Samen nie oder äusserst selten, so dass man in den aus- 
gedehnten Olivenwäldern Milliarden von Früchten und Samen 
auf und in der Erde liegend, nie aber eine junge Keimpflanze 
finden kann. Nach Metzger’s landwirthschaftlicher Pflanzen- 
kunde?) „ist die Fortpflanzung durch Samen von sehr langer 
Hand, denn ein Olivenbaum trägt nicht leicht früher, als bis 
er 15 Jahre alt ist; diese Fortpflanzungsart aber sei das beste 
Mittel, jene Ausartung zu verhüten, über welche sich die Be- 
wohner des Südens beklagen“. Ob dies aber eine durch Ver- 
suche erwiesene Thatsache oder bloss eine landläufige Ansicht 
ist, kann daraus nicht entnommen werden. Ich erfahre ferner, 
dass der Olivenbaum einer äusserst sorgfältigen Pflege bedarf, 
wenn er überhaupt fortkommen und nicht eingehen soll und 
dass diese Erscheinung als Altersschwäche gedeutet wird. Doch 
können wir dieser für Italien gemachten Angabe die Bemerkung 
von De Candolle°’) gegenüber halten, dass die Olive ein 
Baum ist, „der selbst auf dem undankbarsten Boden Erträgnisse 
liefert“. Somit scheint es mir, dass der Oelbaum wenigstens 
nicht gegen die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Ansicht 
angeführt werden kann, einer Ansicht, für welche wohl das 
Verhalten der Banane als bestes Beweismittel gelten darf. 

Als solches können nun aber auch noch viele Zierpflanzen 


ı) Bouche& und Bolle, Degeneration aus Altersschwäche. (Monats- 
schrift zur Beförderung des Gartenbaues, von Wittmack, 1875, p. 484.) 

2) Heidelberg 1841, I. Bd., p. 567. 

3) Ursprung der Culturpflanzen, p. 357. 


bezeichnet werden, die in ihren besonderen Sorten seit langer 
Zeit dadurch erhalten werden, dass man sie nur aus Steck- 
lingen, Knollen oder Zwiebeln zieht. So haben wir Sorten von - 
Tulpen, Rosen, Hyacinthen, Geranien, Nelken, 
Georginen u. a.!), von denen manche mehr als 100 Jahre 
bei dieser Cultur gedeihen und ebenso kräftig wachsen als 
andere, regelmässig aus Samen gezogene Pflanzen. 

Dem Verhalten, welches die hier genannten Culturpflanzen, 
in deutlichster Weise die Banane, zeigen, steht nun das ge- 
wisser anderer Culturpflanzen gegenüber: von diesen wird an- 
gegeben, dass sie bei der geschlechtslosen Vermehrung früher 
zwar gut gediehen sind, nach bestimmter Zeit aber angefangen 
haben, krank zu.werden, so dass manche sogar ihr Aussterben 
befürchten lassen. Die Ansicht, dass dies ein Beweis für die 
Altersschwäche sei, findet sich am ausführlichsten dargelegt in 
der oben (conf. Anm. I p. 24) citirten Abhandlung von C. F. 
W. Jessen. Besonders wenn unter verbreiteten Culturpflanzen 
Epidemien auftraten, wurden sie von den Vertretern jener An- 
sicht als Folgen der fortgesetzten ungeschlechtlichen Ver- 
mehrung der betreffenden Pflanzen angesehen. Es seien deshalb 
die hauptsächlichsten dieser Fälle jetzt etwas ausführlicher be- 
handelt. 

Einen sehr bekannten Fall, dass die Vermehrung nur 
durch Stecklinge erfolgt und dass die so erzogenen Pflanzen 
in neuerer Zeit in grossem Maassstabe erkranken, bietet die 
Pryamidenpappel (P. pyramidalis Rozier — P. dilatata Ait.) 
Die Heimath dieses Baumes ist nach den Angaben der meisten 
Autoren ?) in Mittelasien zu suchen, von wo er nach Europa 


I) Conf. Anm. ı der vorigen Seite. 

2) Willkomm (Forstliche Flora von Deutschland und Oesterreich. 
Leipzig und Heidelberg 1872, p. 456), der die Pyramidenpappel als eine 
Varietät der Schwarzpappel (Populus nigra L.) betrachtet, gibt Folgendes 
an: „Sie findet sich nach Royle wildwachsend am Himalayagebirge, wo 


gebracht wurde. Zuerst in Italien angepflanzt, verbreitete er 
sich von da in die anderen Länder. Nach Deutschland ist er 
aus Frankreich in den siebziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts gekommen und wird hier vielfach als Chauseebaum 
verwendet. Auch nach den Vereinigten Staaten ist er von 
England aus im Jahre 1809 durch den Kanzler Livingstone 
eingeführt worden !). Es darf wohl angenommen werden, dass 


Fig. 14. Pyramidenpappeln mit gesunden und absterbenden Gipfeln. 
(N. d. N.) 


der männliche und weibliche Baum zusammen vorkommt, und ist daher 
wahrscheinlich nicht aus Persien nach Europa gekommen, wie man früher 
annahm“. Frank’s Angabe in Leunis’ Synopsis (Bd. II, p. 505), dass sie 
von den Ufern des Mississippi stamme, beruht auf einer Verwechslung mit 
einer andern Art. 


I) Report of the Commissioners of Patents for 1829. Agriculture p. 270. 
(Citirt in Jessen p. 201.) 


die Verbreitung und Vermehrung dieser Pflanze in den grossen 
Gebieten, welche sie jetzt bewohnt, ausschliesslich durch Steck- 
reiser geschehen ist. In Deutschland wenigstens stammen alle 
Exemplare von einem Baume ab und zwar war dieser Baum 
ein männlicher, da, wie schon erwähnt, fast alle Exemplare 
männlich sind !). 

Aus verschiedenen Ländern wird nun gemeldet, dass die 
Pappeln im Begriff sind auszusterben. In England gingen in 
den Jahren 1820 bis 1840 die meisten Bäume zu Grunde und 
in den Vereinigten Staaten drohten sie 1840 ganz zu verschwin- 
den ?). In Nord- und Mitteldeutschland scheinen die Pappeln 
besonders seit 1880 ebenfalls überall im Aussterben begriffen 
zu sein, während sie in Süddeutschland stellenweise noch ganz 
gut gedeihen. Eine äussere Ursache für das Siechthum dieser 
Bäume gibt sich nicht deutlich zu erkennen. Dass z. B. in 
Norddeutschland die grosse Kälte des Winters 1879/80 Veran- 
lassung dazu gewesen wäre, ist nicht wahrscheinlich. Focke?) 
macht dagegen geltend, dass schon vor 1879 die Pyramiden- 
pappeln zu kränkeln begannen. Ferner zeigten sich nach dem 
Frost in Norddeutschland die Pappeln, aber nicht die Obst- 
bäume, in Süddeutschland die Obstbäume, nicht aber die 
Pappeln geschädigt. Drittens sind frühere noch kältere Winter 


ı) Es existiren in Deutschland auch einige weibliche Exemplare, über 
deren Entstehung man nichts genaues weiss. Möglich ist es, dass an einem 
männlichen Baum ein Zweig mit weiblichen Blüthen durch spontane Variation 
auftritt und dass dieser dann, als Steckreis verwendet, einen weiblichen 
Baum liefert. Beobachtet ist aber eine solche Knospenvariation an der 
Pappel noch nicht. Man kann daher auch annehmen, dass die weibliche 
Pyramidenpappel entstanden ist durch Kreuzung eines männlichen Baumes 
dieser Art mit einem weiblichen von P. nigra; einige auf diesem Wege ent- 
standene Sämlinge könnten dann den Wuchs des Vaters und das Geschlecht 
der Mutter geerbt haben. Die hier kurz besprochene Frage behandelt W. O. 
Focke in seiner Abhandlung über das Siechthum der Pyramidenpappeln. 
(Wittmack’s Gartenzeitung, 1883, p. 389.) 

2) Jessen I. c.p. 201. 

3) Conf. Anmerkung 1. 


(z. B. im Jahre 1821) von keinem so nachtheiligen Einfluss auf 
die Pappeln gewesen. Focke nimmt nun an, dass die eigent- 
liche Ursache des Siechthums jener Bäume in der Alters- 
schwäche der Sorte liegt, ohne zu leugnen, dass andere Um- 
stände, wie Winterkälte und ein rauhes Klima, dabei eine Rolle 
mit spielen. Eine nähere Begründung dieser Behauptung gibt 
der erwähnte Autor nicht und es ist ziemlich deutlich, dass seine 
Erklärung nur der Ausdruck der Unkenntniss eines wirklich 
nachweisbaren Grundes ist. Soll man wirklich glauben, dass 
nach noch nicht hundertjähriger Cultur eine Pflanze an Alters- 
schwäche zu Grunde geht? Unter dieser Annahme aber würde 
man doch erwarten müssen, dass die Altersschwäche dann 
gleichzeitig bei allen Pflanzen eintritt. Es ist danach gar nicht 
einzusehen, warum in Süddeutschland und im Südosten Europas 
die Pappelbäume ihre Jugendfrische erhalten, in Norddeutsch- 
land, Frankreich, England und Amerika aber altersschwach 
werden sollen. 


Einwände dieser Art sind auch Herrn Focke von anderer 
Seite gemacht worden, so von H. Jaeger und Tyge Rothe, 
die in dem folgenden Jahrgang der Gartenzeitung !) das Siech- 
thum der Pyramidenpappeln besprechen. Mit Recht hebt 
ersterer auch hervor, wie unwahrscheinlich es ist, dass diese 
Sorte nach verhältnissmässig so kurzer Zeit an Altersschwäche 
leiden soll, während doch die so nahe verwandte Schwarz- 
pappel gewiss schon seit den ältesten Culturzeiten im acker- 
bauenden Tieflande durch Stecklinge fortgepflanzt wird. 
Jaeger stimmt mit den meisten Gärtnern darin überein, dass 
wiederholte strenge Winter das Siechthum der Pappeln hervor- 
gerufen haben, allein das Ungenügende dieser Begründung 
ist nicht nur schon oben dargethan worden, sondern es lässt 
sich sogar noch mehr dagegen anführen. So bemerkt Tyge 


I) Jahrg. 1884. p. 13, 59, 401. 


Rothe, dass auch Exemplare, die einen so geschützten und 
günstigen Standort hatten, dass sie notorisch von Kälte und 
Eisschlag nicht litten, dessen ungeachtet später von derselben 
Krankheit wie die andern Pappelbäume vernichtet wurden. 
Dieser Autor folgt in der Erklärung der Krankheit Herrn 
E. Rostrup!), der einen Schmarotzerpilz als den wahrschein- 
lichen Urheber bezeichnet hat. 

Der Pilz, welcher den Namen Dothiora sphaeroides Fries?) 
trägt, befällt die jungen Stämme und Aeste der Pappeln, durchzieht 
sie mit seinem Fadengewebe und bringt sie dadurch zum Ab- 
sterben. Erst an den abgestorbenen Theilen bilden sich seine 
Fortpflanzungsorgane aus, ohne äusserlich gerade auffallend 
hervorzutreten. Auch an andern Pappelarten wird der Pilz 
gefunden, er schädigt dieselben aber weniger, da er nur die 
schon abgestorbenen Sprosse befällt. Weitere Untersuchungen 
über die Erkrankung der Pyramidenpappeln durch diesen Pilz 
scheinen nicht angestellt worden zu sein; in Frank’s neuem 
Handbuche der Pflanzenkrankheiten wird er gar nicht erwähnt. 
Dagegen führt Vuillemin?°) die Erkrankung der Pyramiden- 
pappeln, von der er noch besonders bemerkt, dass sie weder 
in einer degenerirenden Constitution der Art, noch in kalten 
Wintern ihre Ursache hat, auf einen andern Pilz zurück, den 
er Didymosphaeria populina*) nennt und der vielleicht mit der 
früher schon bekannten Ofthia populina identisch ist. Das 
Eigenthümliche in der Wirkung dieses Pilzes soll sein, dass er 
die untersten Zweige befällt und an diesen Stellen eine Hyper- 
trophie hervorruft, durch welche den oberen Aesten die Nah- 


I) Pyramidepoples Undergang. Tillaeg til Nationaltidende. Kopenhagen 
13. Nov. 1883. 

2) Der Pilz ist ein Ascomycet aus der Familie der Discomy- 
cetes und der Unterfamilie Patellarieae. 

3) Comptes rendus, Paris 25. mars 1889. Vol. 108, p. 632. 

4) Der Pilz ist ebenfalls ein Ascomycet aus der Familie der Pyreno- 
mycetes und der Unterfamilie Sphaeriaceae. 


rung entzogen wird und sie zum Absterben gebracht werden. 
Man hat also den Urheber der Krankheit nicht an den dürren 
Gipfeln, welche ihr äusseres Zeichen sind (Fig. 14), sondern an den 
noch scheinbar gesunden unteren Theilen zu suchen. ‘Gegen 
dieses Uebel empfiehlt Vuillemin das Entfernen der untersten 
Astbüschel und er gibt an, dass so behandelte Bäume nicht 
erkrankt sind. Obgleich nun die Ansicht des genannten fran- 
zösischen Forschers viel wahrscheinlicher ist, als die vorher 
erwähnte von Rostrup, so bedürfte doch auch erstere noch sehr 
der Bestätigung und der weiteren Untersuchung in anderen 
Gegenden, da Vuillemin sich besonders auf Lothringen be- 
zieht. Ich bin überhaupt noch zweifelhaft, ob es sich in diesem 
Falle um eine durch Parasiten erzeugte Krankheit handelt 
und werde in dem Zweifel an ihrer pilzlichen Natur durch die 
Ansicht eines erfahrenen Mycologen (in litteris) bestärkt. Man 
müsste auch darauf achten, ob nicht ein ungünstiger Standort 
oft die Schuld trägt, wie z. B. ein solcher, an dem die Pappel 
ihre flach verlaufenden Wurzeln nicht ordentlich ausbreiten 
kann, etwa durch Chausseegräben!!). 

Ferner sollte man aber auch aus Samen gezogene Pappeln ?) 
mit aus Stecklingen gezogenen vergleichen und zusehen, ob 
sich die ersteren kräftiger entwickeln und, falls wirklich Pilze 
die Ursache der Erkrankung sind, sich widerstandsfähiger gegen 
deren Angriffe erweisen, wie dies von F. von Thuemen?) 


I) Frank behandelt in seinem Handbuche der Krankheiten der 
Pflanzen (2. Auflage) das Siechthum der Pyramidenpappeln, Bd. IH. p. 298, 
kommt aber auch nicht zu einem sicheren Urtheil über die Ursache. 

2) Sämlinge können natürlich nur da erhalten werden, wo ein weib- 
liches Exemplar der Pyramidenpappel zur Verfügung steht. Die Samen 
keimen schon am 3. Tage. Angaben über die Zucht von Pappelsämlingen 
findet man in den Arbeiten Vonhausen’s in der allgemeinen Forst- 
und Jagdzeitung von 1879 und 1881. Man vergleiche auch den Aufsatz 
von H. v. Salisch in Wittmack’s Gartenzeitung, 1885, Jahrg. 34, 
p- 201. 

3) Fühling’s Landwirthschaftliche Zeitung, 1885, Jahrg. 34, p. 201. 


N 


angenommen wurde. Blosse derartige Vermuthungen und die 
unbegründet aufgestellte Behauptung, die Pyramidenpappel 
gehe an der „widernatürlichen“ Vermehrung durch Stecklinge 
zu Grunde, können nicht beanspruchen, als Beweise angesehen 
zu werden, dass vegetative Vermehrung zur Degeneration 
führe. 

Ausser den Pyramidenpappeln zeigen auch andere Arten 
der Gattung Populus an manchen Orten dieselben Erschei- 
nungen des Absterbens wie jene: so die Schwarzpappel (P. 
nigra L.), die Canada-Pappel (P. canadensis Mchx.), die Silber- 
pappel (P. alba L. und P. canescens W.) und die Zitterpappel 
(P. tremula L.).. Auch sie werden nur ungeschlechtlich fort- 
gepflanzt, die Schwarzpappel, wie erwähnt, schon viel länger 
als die Pyramidenpappel. Trotzdem leidet erstere weder seit 
längerer Zeit noch jetzt intensiver an allgemeinem Siechthume 
als die letztere. Besonders muss darauf hingewiesen werden, 
dass auch hier wiederum die Krankheit nur in einzelnen 
Gegenden an den genannten Bäumen auftritt und dass schon 
dieser Umstand genug dagegen spricht, als ob es sich um eine 
jetzt allgemein eintretende Altersschwäche handelte. Inwieweit 
bei den andern Pappelarten Pilze als Krankheitsursachen be- 
theiligt sind, vermag ich nicht anzugeben. 

Im Anschluss an die Besprechung der Pappelkrankheit sei 
“noch mitgetheilt, dass man auch an Weiden Beobachtungen 
über plötzliches allgemeines Absterben gemacht hat. So er- 
wähnt Focke in dem oben citirten Aufsatz, dass die Trauer- 
weiden (‚Salix babylonica L.) zu Anfang der sechziger Jahre in 
Deutschland grösstentheils zu Grunde gingen. Er führt dies 
natürlich auf die Altersschwäche der Sorte zurück. Allerdings 
stammen alle unsere, nur weiblichen Exemplare von einem und 
demselben Steckreis ab, das wohl Anfang vorigen Jahrhunderts 
aus dem Orient nach Europa gebracht worden ist!). So lange 


1) Angaben hierüber finden sich in K. Koch’s Dendrologie (Erlangen 
1869 bis 1873) Bd. II, p. 509. 


keine näheren Untersuchungen über die kranken Trauerweiden 
vorliegen, lässt sich über die Ursache ihrer Erkrankung nichts 
weiteres sagen. Da doch die andern schon lange regelmässig 
durch Stecklinge vermehrten Weiden nicht absterben, ist die 
von Focke gemachte Annahme betreffs der Trauerweide min- 
destens keine sehr wahrscheinliche. Die Vermuthung Rothe’s!), 
dass es sich’ hier um den gleichen oder einen ähnlichen Pilz 
wie bei der Pyramidenpappel handelt, hat immer noch mehr 
für sich. Auch kann es sich wohl nur um einzelne erkrankte 
Exemplare handeln, denen genug andere von schönem, kräftigem 
Wachsthum gegenüberstehen. 

Wenn wir somit bei Pappeln und Weiden auch die Be- 
hauptung, dass sie an Altersschwäche leiden, als ganz uner- 
wiesen ansehen und zurückweisen müssen, so haben wir doch 
noch keine Sicherheit über den wahren Grund ihrer Erkran- 
kung. Besser unterrichtet sind wir über die Ursachen der jetzt 
zu besprechenden Krankheiten. 

In den Fällen, um die es sich hier handelt, weiss man, dass 
die Pflanzen durch gewisse Parasiten geschädigt werden, dass 
die Krankheit nicht ohne dieselben auftritt und dass letztere 
wiederum ein Zeichen für die erstere sind. Man kennt auch 
die ganze Entwicklung des Parasiten und kann seine Aus- 
breitung von dem ersten Auftreten an ziemlich genau verfolgen. 
Von Culturpflanzen kommen hier besonders in Betracht der 
Weinstock, die Kartoffel und die Obstbäume; die auf ihnen 
Krankheiten erzeugenden Schmarotzer sind Pilze oder Insecten. 

Manche Landwirthe nehmen nun an, dass das Befallen- 
werden von den Schmarotzern an sich schon als eine Krank- 
heitserscheinung aufzufassen sei. Sie geben zu, dass die 
Schmarotzer dann den eigentlichen Ausbruch der Krankheit 
bewirken und dazu auch nothwendig sind, meinen aber, dass 


I) Siehe in den citirten Aufsatz in der Gartenzeitung (p. 43, Anm. r). 


in den nun kranken Pflanzen schon vorher gewissermaassen die 
Anlage dazu: gelegen habe, die ohne das Hinzukommen der 
Parasiten latent bleibt. Pflanzen, die nicht diese Anlage in sich 
tragen, würden dann, auch wenn sie von Parasiten angegriffen 
werden, nicht krank werden, d.h. diese würden sich auf ihnen 
nicht entwickeln können. Die Pflanzen also, welche durch die 
Parasiten geschädigt werden, sollen eine krankhafte Anlage oder 
Prädisposition besessen haben. Ob bei den Pflanzen für ge- 
wisse Krankheiten eine solche Prädisposition nöthig ist oder 
überhaupt existirt, darüber ist viel geschrieben worden. In sehr 
gemässigter und sachlicher Weise wird die Frage von So- 
rauer!) behandelt. Nach seiner Ansicht müssen die Krank- 
heitserreger (Insekten oder Schmarotzerpilze) nicht immer die 
Krankheit erzeugen, sondern in manchen Fällen muss eine 
Prädisposition dazu da sein. In andern Fällen, gibt er zu, 
braucht sie nicht vorhanden zu sein, wie z. B. beim Auftreten 
des Mutterkorns im Getreide. Die Ursache der Prädisposition 
sucht er in excessiver oder lange andauernder Kälte, in der 
Bodenbeschaffenheit und ähnlichen äusseren Umständen. Die 
Richtigkeit seiner Anschauung zu prüfen, ist hier nicht der Ort. 
Wir haben hier nur zu untersuchen, ob auch durch fortgesetzte 
Vermehrung auf vegetativem Wege eine Sorte oder Art zu 
Krankheiten prädisponirt wird. Gerade die sogenannte Alters- 
schwäche wird von Manchen als nothwendige Prädisposition zur 
Krankheit da gefordert, wo zugegeben werden muss, dass sie 
nicht als alleinige Krankheitsursache angenommen werden kann. 
Diesen Punkt haben wir also im Folgenden auch immer mit 
zu berücksichtigen. 

In der auf Altersschwäche beruhenden Prädisposition sieht 
von Thuemen?) eine der wichtigsten Ursachen der stetig 


ı) Gibt es eine Prädisposition der Pflanzen für gewisse Krankheiten ? 
(Landwirthschaftliche Versuchsstationen, 1880.) 
2) l. c. siehe Anm. 3, p. 45. 


zunehmenden Parasitenschäden an unseren Culturgewächsen 
und speciell am Weinstock. Er erblickt in den Reben, die 
seit tausenden und tausenden von Jahren nur durch Stecklinge 
„auf die denkbar widernatürlichste Manier‘ vermehrt werden, 
„scheinbar verjüngte Greise, denen keine echte innere Lebens- 
kraft innewohnt‘“. Infolge dessen können sie — nach seiner 
Meinung — den Angriffen der Parasiten nicht widerstehen und 
können diese solche Verheerungen unter ihnen anrichten, wie 
wir es thatsächlich sehen. Ob diese Annahme nöthig ist, wird 
die folgende Erörterung zeigen. 

Gewiss ist der Weinstock seit den ältesten Zeiten in Cultur; 
Beweise derselben sind in egyptischen Grabgewölben vorhanden 
und weisen auf den Gebrauch des Weines schon vor 5000 
—6000 Jahren hin. Seit dieser Zeit wird auch die Pflanze 
durch Stecklinge vermehrt. Mag sie sich im spontanen Zustand, 
in dem sie in prähistorischer Zeit schon in Ländern existirt 
hat, in die sie erst später als Culturpflanze eingeführt worden 
ist, auch reichlich durch Samen vermehren, so hat man doch 
bei der Cultur wohl immer nur Stecklinge zur Zucht ver- 
wendet!)., An den Rebensorten müssten also Zeichen von 
Altersschwäche, wenn es solche gäbe, gewiss zu bemerken sein: 
bemerkt man aber davon etwas an Pflanzen, die nicht von 
Schmarotzern befallen sind? Niemand klagt darüber und die 
Ansicht von einer solchen Altersschwäche beruht nicht auf 
Beobachtung, sondern auf reiner Theorie und Vermuthung. 


ı) Die Früchte der Rebe enthalten zwar meistens Samen, allein die- 
selben sind in der Regel nur in geringem Prozentsatz keimungsfähig, ihre 
Keimungsenergie ist ausserdem sehr schwach; die Samen edler Sorten be- 
sitzen ein schwächeres Keimungsvermögen als die gemeiner Sorten, wie 
schon Dar win angibt. (Variiren der Thiere und Pflanzen etc. Uebersetzt 
von Carus, 2. Aufl., Stuttgart 1873, II. Bd., p. 193.) Vgl. hiezu: F.Nobbe, 
Untersuchungen über die Anzucht des Weinstockes aus Samen. (Land- 
wirthschaftliche Versuchsstationen, Bd. XXX, p. 229.) 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 4A 


Was nun die durch Schmarotzer hervorgerufenen Krank- 
heiten betrifft, so treten dieselben als gefährliche Epidemien 
auf, die mit verschiedenen Namen bezeichnet werden. Zu den 
am längsten bekannten gehört der sogenannte Mehlthau. 

Möglicherweise hat man diesen schon im klassischen Alter- 
thum beobachtet, wenigstens spricht Plinius von einem Mehl- 
thau, der das Abfallen der Weinbeeren bedingt!). Vor 200 
Jahren ist dann ferner eine Notiz gegeben, die sich offenbar 
auf die in Rede stehende Krankheit ’bezieht?). Sicher be- 
obachtet ist sie erst in diesem Jahrhundert: zuerst 1839 von 
Nietner in Deutschland), dann 1845 von Tucker in Eng- 
land. Berkeley fand 1847 einen Pilz als stetigen Begleiter 
und offenbaren Urheber der Krankheit und nannte ihn Oidium 
Tuckeri*). Bestimmt lässt sich also nicht angeben, wie lange 
die Rebe cultivirt worden ist, bis sie — nach von Thue- 
men’s Ansicht — so altersschwach wurde, dass sie dem 
Mehlthaupilz nicht mehr Widerstand leisten konnte. Einige 
Jahrtausende scheint sie aber doch bei der „denkbar wider- 
natürlichsten“ Vermehrung sich jugendfrisch erhalten zu haben. 
Es ist nun freilich nicht so leicht zu erklären, wodurch nach 
dieser Zeit eine so starke Ausbreitung der Traubenkrankheit 
— so wird der Mehlthau auch bezeichnet — hervorgerufen 
wurde). Denn dass es früher den Pilz nicht gegeben habe, ist 
nicht anzunehmen. So wurde denn die Altersschwäche der 
Rebe zur Erklärung herbeigezogen, und weil man keine andere 


ı) A. B. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880, p. 559. 

2) Jessen 1. c.p. 153. 

3) Jegssen | c. p. 154. 

4) Oidium Tuckeri Berk, ein Pilz aus der Abtheilung der Pyrenomy- 
ceten, dessen vollkommene Fruchtform man aber noch nicht kennt, bildet 
auf den Rebenblättern weissliche, spinnwebenartige Ueberzüge und auf den 
jungen Beeren braune Flecken. Sein Mycelium wächst auf der Oberhaut 
jener Organe und bildet an kurzen aufrechten Aesten einzellige Sporen. 

5) ı851 kannte man sie schon in allen weinbautreibenden Ländern 
Europas und auch in Nordamerika. 


hatte, erschien: diese auch ganz plausibel. Einer näheren 
Prüfung konnte aber diese Theorie nicht Stand halten, wie aus 
den Verhandlungen darüber bei einem Congress von Wein- 
züchtern in Trier im Jahre 1874 hervorgeht. Es sei gestattet, 
aus diesen Verhandlungen das Wesentliche mitzutheilen, weil 
sie von besonderem Interesse für unsern Gegenstand sind. Die 
Frage, mit der sich die Weinzüchter unter anderen beschäftigten, 
lautet: „Ist die durch Friedrich Hecker ausgesprochene, 
sehr wahrscheinliche Ansicht, .dass die europäischen Reben in 
den letzten Jahren namentlich deshalb so sehr durch Krankheit 
aller Art leiden, weil die meisten jungen Reben aus sogen. 
Fechsern oder Schnittreben und nicht vielmehr aus Kernen ge- ' 
zogen werden, richtig“ !)? Der Referent, Dr. David, kommt 
nach einer längeren Exposition „zu dem überraschenden Re- 
sultate, einmal, dass der Weinstock keineswegs, wie man so 
gern anzunehmen gewohnt ist, eine besonders geplagte Pflanze 
ist, und zweitens, dass es für die Anfälligkeit einer Cultur- 
pflanze durch Krankheiten (Insekten oder Pilze) völlig gleich- 
giltig ist, ob dieselbe aus Samen gezogen, durch Schnittlinge 
direct vermehrt oder endlich auf Samenpflanzen aufgepfropft 
wird. Die Ansicht Friedrich Hecker’s muss also als falsch 
bezeichnet werden“. Nels bemerkt, „dass zehnjährige Wein- 
stöcke, die aus Samen. gezogen wurden, wie alle andern vom 
Oidium befallen wurden und also keineswegs widerstandsfähiger 
sind“. Aufeine Anfrage Blankenhorn’s, „ob es nicht wahr- 
scheinlich sei, dass Krankheiten, die durch Pilze hervorgerufen 
sind, durch Schnittreben leicht übertragen werden und so eine 
grössere Verbreitung finden“, antwortet David: „Das sei 
möglich, aber die Calamität bleibe bestehen, auch wenn die 
Weinpflanze durch Samen vermehrt wird, da die Samenpflanze 


ı) Bericht über die Verhandlungen der Section für Weinbau auf der 
16. Sectionsversammlung in Trier, vom 28.—30. Sept. 1874. Von Dr. Georg 
David. Heidelberg 1875, p. 30. 
4 


_— 2 — 


doch immer veredelt werden müsse, also ebenfalls wieder der 
Theil eines schon vorhandenen Weinstocks in Gebrauch ge- 
nommen werde“. Director Goethe zu Marburg schliesst sich 
der Ansicht des Dr. David völlig an, „dass wir durch Samen- 
zucht nicht eine Verminderung der Krankheit erreichen ; Samen- 
zuchten, schon vor 40 bis 60 Jahren angestellt, haben dies zur 
Genüge bewiesen. Schliesslich kann sich auch Baron Dae&l 
von Koeth ‚für die Hecker’sche Ansicht ebenfalls keinen 
rationellen Grund denken und stimmt der Ansicht des Re- 
ferenten bei“. 

Nach diesen Aussprüchen von Fachmännern liegt also gar 
kein Grund zu der Annahme vor, dass die Rebensorten an Alters- 
schwäche leiden. Wir können somit die Vermehrung durch 
Stecklinge nicht für die Traubenkrankheit verantwortlich 
machen, sondern müssen als alleinige Ursache derselben den 
Pilz, Oidium Tuckeri, betrachten. Dieser entwickelt sich auf 
jeder Rebe, wenn keimfähige Sporen auf letztere gelangt sind 
und es ist gar keine Prädisposition von Seite der Rebe dazu 
nöthig. Wenn er sich aber entwickelt — wozu er natürlich 
auch gewisse äussere Bedingungen, wie Feuchtigkeit, braucht 
— so ruft er die Traubenkrankheit oder den Mehlthau hervor. 

Offenbar ebenso verhält es sich mit einer andern Epidemie, 
die man zum Unterschied von der vorigen falschen Mehlthau 
genannt hat und die erst in noch neuerer Zeit zu einer grossen 
Calamität für den Weinstock geworden ist. Auch hier werden 
die Anhänger der Lehre von der Altersschwäche der Reben 
diese als ursprünglichen Grund hinstellen und in dem Pilz 
nur die Veranlassung zum Ausbruch der Krankheit erkennen 
wollen. Dagegen lassen sich aber auch dieselben Gründe 
geltend machen wie bei der vorigen Krankheit; doch sind mir 
nähere Angaben und Versuche in dieser Hinsicht nicht be- 
kannt geworden. Ganz vortrefllich lässt sich bei dieser Epi- 
demie ihre Ausbreitung von Land zu Land erkennen, d. h. 


man sieht, wie der krankheitserregende Pilz von Land zu 
Land übertragen worden ist. Versuche haben gezeigt, dass 
die Verbreitung durch die Sporen des Pilzes geschieht. Der- 
selbe, Peronospora viticola, hat seinen Ursprung in Nordamerika, 
wo er auf den dort einheimischen Vitis-Arten parasitisch lebt. 
1878 wurde er zuerst in Frankreich auf der cultivirten Rebe 
beobachtet und verbreitete sich von hier nach Deutschland, 
der Schweiz, Italien, Ungarn, Griechenland, mehr oder weniger 
gefährliche Epidemien hervorrufend. Bemerkenswerth ist, 
dass gegen die Extensivität und Intensivität der Verbreitung 
der Peronospora wviticola alle ähnlichen, bei Pilzeinwande- 
rungen bisher beobachteten Erscheinungen weit in den Hinter- 
grund treten !). 

Das meiste Interesse und die grösste Besorgniss erregt 
gegenwärtig von den Krankheiten des Weinstocks die durch 
die Reblaus (Phylloxera vastatrix) verursachte. Eine ungeheure 
Litteratur über diesen Gegenstand ist in wenigen Jahren ent- 
standen. In dieser Litteratur fehlt es auch nicht an Schriften, 
in denen behauptet wird, die Reblaus könne nur deshalb 
solchen Schaden anrichten, weil die Rebsorten durch bestän- 
dige vegetative Vermehrung altersschwach geworden seien. 
Zu den Schriften dieser Art gehören einige von Ch. Ober- 
lin?). Er nennt die Vermehrung durch Stecklinge eine „bar- 
barische‘“, welche eine Degeneration der Reben habe herbei- 
führen müssen ; es werde durch diese Methode die Structur 
des Zellgewebes der Rebe verändert und für die Angriffe der 
Reblaus empfindlicher gemacht. Dass diese Behauptungen 


I) von Thuemen, Die Einwanderung und Verbreitung der Perono- 
spora viticola in Oesterreich. (Aus den Laboratorien der k. k. chemisch- 
physiolog. Versuchsstation für Wein- und Obstbau zu Klosterneuburg bei 
Wien, Nr. 7, I. Dec. 1888.) 

2) Die natürliche Lösung der Phylioxera-Frage. (Ampelographische 
Berichte, Bd. III, Nr. 4.) Die Degeneration der Reben, ihre Ursache 
und ihre Wirkungen. Lösung der Phylloxera-Frage. Colmar (E. Barth) 1881. 


ganz unerwiesene sind, haben bereits mehrere Oenologen dar- 
gethan. Da in ihren Ausführungen sich vieles wiederholt, was 
bei der Frage nach der Ursache des Mehlthaues schon gesagt 
worden ist, so soll nicht weiter auf den Inhalt der unten ci- 
tirten Schriften!) eingegangen werden. Es wird besser sein, 
wenn wir zum Schluss dieses Abschnittes die Gründe kurz 
zusammenfassen, welche dafür sprechen, dass die Rebsorten 
nicht an Altersschwäche leiden und dadurch zu den Infections- 
krankheiten prädisponirt sind, sondern dass die Pilze und thie- 
rischen Schmarotzer als die eigentlichen und alleinigen Ur- 
sachen der betreffenden Krankheiten zu betrachten sind ’?). 

ı) Der Weinstock wird seit Jahrtausenden durch Stecklinge 
vermehrt und gedeiht da, wo Parasiten fehlen, in ganz nor- 
maler Weise; historisch nachweisbar ist, dass einzelne der 
noch jetzt cultivirten Sorten bereits seit 1500 Jahren auf die- 
selbe Weise vermehrt werden und trotzdem ihre vortrefflichen 
Eigenschaften bewahrt haben. 

2) Dass die Vermehrung mittelst Stecklingen eine Verän- 
derung in der Structur der Rebe hervorbringe, lässt sich nicht 
nachweisen. Ueberhaupt wächst der neue Stock nur dann von 
vornherein anormal, wenn die Stecklinge von kranken oder 
schlecht ernährten Stöcken genommen wurden. 


I) A. Marri, Die Regeneration der Rebe oder über den Zweck und die 
Art, die Rebe durch Samen fortzupflanzen. (Annalen der Oenologie, IX, 
p. 50, 1869.) — R. Goethe, Ueber Degeneration und Regeneration der 
Reben. (Ampelographische Berichte, II, Nr. 5, 1881.) — R. Goethe, W. 
Rasch, Ueber die Anzucht der Reben aus Samen. (Ampel. Ber., I, Nr. 3 
ı880, III, Nr. 5. 1882.) — Müller-Thurgau, Ueber die Ursachen des 
kranknaften Zustandes unserer Reben. Vortrag. (Sep.-Abdr. aus Mitthei- 
lungen d. thurg. naturf. Ges., Heft VIII, 8°, ı9 p.) Frauenfeld (J. Huber) 
1890. 

2) Dass ungeeignete Cultur, ungünstige Witterung u. dergl. das Wachs- 
thum der Reben schwächen und das ihrige dazu beitragen, die inficirten 
Stöcke noch kränker zu machen, ist selbstverständlich. Das sind aber immer 
nur lokale Erscheinungen, welche die inneren Eigenschaften der ganzen 
Pflanzensorte im Allgemeinen nicht verändern. 


3) Die Fortpflanzung auf vegetativem Wege kann bei der 
Rebe nicht als widernatürlich betrachtet werden, denn diese 
Pflanze hat in bevorzugtem Maasse die Fähigkeit, beim Ein- 
legen aus jedem Knoten Wurzeln und aus der an dem Knoten 
stehenden Knospe einen neuen Spross zu bilden. 

4) Die aus Samen gezogenen Rebstöcke zeigen keine 
grössere Widerstandsfähigkeit gegen Frost und Schmarotzer 
(Oidium) als die aus Stecklingen gezogenen. In beiden Fällen 
verhalten sich die neuen Pflanzen wie ihre Mutterpflanzen, 
deren Widerstandsfähigkeit in gewissem Grade von der Sorte, 
der sie angehören, abhängt. 

Um ganz analoge Erscheinungen, wie wir sie beim Wein- 
stock kennen gelernt haben, handelt es sich auch bei der 
Kartoffel. Indessen wollen wir auch bei dieser Pflanze 
etwas näher auf ihre Cultur und ihre Krankheiten eingehen. 

Wir wissen nicht genau, seit welcher Zeit die Kartoffel in 


‚Cultur genommen worden ist. Jedenfalls ist dies in Amerika 


geschehen, bevor dasselbe von den Europäern entdeckt wurde. 
Zu dieser Zeit wurde sie bereits in den gemässigten Regionen 
der Anden von Chile, welches Land als ihre ursprüngliche 
Heimath anzusehen ist, bis Neugranada cultivirt. 1580 wurde 
die Pflanze von den Spaniern aus Südamerika direct nach 
Europa gebracht. Die Engländer aber erhielten sie erst 1585 
durch Sir Walter Raleigh aus Virginien und hierhin war 
sie erst nach der Entdeckung Amerikas von Südamerika aus 
durch den Schiffsverkehr gekommen. Gegenwärtig hat die 
Kartoffel als Culturpflanze fast die ganze Welt erobert, doch 
ist ihre grosse Ausbreitung erst seit dem vorigen Jahrhundert 
zu datiren !). 

Beim Kartoffelbau im Grossen wird die Pflanze nur durch 
die Knollen vermehrt. Dieselben werden entweder ganz in 


ı) De Candolle, Ursprung der Culturpflanzen. 


— 56 — 


den Boden gelegt oder die Knolle wird vorher in so viele 
Stücke geschnitten, als Augen (Knospen) an ihr vorhanden 
sind. Man kann allerdings die Kartoffeln auch aus Samen er- 
ziehen !), es geschieht dies aber nur von einigen Züchtern, die 
es auf die Erziehung neuer Sorten abgesehen haben; auch 
bringen die Sämlinge erst im zweiten Jahre fruchtbare Knollen 
hervor. 

Bei der ungeheueren Wichtigkeit, welche die Kartoffel als 
Nahrungsmittel für den Menschen besitzt, ist es von grösstem 
Interesse, ihre Ertragsfähigkeit möglichst hoch zu halten und 
alles zu vermeiden, was zu ihrer Schädigung beitragen könnte. 
Es wäre eine sehr traurige Aussicht, annehmen zu müssen, 
die Kartoffel entarte durch die fortgesetzte Cultur, speciell die 
Vermehrungsmethode, immer mehr und könne den sie heim- 
suchenden Schmarotzern keinen Widerstand mehr leisten. 

Solche Ansichten wurden besonders laut, als 1845 die so- 
genannte Kartoffelkrankheit ausbrach und sich mit grösster 
Schnelligkeit nicht bloss über ganz Europa, sondern auch über 
die andern Welttheile verbreitete. Dass eine allgemeine Ent- 
artung der Pflanze die Ursache sei, behauptete auch 
Schleiden?). Nach ihm soll eine -durch lange fortgesetzte 
Cultur gestörte anomal gewordene Ernährung und stoffliche 
Zusammensetzung der Kartoffel sie schliesslich zu Krankheit 
und Zersetzung besonders geneigt machen. Genauer begründet 
scheint diese Ansicht nicht zu sein. Etwas eingehender, aber 


1) Interessant ist es zu sehen, welche Unterschiede in der Blüthen- und 
Samenbildung bei verschiedenen Kartoffelsorten auftreten. Nach einer An- 
gabe in Gardeners Chronicle (Jahrgang 1880, Bd. XIV, p. 115) lassen sich 
dabei 6 Fälle unterscheiden: im ı. Fall produciren die Kartoftelpflanzen nie- 
mals Blüthen, im 6. Fall werden Blüthen producirt, die sich selbst befruchten 
und reichlich Samen hervorbringen. Zwischen diesen beiden Extremen sind 
eine ganze Reihe von Uebergangsstufen wahrzunehmen. 

2) Encyclopädie der theoretischen Naturwissenschaften in ihrer Anwen- 
dung auf die Landwirthschaft, Bd. III, 2. Anhang. (Citirt nach de Bary, 
Kartoffelkrankheit.) 


ad 
a 
- 


‚ohne seine Meinung durch Untersuchung der wirklichen Ver- 


hältnisse zu stützen, spricht sich Unger!) aus: „Die Frage 
ist, inwieweit eine durch Cultur allmählich verhinderte Samen- 
bildung die vorzüglich in den Samen abgesetzten stickstoffhal- 
tigen Bestandtheile der Pflanze auch über die vegetativen 
Theile des Gewächses vertheilen und dadurch eine leichtere 


Zersetzung und Entmischung ebenderselben herbeizuführen im 


Stande ist? Würde dies mehr oder weniger allgemein der 
Fall sein, so liesse sich die in der Kartoffel seit Jahren ver- 
minderte Fruchtbildung sicherlich als eine der wichtigsten 
prädisponirenden Ursachen der Kartoffelkrankheit ansehen.“ 
Beide Forscher also, wenn sie es auch nicht deutlich aus- 
sprechen, suchen offenbar in der Culturmethode, d. h. der 
Vermehrung durch Knollen, den ursprünglichen Grund zur 
Krankheitsanlage. Wir wollen noch citiren, wie sich Jessen in 
seiner schon mehrfach erwähnten Abhandlung über diesen 
Punkt äussert. Er sagt daselbst (S. 131): „Wir kommen zu 
dem Resultat, dass unsere Kartoffeln an einer inneren oder, 
wie man sagt, constitutionellen Krankheit leiden, dass aber 
diese Krankheit bei passender Cultur und Bodenart in geringerer 
Heftigkeit auftritt, als bei unpassender Cultur und ungeeignetem 
Boden. Man könnte noch eine Ansicht aufstellen, nämlich die, dass 
nur eine Erschöpfung des Bodens oder ungünstige Witterung, 
kurz äussere Umstände, ganz allein Ursachen der Krankheit 
seien. Gegen beide Annahmen spricht der Umstand, dass die 
Krankheit die ganze Erde nicht umzogen, sondern fast gleich- 
zeitig ergriffen hat, ohne Rücksicht darauf, ob der Boden ein 
eben abgebranntes oder zum ersten Mal in Cultur genommenes 
Waldland oder ein durch tausendjährige Ernten, wie man sagt, 
erschöpfter war“. Was Verf. aber unter dieser inneren Krank- 
heit versteht, sagt eine andere Stelle (p. 189), wo er sie zu 


I) F. Unger, Beitr. zur Kenntniss der in der Kartoffelkrankheit vor- 
kommenden Pilze und der Ursache ihres Entstehens. (Bot. Zeitg., 1847, p. 305.) 


denjenigen rechnet, „für deren Eintreten das Alter einen na- 
türlichen und oft den einzigsten erkennbaren Grund abgibt.“ 
Unter „Alter“ versteht aber der Verf., wie wir gesehen haben, 
„die über das Maass durch Ableger oder abgetrennte Sprosse 
verlängerte Existenz aller Abkömmlinge einer Samenpflanze‘“ 
(l. c. p. 180). Eine Unterstützung für seine Anschauung glaubt 
er in dem wohl nicht ganz sicher bewiesenen Umstand zu er- 
blicken, dass eine Sorte um so bedeutendere Verluste durch 
die Krankheit erleidet, je älter sie ist. Ferner weist er auf die 
frühere Epidemie hin, welche ungefähr 1770 ausbrach und bis 
gegen Anfang dieses Jahrhunderts dauerte. Damals wurde zu 
ihrer Bekämpfung die Anzucht aus Samen empfohlen und diese 
auch in grossem Maassstabe in Holland und Norddeutschland 
vorgenommen. Die Samen kamen aus Amerika. und die aus 
denselben erzogenen Sorten erfreuten sich unter dem Namen 
der holländischen Samenkartoffeln bis zu Anfang der neuen 
Epidemie in Deutschland eines sehr guten Rufes. Offenbar 
aber ist in England und Frankreich die erste Epidemie ohne 
Anzucht von Samenkartoffeln ebenso gut erloschen gewesen 
wie in Deutschland. 

Dass die Ausführungen Jessen’s für uns nicht maass- 
gebend sein können, geht schon daraus hervor, dass er über- 
haupt von dem Pilz, welcher als Krankheitserreger bei der 
Kartoffel zu betrachten ist, nichts weiss. Es frägt sich also 
nur noch, ob durch das Vermehrungsverfahren die Kartoffel 
für die Pilzangriffe prädisponirt wird. Wenn die Prädisposition 
auf der Altersschwäche beruhte, so müssten doch die jüngeren 
Pflanzungen weniger als die älteren von der Krankheit ge- 
litten haben. Es hat sich aber nicht gezeigt, dass die Abkömm- 
linge der oben erwähnten holländischen Samenkartoffeln der 
neuen Epidemie gegenüber widerstandsfähiger gewesen sind 
als die alten immer aus Knollen gezogenen Kartoffelsorten. 
Ferner wird man zugeben müssen, dass in den aus Samen ge- 


zogenen Kartoffelstöcken, in denen der Organismus zu völlig 
jugendlicher Regeneration gelangt ist, keine krankhafte Prädis- 
position vorhanden sein kann. Von diesen Sämlingen wäre 
nach Jessen’s Theorie zu erwarten, dass sie von den Pilzen 
nicht angegriffen oder wenigstens nicht geschädigt werden. 
Nun aber erliegen die Samenpflanzen der Krankheit ebenso 
wie die aus Knollen gezogenen Stöcke: es ist in ihrer Wider- 
standsfähigkeit oder Hinfälligkeit kein Unterschied zu bemerken. 
Hierin also dürfen wir wohl den directen Beweis für die Un- 
haltbarkeit der Ansicht von der Prädisposition aus Alters- 
schwäche sehen. 

Schliesslich sei noch auf einen Punkt aufmerksam gemacht. 
Diejenigen nämlich, welche die Ansicht vertheidigen, dass die 
rein vegetative Vermehrung zur Degeneration führe, wollen 
dies gewöhnlich schon daraus ableiten, dass jene Vermehrung - 
nicht naturgemäss sei und dass die Natur immer eine Fort- 
pflanzung durch Samen fordere. Sind nun aber gerade bei der 
Kartoffel nicht die Knollen ebenso gut wie die Samen von der 
Natur zur Vermehrung bestimmte Organe? Wenn wir schon 
bei dem Weinstock sagen konnten, dass die Vermehrung durch 
Stecklinge nicht so sehr den natürlichen Verhältnissen wider- 
spricht, als dies von anderer Seite behauptet wird, so sind wir 
bei der Kartoffel zu einer analogen Ansicht gewiss in einem 
noch viel höherem Grade berechtigt. 

Alles in Allem: wir haben gar keinen genügenden Grund 
zu der Annahme, dass die Vermehrung der Kartoffeln aus 
Knollen zu einer Krankheit der Pflanze führe oder sie für Pilz- 
infectionen disponirt mache. Vielmehr ist schon durch das, 
was wir über die Entwicklung des Pilzes wissen, unwiderleglich 
dargethan, dass er auch wirklich die Ursache der Kartoffel- 
krankheit sei, dass er allein an der gesunden Pflanze die Krank- 
heit hervorbringt'!). 


I) Frank, Die Krankheiten der Pflanzen, p. 396. 


St Ne 


Der Pilz ist von de Bary Phytophthora infestans genannt 
worden und ist verwandt mit der den sog. falschen Mehlthau 
des Weinstocks verursachenden Peronospora viticola. Wenn 
er auf den Blättern schmarotzt, so bedingt er das Schwarz- 
werden des Kartoffelkrautes. Auf dem Laube bildet er die 
Sporen, durch die er auf andere Pflanzen derselben Art und 
auf ihre Knollen übertragen wird. Wenn sich das Mycel in 
den Knollen entwickelt, so ruft es die sog. Knollenfäule hervor. 
Es hat die Fähigkeit, nicht bloss in den im Boden wachsenden 
Knollen zu leben, sondern auch in und mit den Knollen, selbst 
wenn diese geerntet sind, zu überwintern, So gelangt der Pilz 
im Frühling mit den inficirten Knollen wieder auf den Acker. 
Deshalb ist das einzige Mittel zur Verhütung der Krankheit die 
Verwendung völlig pilzfreien Saatgutes. Für die Intensität der 
Entwicklung des Parasiten — d. h. für die Schnelligkeit seines 
Wachsthums auf einer Pflanze und der Verbreitung auf andere 
Stöcke, nicht für sein Auftreten überhaupt — kommen äussere 
Umstände in Betracht. Von diesen ist der wichtigste die 
Feuchtigkeit des Bodens und’ der Witterung. „So ist es un- 
zweifelhaft, dass die Epidemie, die wahrscheinlich durch die 
Verbreitung der Phytophthora über die kartoffelbauenden Länder 
längst vorbereitet war, infolge der abnorm nassen Witterung 
des Jahres 1845, die dem Pilz mit einem Male ungewöhnlich 
günstige Bedingungen schuf, plötzlich überall zum Ausbruch 
kam“), 

Die Ausbreitung der Krankheit, ihre Erscheinungen und 
die Lebensweise des Pilzes näher zu schildern, darauf wollen 
wir hier verzichten. Ich glaube diesen Abschnitt am besten 
schliessen zu können, indem ich einige Sätze aus der den vor- 
liegenden Gegenstand behandelnden Schrift de Bary’s?) an- 


I) Frank. c. p. 402 (conf. Anm. I p. 59). 
2) Die gegenwärtig herrschende Kartoffelkrankheit, ihre Ursache und 
ihre Verhütung. Leipzig 1861, p. 61. 


zur, 


ar On 


führe: „Wie man sich auch umsehen mag, man findet immer 
nur Beweise dafür, dass durch das Befallenwerden von Para- 
siten keinerlei Entartung der Kartoffel oder einer andern 
Culturpflanze angezeigt wird, man muss daher, für unsern Fall 
wenigstens, jene trostlose Annahme als aus der Luft gegriffen, 
zurückweisen. Es ist hier nicht der Ort, auf die Gründe näher 
einzugehen, welche man anders woher für die allgemeine An- 
nahme einer Entartung durch Cultur oder ungeschlechtliche 
Vermehrung vorgebracht hat. Allein das eine mag kurz be- 
merkt werden, dass sich diese Annahme vielfach gerade auf 
die Wahrnehmung von Krankheiten gründet, welche ganz be- 
stimmt in der Vegetation von Parasiten, die man übersah oder 
wegzudemonstriren suchte, ihre Ursache haben, dass also diese 
Annahme jedenfalls für sehr viele andere Fälle ganz ebenso 
wie für die Kartoffel unbegründet ist.“ 

Von wichtigeren Culturgewächsen, die vegetativ vermehrt 
werden und deren Erkrankungen man diesem Umstande zuge- 
schrieben hat, sind vor allen die Obstbäume zu nennen, 
speciell die Kernobstbäume, Apfel und Birne. Der Ursprung 
ihrer Cultur reicht in prähistorische Zeiten zurück, man kann 
aber nicht sagen, dass sie so lange immer durch Stecklinge 
oder Pfropfreiser fortgepflanzt worden seien!). Vielfach hat 
man die Bäume aus Samen gezogen, denn man erhält wenig- 
stens bei vielen Birnensorten aus den Sämlingen Pflanzen, 
welche die characteristischen Merkmale festhalten und nicht in 
die wilde Form zurückschlagen ?). Im engeren Sinne fasst man 

1) Die Vermehrung durch Pfropfreiser ist in Europa die üblichste und 
für viele Sorten die allein ausführbare. Apfelstecklinge hat man erst in 
neuerer Zeit mit Erfolg bei uns gezogen. Von Südamerika dagegen wird 
erzählt, dass es dort genügt, armsdicke Aeste vom Mutterstamm abzureissen 
und in den Boden zu stecken, um in den nächsten Jahren ohne weiteres 
Zuthun Früchte zu ernten. (F. C. Binz, Stecklingszucht und Baumsatz in 
Wittmack’s Gartenzeitung, 1883, p. 122—126.) 


2) Ch. Darwin, Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der 
Domestication. Uebersetzt von Carus. Stuttgart 1873, I. Bd., p. 392. 


IND 


als eine Sorte jedoch nur auf die Gesammtheit „der von einem 
bestimmten Sämlinge durch Reiser abstammenden Stämme“). 
Es wird nun angegeben ?), dass von den 50 Aepfelsorten und 
31 Birnensorten, welche J. Bauhin im Jahre 1598 beschreibt 
und abbildet, noch ıg Birnen- und 17 Aepfelsorten „zum Theil 
unter demselben Namen, in derselben Gegend nach mehr als 
250 Jahren vorkommen und sich in guter Gesundheit befinden“. 
Nach van Mons kann das Alter unserer Birnensorten auf 
200—300 Jahre angenommen werden, während Knight schon 
das durchschnittliche Alter der Aepfelsorten auf mindestens 
200 Jahre, das der Birnensorten aber auf das Doppelte schätzt?°). 
Beide Forscher sind der Ansicht — und ihnen schliesst sich 
Jessen natürlich an —, dass die alten Obstsorten infolge von 
Altersschwäche erkranken und absterben. „Durch Pfropfen und 
ungewöhnlich günstige Umstände (sorgfältig gewählten Standort 
u.s. w.) kann wohl die Dauer einer Sorte unnatürlich über das 
Maass der Samenpflanzen ausgedehnt werden, doch hört der 
kräftige Wuchs dann auf und es tritt bald eine Periode ein, 
über welche die Gebrechlichkeit des Alters sich nicht mehr an- 
treiben lässt. Daher sind alle Sorten (d. h. wie oben, die aus 
einer Samenpflanze hervorgegangenen Gewächse) bei trägem 
Wuchse weit empfindlicher gegen Witterung, Lage und Boden. 
Junge Sorten dagegen wachsen kräftig und rasch und sind 
in ihrem meist reichlichen und regelmässigen Ertrage weniger 
von äusseren Einflüssen abhängig“ *). Die Art und Weise, wie 
sich die Altersschwäche äussern soll, beschreibt ein neuerer 
Züchter?) folgendermaassen: „Der Baum trägt wenig und oft 


I).Jessen]l. c. p. 283. 

2) Jessen. c, p. Lob. 

3) Jessen. c. p. 217. 

4) Id. eod. p. 211. 

5) R. Zorn, Ueber die Altersschwäche von Obstsorten. (Der prak- 
tische Rathgeber im Obst- und Gartenbau, 1890, No. 34, P- 554.) 


.sehr spät, er wird vom Krebs, besonders dem Apfelkrebs, 
Spitzendürre (indem von oben herab die Zweige absterben) und 
anderen Krankheiten des Holzes und der Rinde stark und 
häufig befallen. Bei den Birnen kommt noch dazu ein Schorf 
oder Grind, wobei die Epidermis (oberste Rindenschicht) auf- 
springt. Auch sind die Bäume gegen Frost weniger wider- 
standsfähig. Hauptmerkmale bieten aber die Früchte selbst! Sie 
sind unansehnlich, krüppelhaft, klein, aufgesprungen, rissig und 
steinig, hart und ungeniessbar, besonders auch mit schwarzen 
Flecken bedeckt.“ 

Dass gewisse Sorten in manchen Gegenden nicht mehr ge- 
deihen, kann offenbar nach den Angaben und Klagen der 
Züchter nicht bestritten werden. So gibt Knight (1841) an, 
dass die alten Cydersorten in Herefordshire vor Alter krebsig 
und krank sind. Eine der ältesten Apfelsorten, der sog. Bors- 
dorfer, welcher schon zu Anfang des XVI. Jahrhunderts Er- 
wähnung findet, verschwindet nach Jessen’s Angabe (1854) 
in ganz Norddeutschland mehr und mehr und unterliegt an 
vielen Orten dem Krebse. „Ueber sein langsames Wachsen, 
ein Zeichen seines hohen Alters, klagen alle neueren Obst- 
züchter.“ Es liessen sich noch mehrere solcher Angaben an- 
führen !), bei denen aus der Kränklichkeit der Bäume einer 
Aepfel- oder Birnensorte auf ihre Altersschwäche geschlossen 
wird. 

Dem stehen aber die Meinungen und Beobachtungen so 
vieler anderer Forscher und Züchter gegenüber, dass auch hier 
die Annahme einer Altersschwäche einer unbefangenen Be- 
urtheilung nicht Stand halten kann. Jessen?) selbst gibt zu, 


I) Solche Angaben finden wir auch in dem Aufsatze von L. Thüer 
über Altersschwäche und Lebensmüdigkeit der Pflanzen in der Gartenflora 
1894, p. 147 und 177. Der Aufsatz ist mit einer solchen Voreingenommenheit 
und Oberflächlichkeit geschrieben, dass er einer eingehenden Widerlegung 
nicht werth ist. 

anlessen 1. c.'D:. 193. 


„dass die Feststellung der Lebensdauer einer Obstsorte immer 
eine missliche ist, ja dass selbst das Verschwinden einer Sorte 
an einem Orte noch nicht genügt, um zu behaupten, dass 
überall die Sorte verschwunden sei“. Wie lässt es sich mit 
Knight's Theorie vereinigen, dass die Sorte, welche in einer 
Gegend abstirbt, in der andern noch sehr gut gedeiht? Gerade 
der Borsdorfer Apfel, der in Norddeutschland aussterben soll, 
trägt noch sehr gut in anderen Gegenden, wie Bolle!) mit 
Recht hervorhebt. In einem ähnlichen Sinne spricht sich 
Hogg?) über den „Golden Pippin“ aus, an dem Knight in 
seinen Culturen sehr viele Mängel gefunden hat; dieselben 
konnten nicht von Altersschwäche herrühren, denn man findet 
die Sorte noch jetzt (1875) in den ihr zusagenden Verhältnissen 
sehr üppig und fruchtbar. Croucher’) berichtet von dem 
sehr guten Gedeihen dieser Sorte in Sudbury (Essex, England) 
und ebenso tragen diese Bäume sehr schöne Früchte in Sussex ®). 

Anderseits ist es nicht wohl einzusehen, warum nur einige 
alte Sorten aussterben sollen, andere aber, die ebenso alt oder 
noch älter sind, unverändert bleiben; ein Umstand, den 
schon Lindley°) zu bedenken gibt. Als Beispiel sei ange- 
führt der „Winterpearmain“, welcher wohl die älteste englische 
Sorte von Aepfeln ist, schon in Schriften um das Jahr 1200 
genannt wird und dennoch keine Zeichen der Schwäche er- 
kennen lässt). Ferner wird die „Beurr& gris“ von Bouch&’?) 
angeführt, als eine Sorte, die zu den ältesten Birnensorten 


I) Bouch& und Bolle, Degeneration aus Altersschwäche. (Monats- 
schrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaus von Wittmack, 1875, 
p- 484.) 

2) The Fruit Manuel. Citirt nach Botan. Jahresbericht, III. Bd., p. 995. 

3) Gardener’s Chronicle, 1875, Jan., p. 51. 

4) Eod. 1875, Dez., p. 750. 

5) Wie in einem diesen Gegenstand behandelnden Artikel des Gar- 
dener’s Chronicle, 1875, I, p. I6 gesagt wird. 

6) Nach Hogg. conf. Anm. 1. 

7) Conf. Anm. 1. 


—65 — 


gehört und doch im Allgemeinen gesund geblieben ist. Von 
andern Obstsorten erwähnt Bolle als analoges Beispiel die 
„Reine Claude“ (eine Cultursorte der Pflaume, Prunus insititia L.), 
die schon von dem Jahre 1500 her datirt. 

Man findet aber nicht nur einige sehr alte Sorten noch in 
gutem Gedeihen, sondern auch, dass Sorten, die erst in neuerer 
Zeit entstanden sind, in einem unpassenden Boden an denselben 
Fehlern leiden, die von Knight und seinen Anhängern als 
Zeichen der Altersschwäche angesehen werden. Overdieck!) 
führt als Beispiele neuerer Sorten Maria von Nantes und 
Hardenponts Winterbutterbirne an, welche in seinem jetzigen 
Gartenboden ebenso sehr an Grind leiden als die ältern 
Sorten, wie Wildling von Motte, Römische Schmalzbirne und 
Beurre& blanc, „während andere, ohne Zweifel schon sehr alte 
Sorten (Kuhfuss, Rainbirn) in demselben Boden sehr gesund 
und kräftig vegetiren und Früchte tragen“. Overdieck ge- 
hört wie die meisten neueren Pomologen zu denjenigen, welche 
leugnen, dass die Obstsorten durch das Alter schwächer und 
krankhafter werden. Speechley?) hat sogar den Satz auf- 
gestellt, dass „der Apfel bei richtiger Cultur seine guten 
Eigenschaften behält, so lange Sonne und Erde bestehen“. 
Diesem Ausspruch stimmen Lindley, Downing und De 
Candolle bei?). Schliesslich will ich auch noch die Worte 
eines Züchters anführen, den wir schon einmal citirt haben !) 
und dessen Beobachtungen aus der allerneuesten Zeit datiren: 


I) Pomologische Monatshefte von Overdieck und Lucas, 1875, 
p- 240. Citirt nach Botanischem Jahresbericht, Bd. III, p. 995. 

2) Gardener’s Chronicle, 1875, Jan., p. 16. 

3) Eodem. — Mit der Widerlegung der Ansichten von Knight und 
van Mons beschäftigt sich vorzugsweise das Werk vonDochnahl. (Die 
Lebensdauer der durch ungeschlechtliche Vermehrung erhaltenen Gewächse, 
besonders der Culturpflanzen, Berlin 1854), das ich leider nicht selbst ein- 
sehen konnte. 

Ber Zorn l.c. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 5 


er RR 


„Es ist bisher nicht gelungen zu beweisen, dass unsere alten 
Obstsorten altersschwach seien. Zur Zeit müssen wir fest- 
stellen, dass die als Altersschwäche geltenden Krankheiten 
auch bei allen anderen neueren Sorten unter denselben Ver- 
hältnissen auftreten und dass diese Erscheinungen bei günstigen 
Bedingungen auch an den alten Sorten nicht bemerkbar sind. 
In zusagenden und besonders aus Erfahrung als passend an- 
erkannten Böden und Lagen möge man diese alten guten 
Sorten deshalb noch ebenso fleissig anpflanzen als andere, da- 
gegen sehe man in allen ungünstigen Verhältnissen, besonders 
also in zu trockenen, bindigen, kalten, unfruchtbaren und er- 
schöpften Böden, sowie ungeschützten Lagen von ihrer Cultur 
ab und pflanze dafür geeignetere. Wir tragen dadurch dazu 
bei, dass die weitere Cultur so trefflicher und beliebter Sorten, 
Edelborsdorfer, Gravensteiner, weisse Herbstbutterbirne etc. in 
allen’ geeigneten Verhältnissen nicht aufgegeben wird.“ 


Von dem letztgenannten Autor werden also besonders die 
ungünstigen Verhältnisse des Bodens und der Witterung als 
Ursachen des Absterbens in Betracht gezogen. Häufig treten 
aber auch ganz specifische Krankheiten auf, denn es wurde ja, 
wie wir gesehen haben, z. B. darüber geklagt, dass die Sorten 
„vor Alter“ krebskrank werden. Die Obstbäume werden aber 
ebensowenig aus Altersschwäche vom Krebs befallen wie der 
Weinstock vom Mehlthau oder die Kartoffel von der Phyto- 
phthora. Die Frage, worauf eigentlich die Erscheinungen!) der 


ı) Der Krebs erscheint in Form von Wundstellen an Zweigen und 
Aesten, besonders der Kernholzbäume. Diese Wunden schliessen sich nicht, 
sondern vergrössern sich immer mehr, weil immer neue Verwundungen an 
den Ueberwallungsrändern den Heilungsprocess stören. Ausserdem findet 
an diesen Stellen eine abnorme Holzbildung statt, indem an Stelle von 
echtem Holz ein weiches parenchymatisches Gewebe gebildet wird. Durch 
diese Erscheinungen unterscheidet sich der Krebs von allen anderen mehr 
oder weniger in Heilung begriffenen Wunden. (Nach Frank, Pflanzenkrank- 
heiten, I. Auflage, p. 158.) 


Krebskrankheit beruhen, ist zur Zeit noch nicht in allen 
Fällen zu beantworten. Sehr oft ist aber der Stich der Blut- 
laus (Schizoneura lanigera Hausm.) die Ursache des Krebses 
(Fig. 15). Wir haben es hier also wiederum mit einem Para- 
siten zu thun, der wie die meisten andern sehr leicht von 
einer Pflanze auf die andere übertragen wird. Auch liefern 
die von krebskranken Bäumen genommenen 
Pfropfreiser meist wieder krebskranke Exem- 
plare. Es ist deshalb kein Wunder, wenn 
in einer Gegend, wo sich an einem Baume 
Krebs eingestellt hat, bald die ganze Cultur 
von dieser Krankheit ergriffen wird. In 
solchen Fällen hat man dann wohl geglaubt, . 
dass die Bäume besonders prädisponirt 
dazu gewesen sein müssten und zur Er- 
klärung der Prädisposition die Sorten als 
altersschwach hingestellt. Die Bilutlaus 
fragt aber nicht danach, ob die Sorte alt 
oder jung, der Baum aus einem Pfropf- 


reis, einem Steckling oder Samen gezogen 
ist, und so fallen denn auch hier alle Gründe ee zearenes 
für das Vorhandensein einer Prädisposition Apfelbaums mit Krebs 
fort. - Dass über den Krebs erst in den (mach Frank). 
letzten Decennien geklagt wird, beruht 
wahrscheinlich darauf, dass die Blutlaus aus Amerika ge- 
kommen und erst seit Anfang der vierziger Jahre in Europa 
aufgetreten ist, wo sie sich zuerst in Frankreich und England, 
dann im nördlichen und westlichen Deutschland zeigte und 
sich seit Mitte der achtziger Jahre auch nach Süddeutschland 
und Oesterreich verbreitete !). | 

Auf die anderen durch thierische oder pflanzliche Parasiten 


I) Vergl. Frank, Krankheiten der Pflanzen, 2. Auflage, p. 167—172. 
S* 


zur U A 


hervorgerufenen Krankheiten der Obstbäume kann hier nicht 
eingegangen werden. Es sei nur erwähnt, dass nach von 
Thuemen’s Angabe!) der Apfelbaum 239, der Birnbaum 205 
Arten von Pilzen beherbergt, von denen freilich nicht alle be- 
sondere Erkrankungen bedingen. Wo dies aber der Fall ist, da 
ist eben der Parasit auch der wirkliche Krankheitserreger, nie- 
mals ist erwiesen, dass eine besondere Prädisposition für sein 
Auftreten vorhanden zu sein braucht. 

Somit liegen denn die Verhältnisse bei den Obstbäumen 
nicht anders als bei den vorher betrachteten Culturgewächsen. 
Wir hoffen auch hier nachgewiesen zu haben, dass die so 
lange Zeit befolgte Methode der ungeschlechtlichen Vermehrung 
nichts bewirkt hat, was als Altersschwäche angesehen werden 
kann. Wir können daraus schliessen, dass eine Abwendung 
der unsere Culturpflanzen befallenden Krankheiten nicht von 
einer Aenderung in der Art ihrer Vermehrung und Fortpflan- 
zung zu erwarten ist, sondern dass dazu nur die Anwendung 
specieller, dem betreffenden Krankheitserreger angepasster, 
Mittel führen kann. 

Dies gilt auch von der Serehkrankheit des Zuckerrohrs, 
deren Ursache trotz besonderer mit ihrer Erforschung beauf- 
tragter Versuchsstationen immer noch nicht aufgeklärt ist, 
von Einigen aber, besonders den Züchtern, in der beständigen 
vegetativen Vermehrung der Pflanze gesucht wird?). In China 
und Indien wird das Zuckerrohr (Saccharum officinarum) seit 
uralter Zeit cultivirt und jetzt hat sich seine Cultur über die 


ı) von Thuemen, Die Pilze der Obstgewächse. Namentliches Ver- 
zeichniss aller bisher bekannt gewordenen und beschriebenen Pilzarten, 
welche auf unsern Obstbäumen, ÖObststräuchern und krautartigen Obst- 
pflanzen vorkommen. Wien 1887. 

2) Diese Ansicht war der Grund, aus dem mich im Jahre 1890 Dr. 
Benecke, damals Director der Versuchsstation Midden-Java zu Semarang auf 
Java aufforderte, zu untersuchen, was es mit der angeblichen Degeneration 
vegetativ vermehrter Pflanzen für eine Bewandtniss habe. 


ganze heisse Zone aus- 
gebreitet. Man _ zieht 
nun das Zuckerrohr — 
und dies geschieht ver- 
muthlich so seit den 
Anfängen seines An- 
baues — nicht aus 
Samen, sondern aus 
Stecklingen (Bibits), 
nämlich Abschnitten 
des Halmes, die an 
ihren Knoten leicht 
neue Sprosse aus den 
schon vorhandenen 
„Augen“ entwickeln, 
nachdem man sie hori- 
zontal oder ein wenig 
schräg in die Erde ge- 
legt hat. Eine Anzucht 
aus Samen verbietet 
sich von selbst, weil 
die Pflanze nur selten 
keimfähige Samen her- 
vorbringt, worauf wir 
im Ill. Kapitel noch 
zu sprechen kommen. 
Seit ca. 15 Jahren wer- 
den die Culturen des 
Zuckerrohres von einer 
Krankheit heimgesucht, 
die auf Java als Sereh 
bezeichnet wird, weildie 
Pflanze dabei das Aus- 


Fig. 16. Saccharum offieinarum. A Kräftig 
entwickelter Spross, B stark von der Sereh be- 
fallener Spross. A und B in gleichem Verhält- 
niss verkleinert. ( ein Steckreis oder Bipbit. 
(Nach Benecke und Soltwedel,) 


sehen eines niedrigen, fächerförmig verzweigten Busches annimmt 
und einem Grasbusch von Andropogon Schoenanthus, für welchen 
der javanische Name „Sereh‘“ ist, ähnlich sieht (Fig. 16). Was 
die Symptome und die muthmaasslichen Ursachen der Seuche 
betrifft, so kann auf die Darstellung in Frank’s Lehrbuch der 
Pflanzenkrankheiten (Band II, p. 30, 1896) verwiesen werden. 
Frank schliesst sich der Meinung an, dass Bacterien die pri- 
märe Ursache der Erkrankung seien; nach Benecke ist die 
Sereh eine Complication verschiedenartiger Erkrankungen und 
ihm ist es noch zweifelhaft ob das, was er die Rothschleim- 
krankheit nennt, durch Bacterien verursacht wird. Wir können 
dies aber hier dahingestellt sein lassen und brauchen nur das 
Auftreten und Fortschreiten der Krankheit in den betreffenden 
Distrikten zu betrachten, um die Ueberzeugung zu gewinnen, 
dass wir es jedenfalls mit einer durch Infection hervorgerufenen 
und sich ausbreitenden Epidemie zu thun haben, besonders in 
Hinsicht auf Java, wo die Krankheit, nach Krüger, deutlich 
ein Fortschreiten von Westen nach Osten erkennen lässt. Wie 
ein solches Verhalten durch „Altersschwäche‘“ zu erklären sei 
kann man nicht begreifen, während es nichts Unerhörtes ist, 
dass contagiöse Epidemien mit einem Mal auftreten, ohne dass 
man bis dahin etwas von ihnen gewusst hat. Wenn ferner die 
Sereh auf inneren Ursachen beruhte, nämlich eine durch die 
vegetative Vermehrungsweise hervorgerufene Degenerationser- 
scheinung wäre, so müsste sie an allen Pflanzen auftreten, die 
aus Stecklingen gezogen sind, aus Samen gezogene Pflanzen 
dagegen verschonen. Allein man erhält aus gesunden Steck- 
lingen ebenso gesunde Pflanzen wie aus Samen, wenn sie nicht 
nachträglich durch kranke inficirt werden, und man sieht nicht 
in der Anzucht aus Samen, welche aus gewissen anderen 
Gründen schon 1889 von Benecke empfohlen wurde !),sondern 


I) Over Suikerriet uit „Zaad“. Semarang 1889 (Referat im botanischen 
Centralblatt, Bd. XL, p. 177). Neuerdings macht auch Wakker unter 


in der Wahl gesunder Stecklinge und deren sorgfältiger Cultur 
das einzige Mittel, um der Serehkrankheit vorzubeugen. Viel- 
leicht wird man sich auch auf solche indirecte Mittel be- 
schränken müssen, selbst wenn man die Ursache der Seuche 
genauer kennen lernt, da ihre Erzeuger nicht die Pflanze von 
‚ aussen angreifende Schädlinge zu sein scheinen, wie der Mehl- 
thau der Reben, der durch Bespritzen mit fungiciden Lösungen 
bekämpft werden kann. Jedenfalls ist noch nicht der geringste 
Beweis beigebracht worden, dass das Zuckerrohr, dessen Anbau 
aus älteren Zeiten datirt, als der aller unserer einheimischen 
Culturpflanzen, .und das immer durch Stecklinge vermehrt 
worden ist, nur in Folge von Altersschwäche serehkrank werde. 

Noch einige Punkte bleiben jetzt zu erwähnen, auf die wir 
aber nur mit wenigen Worten hinzuweisen brauchen. Man 
schliesst aus dem Auftreten von Epidemien bei Kartoffeln und 
anderen vegetativ vermehrten Culturpflanzen auf ihre Alters- 
schwäche und sieht in letzterer die Erklärung für jene: wie 
steht es nun mit den Culturpflanzen, die immer aus Samen ge- 
zogen werden? Es ist nicht zu bestreiten, dass auch sie von 
Krankheiten in ausgedehntem Maasse heimgesucht werden. Der 
Serehkrankheit des Zuckerrohrs oder dem Mehlthau der Reben 
kann die Blattkrankheit des Kaffeebaumes entgegengesetzt 
werden, die, durch’ einen Pilz (Hemileia vastatrix) hervorge- 
rufen, furchtbare Verheerungen in den Plantagen anrichtet an 
einer Pflanze, die immer aus Samen gezogen wird. Dergleichen 
Beispiele könnten noch mehrere angeführt werden. 

Auf diese Verhältnisse weist auch De Bary hin und be- 
merkt '): „Unter den Culturgewächsen sind z. B. die Getreide- 
arten mindestens ebensosehr von Schmarotzern heimgesucht, 


geflissentlicher Verschweigung von Benecke’s Namen auf die Anzucht 
aus Samen zur Gewinnung neuer Varietäten aufmerksam. (Botan. Centralblatt, 
Bd. LXVI, p. 1.) 


ı) De Bary, Kartoffelkrankheit, p. 60. 


als irgend eine durch Ableger, Knollen, Schösslinge vermehrte 
Art“. Epidemische Krankheiten finden sich ferner beispiels- 
weise bei Runkelrüben, Gurken und Melonen, die ich gerade 
deswegen erwähne, weil sie auch von Jessen angeführt 
werden. Bei den einmal blühenden Pflanzen findet er eine 
genügende Erklärung ihrer Krankheit in „zu rascher Entwick- 
lung, Missverhältniss in der Temperatur und Ernährung“. 
Die Pilze, wo solche nachgewiesen sind, wie beim Weizen, der 
Runkelrübe und der Gurke sind bei ihm nur Begleiterschei- 
nungen der Krankheit, welche immer „vor den Pilzen da ist“. 
Der Standpunkt dieses Autors wird von den .wenigsten mehr 
getheilt werden: es verhält sich vielmehr bei den einmal blü- 
henden Gewächsen wie bei den ausdauernden, sie werden von 
Pilzen und anderen Schmarotzern befallen und diese rufen die 
Krankheit hervor; die anderen Umstände beeinflussen nur die 
stärkere oder geringere Heftigkeit und Ausdehnung derselben, 
je nachdem sie der Entwicklung der Schmarotzer günstig oder 
ungünstig sind. Wie würde es sich sonst erklären lassen, dass 
in einem Getreidefeld kranke und gesunde Halme, die doch 
alle den gleichen äusseren Verhältnissen ausgesetzt sind, neben 
einander stehen? Schon Payen hat im Jahre 1853 auf diesen 
Umstand aufmerksam gemacht. Allerdings müssen wir ge- 
stehen, dass wir nicht in allen Fällen genau über die Natur 
und Wirkung des Parasiten unterrichtet sind; aber man mag 
die Ursache der Krankheiten suchen worin man will: bei den 
durch Samen vermehrten Pflanzen kann man keine Alters- 
schwäche zur Erklärung zu Hilfe nehmen. Dies sollte doch 
schon zur Vorsicht mahnen, es bei den Pflanzen zu thun, die 
auf vegetativem Wege fortgepflanzt werden. Wenn beide 
Pflanzenformen in gleichem Maasse von Krankheiten heimge- 
sucht werden, so werden die allgemeinen Ursachen auch wohl 
bei beiden auf demselben Principe beruhen. 

Während sich das eben Gesagte nur auf die vom Menschen 


angebauten Gewächse bezog, so können schliesslich auch die 
wildwachsenden Pflanzen zum Vergleiche und zur Unterstützung 
der hier vertheidigten Ansicht dienen, denn bei ihnen treten 
ebenfalls Krankheiten, oft geradezu epidemisch, auf. Und zwar 
sind es nicht bloss ausdauernde, vielfach vegetativ sich ver- 
mehrende Pflanzen, sondern ebensosehr ein- und zweijährige, 
sich nur durch Samen vermehrende Arten, welche von Krank- 
heiten heimgesucht werden, so dass auf keinen Fall von Alters- 
schwäche die Rede sein kann. Auf diesen Umstand legt auch 
De Bary ein besonderes Gewicht für den Nachweis, dass bei 
der Kartoffel keine Prädisposition durch Altersschwäche vor- 
handen ist. Er führt folgende Beispiele an!): Zunächst von 
perennirenden Pflanzen die Waldanemone (Anemone nemorosa), 
auf der drei bis vier Parasiten sehr häufig sind, besonders 
eine Peronospora (P. macrocarpa), und bei der man oft auf 
weite Strecken kaum einzelne Blätter findet, welche davon 
ganz frei wären. „Der Waldmeister (Asperula odorata), der 
gewöhnliche Hühnerdarm (Stellaria media) werden je von 
einer besonderen Peronospora so häufig und massenhaft heim- 
gesucht, dass man oft in weiter Ausdehnung die meisten 
Exemplare dieser geselligen Pflanzen befallen und verunstaltet 
findet. Die Quecke (Triticum repens) wird von den Rostpilzen 
gewiss mindestens so häufig und massenhaft wie die Getreide- 
arten, die Wolfsmilcharten (Euphorbia Cyparissias und andere) 
werden von ähnlichen Pilzen so sehr häufig bewohnt, dass 
man an vielen Stellen wenigstens soviel pilzbehaftete und ver- 
unstaltete als gesunde Stöcke finden kann“, „Von wildwachsen- 
den einjährigen Gewächsen werden das Täschelkraut (Capsella) 
von dem sogenannten weissen Roste (Cystopus), der Bocksbart 
oder Haferwurz (Tragopogon) von dreierlei oft mit einander auf- 
tretenden Pilzen, die Klatschrose (Papaver Rhoeas), die Klapper- 


I) Kartoffelkrankheit, p. 60. 


topf-(Rhinanthus-)Arten von Peronospora Papaveris und densa 
mindestens ebenso oft bewohnt und krank gemacht, als irgend 
eine Culturpflanze durch einen Schmarotzer.“ 

Dass uns die Krankheiten der wildwachsenden Pflanzen 
weniger in die Augen zu fallen pflegen, als die der ange- 
bauten, ist nicht zu verwundern. Denn wir beachten die 
letzteren natürlich viel mehr, weil das Gedeihen unserer Cultur- 
pflanzen von viel grösserem Interesse für uns ist, als das der 
meisten nicht cultivirten. Sodann aber ist vor allem der Um- 
stand zu beachten, dass selten dieselbe Pflanzenart so gleichmässig 
über grosse Flächen verbreitet ist, wie es sich bei den Cultur- 
pflanzen findet, dass also ein Pilz oder anderer Schmarotzer 
seine Nährpflanzen so dicht neben einander wachsend antrifft 
und ihm dadurch die Ausbreitung so leicht gemacht wird. 
„Wo jedoch eine wildwachsende Art eine Bodenstrecke so dicht 
bedeckt wie die Culturpflanzen unsere Aecker, da findet sich 
gar oft dieselbe gleichmässige Verbreitung des Parasiten über 
alle ihre Individuen wie bei jenen; die angeführten Beispiele 
von der Anemone und dem Waldmeister können das jedem 
Aufmerksamen zeigen“ !). 

So dienen denn hoffentlich auch die hier über die Er- 
krankungen der spontan wachsenden Pflanzen gemachten Be- 
merkungen dazu, die Ansicht, dass bei den Krankheiten von 
Cultursorten ausdauernder Gewächse die Altersschwäche eine 
Rolle spielt, zu entkräften. Und noch eines sei denjenigen, 
welche darauf dringen, dass man die alten Sorten durch Zucht 
aus Samen „aufbessere“, zu bedenken gegeben: Hat nicht auch 
diese Culturmethode ihre Schwächen und Gefahren und bietet 
Nachtheile, welche bei der Vermehrung durch Knollen, Steck- 
linge u. dergl. nicht in demselben Maasse vorhanden sind? 
Stecklinge und Knollen sind doch von Anfang an weit robuster 


1) De Bary, Lc 


als die jungen Sämlinge, sie erscheinen widerstandsfähiger gegen 
die Witterungsverhältnisse und können auch dem Eindringen 
‚von Schmarotzern vermöge der Ausbildung ihrer Gewebe einen 
grösseren Widerstand entgegensetzen: es ist deshalb zu er- 
warten, dass sie leichter anwachsen werden als die Sämlinge. 
Dass es besondere Keimlingskrankheiten der Culturpflanzen 
gibt, ist mehrfach beobachtet worden !). Die betreffenden Krank- 
heiten „zeigen sich stets in hohem Grade verderblich,- ihr 
Auftreten ist immer epidemisch und niemals kann an eine 
Rettung auch nur gedacht werden, weder auf curativem Wege 
noch mit Hülfe der eigenen, dem betreffenden Gewächse selbst 
innewohnenden Lebenskraft“. So richtet der Pilz Phytophthora 
omnivora unter den Buchenkeimlingen grosse Verheerungen 
an und ruft auch an vielen andern Pflanzenarten das sog. 
Umfallen der Keimpflanzen hervor. Mit demselben Namen oder 
als Wurzelbrand der Keimpflanzen wird die von einem ver- 
wandten Pilze, Pythium de Baryanum verursachte Epidemie 
bezeichnet, die gerade bei einer Anzahl von Culturpflanzen die 
Keimlinge befällt, nämlich von Zea Mais, Panicum miliaceum, 
Camelina sativa, Trifolium repens, Spergula arvensis, Sinapis 
nigra, Beta vulgaris und manchen anderen. Sämlingen, die ein 
gewisses Alter und damit eine gewisse Erstarkung ihrer Stengel- 
basis erreicht haben, werden diese Pilze nicht mehr gefährlich 
und erwachsene Pflanzen oder deren Theile werden von ihnen 
nicht angegriffen ?). 

Wenn nun auch diese Erscheinung direct nichts mit der 
Frage nach der Altersschwäche der Cultursorten zu thun hat, 
so ist es doch vielleicht von gewisser practischer Bedeutung, 


ı) von Thuemen, Ueber zwei für die Landwirthschaft wichtige 
Keimlingskrankheiten. (Fühling’s landwirthschaftliche Zeitung, 1885, Jahr- 
gang 34, p- 513—517.) 

2) Ueber diese Erkrankungen vergl. Frank, Die Krankheiten der 
Pflanzen, Bd. II, p. 79 und p. 87. 


zu zeigen, dass man nicht glauben soll, mit der Zucht aus 
Samen wäre jeder Gefahr für die Culturen vorgebeugt. Wir 
sehen dabei ganz ab von den Schwierigkeiten, welche es bei 
vielen angebauten Pflanzen haben würde, keimfähige Samen zu 
erlangen und Sämlinge aus ihnen zu ziehen, was besonders, 
wie oben erwähnt, für das Zuckerrohr gilt. : 

Wir gehen auf diese Verhältnisse nicht weiter ein, sondern 
fassen nur noch die im Vorstehenden gegebenen Ausführungen 
kurz zusammen. 

Dass die Altersschwäche der auf geschlechtslosem Wege 
vermehrten Pflanzen nur in der Einbildung gewisser Autoren 
und Züchter besteht, aber nicht mit Nothwendigkeit aus der 
Beschaffenheit der zur vegetativen Vermehrung dienenden 
Pflanzentheile hervorgeht, haben wir aus theoretischen Gründen 
zu beweisen gesucht. Wir bestritten, dass die ganze „Sorte“ 
als ein fortgesetztes Individuum zu betrachten ist und dass die 
Vermehrung durch Stecklinge, Ableger, Knollen etc. eine un- 
natürliche ist. Bei der Besprechung der unsere Ansicht be- 
stätigenden Verhältnisse haben wir zuerst gezeigt, dass auch 
in der Natur viele Pflanzen auf die Dauer sich vegetativ ver- 
mehren, ohne dass sich nachweisen lässt, dass das Fehlen der 
sexuellen Reproduction eine minder kräftige Entwicklung der 
Pflanzen bewirkt. Ferner wurde angeführt, dass es Culturpflanzen 
gibt, die seit sehr langer Zeit ausschliesslich vegetativ vermehrt 
werden und einige, die nur so vermehrt werden können, nichts- 
destoweniger aber noch vollkommen gesund und kräftig sind. 
Von den cultivirten und vegetativ fortgepflanzten Gewächsen 
aber, die von epidemischen Krankheiten zu leiden haben, konnten 
wir fast überall den Nachweis führen, dass die Krankheit durch 
äussere Ursachen, meistens durch Parasiten, hervorgerufen wird 
und dass wir diesen Pflanzen auch keine Prädisposition zu 
Krankheiten zuzuschreiben brauchen. Es wurde sodann darauf 
hingewiesen, dass auf dieselbe Weise wie die soeben ange- 


führten Pflanzen auch die fortwährend aus Samen gezogenen 
Culturpflanzen von Krankheiten befallen werden und dass Epi- 
demien selbst bei wildwachsenden Pflanzen, einjährigen wie 
mehrjährigen, auftreten können. Demnach sind die Erkrankungen 
der durch Knollen, Stecklinge etc. vermehrten Culturgewächse 
keine diesen eigenthümlichen Erscheinungen, sie treten nur aus 
leicht begreiflichen Gründen bei ihnen auffallender hervor und 
verbreiten sich schneller. 


KAPITEL TI, 


Ueber die Umstände, von denen das Blühen 
der Pflanzen abhängt, 


Da nach biologischer Erklärung die Blüthen die zur Frucht- 
und Samenbildung dienenden Organe sind, so haben wir uns 
in diesem Kapitel eigentlich auch nur mit den Samenpflanzen 
oder Phanerogamen zu beschäftigen. Die Blüthenbiologie nun 
betrachtet die Blüthen wesentlich nur von dem Gesichtspuncte 
aus, dass sie in ihnen die Mittel zur Fruchtbildung sieht, und 
untersucht, in welcher Beziehung die verschiedenen Eigen- 
schaften der Blüthen, wie ihr Bau, ihre Stellung, ihre Ent- 
wicklungsperioden u. dergl. zur Befruchtung oder wenigstens 
zur Bestäubung stehen. Die Blüthenbiologie in diesem Sinne 
erfreut. sich einer sehr reichhaltigen Litteratur, während die- 
jenigen Umstände, von denen das Blühen überhaupt abhängt, 
bisher nur gelegentlich berücksichtigt worden sind. Das kann 
uns auch nicht verwundern, da die Blüthen für das Leben der 
Pflanze nur als Mittel zur Fruchtbildung von Bedeutung’sind. 

Das Blühen einer Pflanze bedingt aber nicht immer deren 
Fruchten, denn abgesehen davon, dass Pflanzen, welche nur 
männliche Blüthen haben, keine Früchte produciren können, so 
gibt es bekanntlich auch Fälle, wo aus den weiblichen Organen 
sich keine Früchte entwickeln, sei es, dass die Befruchtung aus- 
geblieben ist, sei es, dass trotz erfolgter Befruchtung die Ungunst 


äusserer Verhältnisse die Blüthe nicht zur Frucht reifen lässt. 
Für die Vermehrung der Pflanzen, also für die Erhaltung der 
Species, kommt es natürlich nur darauf an, ob die Früchte und 
Samen reifen, und ein erfolgloses Blühen hat nicht mehr Werth 
als das Ausbleiben der Blüthe. So kann es uns auch bei den 
Pflanzen, die wir ihrer Früchte oder Samen wegen cultiviren, 
nichts nutzen, wenn sie noch so reichlich blühen und dann 
doch keine Früchte ansetzen. Desshalb hat man immer mehr 
Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse gerichtet, von denen die 
Fruchtbildung der Pflanze abhängt, als auf diejenigen, welche 
das Blühen hemmen oder befördern. Für die letzteren wollen 
wir nun im Folgenden versuchen, alles zusammenzustellen, was 
an Beobachtungen darüber vorliegt. Wir werden sehen, dass 
einestheils nur innere, dem Character der Species eigenthüm- 
liche Gründe maassgebend sind, dass aber andererseits auch 
äussere Agentien eine Wirkung ausüben. Natürlich ist mit der 
Erkenntniss des Zusammenhanges eines Lebensprocesses mit 
einem äusseren Factor noch keine Erklärung gegeben. Wenn 
wir finden, dass Feuchtigkeit die Entwicklung der vegetativen 
Organe der Pflanze befördert, die Blüthenbildung dagegen 
 zurückhält, so beruht dies eben auf dem inneren Wesen der 
Pflanze, auf die Feuchtigkeit derartig zu reagiren. Indessen 
sind wir doch insofern etwas weiter gekommen, als wir es nicht 
mehr mit speciellen Eigenthümlichkeiten bestimmter Pflanzen- 
arten zu thun haben, sondern mit einer für viele Pflanzen 
gültigen Regel. Dazu kommt noch, dass sich aus der Kenntniss 
derartiger Regeln unter Umständen gewisse Lehren für die Be- 
handlung der Pflanzen in der Cultur ableiten lassen. Nur sind 
wir leider nicht immer im Stande, die betreffenden Verhältnisse, 
wie Wärme, Feuchtigkeit, Beleuchtung, so zu gestalten, wie es 
für unsere Zwecke wünschenswerth erscheint. 

Wir wollen zunächst das Blühen der Pflanze als eine Phase 
ihres Entwicklungsganges betrachten, die aus inneren, durch 


— 80 Dr; 


Vererbung fixirten Gründen zu einer bestimmten Zeit eintritt. 
Wir wissen, dass die Entwicklung der verschiedenen Pflanzen 
derartig ungleich ist, dass die genannte Phase nur einmal, sei 
es früher, sei es später, eintritt oder dass sie sich in mehr oder 
weniger regelmässigen Perioden wiederholt. Man kann danach 
hauptsächlich zwei Gruppen unter den Pflanzen unterscheiden, 
die einmal und die wiederholt blühenden, die ersteren pflegen 
als hapaxanthische oder monokarpe, die letzteren als polykarpe 
Pflanzen bezeichnet zu werden. 


Die hapaxanthischen Pflanzen wiederum kann man unter- 
scheiden nach der Länge der Zeit, welche sie von der 
Keimung an bis zur Blüthenbildung in Anspruch nehmen. Wir 
haben hier zunächst die sog. einjährigen Pflanzen, die in 
einer Vegetationsperiode ihren Entwicklungsgang, somit auch 
Blühen und Fruchten, beendigen. Sie finden sich besonders 
reichlich in solchen Zonen, wo scharfe Unterschiede der Jahres- 
zeiten herrschen, wo der Pflanzenwuchs durch Kälte oder 
Trockenheit auf eine längere Zeit unterbrochen ist. Europa ist 
reich an solchen einjährigen Pflanzen, die im Frühling keimen, 
im Sommer blühen und nach der Fruchtreife im Herbst voll- 
kommen absterben bis auf die Samen, die den Winter im Ruhe- 
zustand verbringen. So verhalten sich auch viele Gräser, be- 
sonders die in den gemässigten Zonen als Sommergetreide 
angebauten Arten. Gerade dem Umstand, dass die Gräser be- 
reits in demselben Jahre, in dem sie ausgesäet werden, zur 
Blüthe und Fruchtreife kommen, verdanken sie es, dass sie zu 
den Pflanzen gehören, die von den Menschen zuerst in Cultur 
genommen worden sind. 


Manche Pflanzen aber entwickeln sich noch schneller, so 
dass während eines Sommers mehrere Generationen von ihnen 
zur Blüthe kommen und Samen reifen, die sofort keimfähig sind. 
Man unterscheidet sie von den oben erwähnten einjährigen 


RS 


Pflanzen als ephemere'): als Beispiel sei nur der fast über die 
ganze Erde verbreitete Hühnerdarm (Stellaria media) genannt. 

Ihnen gegenüber stehen dann diejenigen hapaxanthischen 
Pflanzen, welche mehr als ein Jahr brauchen, um zu blühen. 
Viele derselben besitzen eine zweijährige Lebensdauer, ent- 
wickeln im ersten Jahre nur Vegetationsorgane, im zweiten 
auch Blüthen und Früchte. Es sind dies die sogen. Stauden 
und zu ihnen gehören viele Umbelliferen, Cruciferen, Scro- 
bhulariaceen und andere Formen des europäischen Floren- 
gebietes. Sie produciren im ersten Jahre nur einen kurzen, 
unten in die Wurzel übergehenden Stamm, der über der Erde 
eine Blattrosette entfaltet. Die Blätter sterben im Winter theil- 
weise ab, Wurzel und Stamm bleiben aber erhalten und letzterer 
treibt im nächsten Jahre nicht nur Blätter, sondern wächst auch 
in einen blüthentragenden Stengel aus. Damit ist aber die 
Kraft der Pflanze erschöpft und sie stirbt, nachdem die Früchte 
ausgebildet sind, ab. 

Auch von Gräsern gibt es mehrere, die sich im ersten Jahre 
nur bestocken und erst im zweiten die ährentragenden Halme 
treiben. Etwas anderes ist es mit dem sog. Wintergetreide, 
das zwar auch unter die zweijährigen Pflanzen gerechnet wird. 
Hier ist nur insofern ein Unterschied von dem rein einjährigen 
Sommergetreide, als ersteres, im Herbst gesäet, noch vor dem 
Winter keimt, dann eine Ruheperiode durchmacht und’ sich im 
Frühling direct weiter entwickelt, so dass es im Sommer zur 
Blüthe kommt. Es gehört also das so cultivirte Getreide eigent- 
lich zu den einjährigen Pflanzen, die nur durch die Aussaat im, 
Herbst zu einer unterbrochenen Entwicklung gezwungen werden. 
Bei den eigentlichen Stauden dagegen ist der Stamm im ersten 
Jahre noch nicht kräftig genug, um Blüthen treiben zu können; 
er beschränkt sich zunächst darauf, Assimilationsorgane zu 


I) Wiesner, Biologie der Pflanzen (Wien 1889) p. 22. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 6 


Ei MDR 


produciren, durch deren Thätigkeit soviel Stoff aufgespeichert 
wird, dass im zweiten Jahr genug Material zur Blüthen-, resp. 
auch Fruchtbildung vorhanden ist. 
Andere Pflanzen bedürfen noch längerer Zeit, um diesen 
Zustand zu erreichen, besonders solche, die sehr grosse In- 
florescenzen entwickeln. Es können hier wieder manche Um- 
belliferen genannt werden, z. B. die in den persischen Steppen 
einheimischen Scorodosma foetidum und Dorema Ammoniacum. 
Bei ihnen werden in mehreren Jahren nur Blattrosetten gebildet, 
bis schliesslich die grosse Inflorescenz erscheint, nach deren 
Ausbildung die ganze Pflanze abstirbt, Wohl das bekannteste 
Beispiel dieser Art ist die sog. hundertjährige Alo&, Agave 
Americana. „Es vergehen oft 20, 30, angeblich selbst 100 Jahre, 
in welchem langen Zeitraume diese Pflanze über die Bildung 
des bodenständigen, mit rosettig gruppirten Blättern besetzten 
Kurztriebes nicht hinauskommt. Endlich erhebt sich aus der 
Mitte der Rosette ein Langtrieb, welcher mit einem umfang- 
reichen Blüthenstande abschliesst. Sobald sich aus den Blüthen 
Früchte herausgebildet haben und die Samen ausgeflogen sind, 
stirbt dann, ähnlich wie bei den zweijährigen Pflanzen, nicht nur 
dieser Langtrieb, sondern auch der Kurztrieb mit seinen grossen, 
dornig gezahnten, starren Rosettenblättern gänzlich ab“). 
Solche, mehrere und selbst viele Jahre ausdauernde, aber 
nach einmaliger Blüthen- und Fruchtbildung zu Grunde gehende 
Pflanzen können als perennirende Monokarpen bezeichnet 
werden’). Die Ursache ihres Absterbens ist die Erschöpfung, 
in die sie durch die Entwicklung des grossen Blüthen- 
standes gerathen; derselbe erreicht bei der erwähnten Agave 
die Höhe von 5—7 Meter! Zu einer solchen Leistung ist die 
Pflanze erst nach längerer Zeit fähig und so können wir 
sagen, dass das Alter des Individuums von wesentlichem 


I) Nach Kerner, Pflanzenleben, Bd. I, p. 618. 
2) Wiesner l. c.p. 22. 


Einfluss auf das Blühen der Pflanzen ist. Wir sehen dies aber 
nicht nur bei den monokarpen, sondern auch bei den peren- 
nirenden, wiederholt blühenden Pflanzen, von denen wir 
wiederum verschiedene Formen unterscheiden können. 

Zunächst gibt es solche, bei denen nur die unterirdischen 
Triebe ausdauern und die oberirdischen in jedem Jahre neu 
gebildet werden. Hierher gehören die meisten Gräser und 
vor allem diejenigen, welche eine geschlossene Grasnarbe bilden. 
Solche Pflanzen, zu denen ausser den Gräsern noch viele 
andere zu rechnen sind, pflegen in dem ersten oder auch in 
den ersten Jahren nach der Keimung nur Blatttriebe zu ent- 
wickeln, bis der Wurzelstock kräftig genug ist, auch Blüthen- 
triebe zu produciren, welche aber nun in jedem Jahre wieder 
erscheinen im Gegensatz zu den Stauden und perennirenden 
Monokarpen. 

Als Büsche oder Virgulta !) werden sodann solche Pflanzen 
bezeichnet, deren unterirdische Triebe ausdauern und deren 
oberirdische Theile zu ihrer Entwicklung mehr als ein Jahr 
gebrauchen oder sich überhaupt unabhängig von der Jahres- 
zeit entwickeln, so dass jedenfalls immer solche oberirdische 
Triebe vorhanden sind. Die oberirdischen Triebe können 
bereits im ersten Jahre, in dem sie entstanden sind, blühen, 
z. B. bei Rubus odoratus, bei welcher Art sie dann im zweiten 
Jahre nochmals blühen, um darauf abzusterben. Bei Rubus 
JIdaeus dagegen blühen die ebenfalls zweijährigen Triebe erst 
im zweiten Jahre, während sie im ersten nur Blätter treiben. 
Zu dieser Gruppe der Virgulta gehören die Bananen, aber 
auch bei Musa verhalten sich die einzelnen Arten verschieden 
und bei manchen (z. B. Musa Ensete) dauert es mehrere Jahre, 
bis aus dem Blatttrieb, der den scheinbaren oberirdischen 


I) Vergl. den Aufsatz von Krause in den Berichten der deutschen 
bot. Gesellschaft, 1891, p. 233. 
6* 


Stamm darstellt, ein Blüthenstand hervorkommt; nach der 
Fruchtreife stirbt dieser ganze Trieb ab. 

Das Zuckerrohr zeigt in Beziehung auf das Blühen so 
eigenthümliche und noch wenig bekannte Verhältnisse, dass 
dieselben hier nach den Angaben Benecke’s!) etwas ein- 
gehender besprochen werden sollen. 

„In der Litteratur wird bis auf die neueste Zeit die Be- 
hauptung aufgestellt, dass das Zuckerrohr „selten blüht“. Jeder 
Pflanzer auf Java weiss, dass dies leider?) nicht der Fall ist. 
Woher dieser Irrthum stammt, ıst mir unbekannt; immerhin 
ist es nicht unmöglich, dass es Gegenden gibt, wo das cultivirte 
Zuckerrohr klimatischer Verhältnisse wegen bis zur Zeit seiner 
Verarbeitung nicht zur Blüthe gelangt; darauf könnte die irr- 
thümlicher Weise allgemein gehaltene Behauptung basiren. 

Wir haben Jahre auf Java, in welchen das Zuckerrohr 
überreichlich blüht, sodass man schon aus weiter Ferne die 
Zuckerrohrfelder an den wallenden Blüthenbüscheln erkennt, 
die aus Hunderttausenden von einzelnen Inflorescenzen be- 
stehen. In solchen Fällen können nicht-blühende Felder zu 
den Seltenheiten gehören. Andererseits gibt es Jahre, in 
welchen im Allgemeinen wenig Blüthenstände sichtbar sind. 
Schliesslich kommen Jahre vor, in welchen man bald Felder 


I) Mededeelingen van het Proefstation „Midden-Java“ te Klaten. Sema- 
rang. 1892. 

2) „Mit dem Beginn der Bildung der endständigen Inflorescenz hört 
ja selbstverständlich die Bildung neuer, für die Zuckergewinnung brauch- 
barer Stockglieder auf und das ganze Wachsthum des Stockes kann nur 
noch auf der Vergrösserung der bereits vorhandenen Internodien beruhen. 
Kommt nun das Zuckerrohr, wie es z. B. im letzten Vegetationsjahre (I8g9I 
bis 92) leider vielfach der Fall war, frühzeitig zum Blühen, so bleiben die 
Stöcke kurz und der Schaden kann dadurch ein sehr bedeutender werden. 
Dazu kommt noch, dass in Blüthe befindliches Rohr leicht austrocknet, und 
besonders auch, dass solches Rohr keineswegs empfehlenswerthe Stecklinge 
liefert. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass „Sereh‘krankes Rohr Nei- 
gnug zum Bülhen besitzt“. Benecke,l.c. 


sieht, auf welchen fast jeder Stock im Blühen begriffen ist und 
bald Felder, wo man nach einem blühenden Stock suchen 
muss ; dabei können solche 
blühende und _nicht- 
blühende Felder in näch- 
ster Nähe sich befinden. 
Man sieht auch häufig in 
einem und demselben Feld 
zwei unter anscheinend 
gleichen Verhältnissen 
‚gewachsene Pflanzen, von 
denen die eine nur 
blühende, die andere nur 
nichtblühende Stöcke be- 
sitzt. Schliesslich kann 
man auch an einer und 
derselben Pflanze be- 
obachten, dass sie aus 
Stöcken besteht, von denen 
die einen völlig ausge- 
bildete Inflorescenzen tra- 
gen, während die anderen 
solche nicht einmal in der 
ersten Anlage aufweisen, 
trotzdem sie sich, was 
Höhe und Stärke betrifft, 
keineswegs von den blü- = 
henden Stöcken principiell Fig. 17. Saccharum offieinarum. Blühende 
unterscheiden.“ und nicht blühende Sprosse in verschie- 
EL. bezeichnet denem Alter. (Nach Nees.) 
die Arten der Gattung Saccharum als perennirende Pflanzen. 


Als solche erweist sich auch ,S. oficinarum in unseren bo- 
tanischen Gärten, wo es allerdings nicht zur Blüthe kommt 


RE 


indem aus dem Rhizom in jedem Jahre neue Triebe entstehen, 
die auch länger als ein Jahr aushalten. Auf Java freilich 
und auch in anderen tropischen und subtropischen Ländern lässt 
man (nach Benecke) das in Cultur befindliche Zuckerrohr 
gewöhnlich nur ein Jahr') alt werden; als aber die Sereh- 
krankheit die Culturen auf Java noch nicht bedrohte, erntete 
man oft auch den zweiten und sogar den dritten Schnitt). 
Wie nun soeben geschildert wurde, kann das Zuckerrohr schon 
im ersten Jahre reichlich blühen; wenn zweiter und dritter 
Schnitt angewendet wird, können die Stöcke dieser weiteren 
Ernten ebenfalls zum Blühen gelangen. Auch das Zuckerrohr 
in den Plantagen muss also als perennirende Pflanze betrachtet 
werden; wann es aber zum Blühen kommt, scheint nach den 
Varietäten verschieden zu sein. Nach Benecke ist es wahr- 
scheinlich, dass in den Tropen alle Varietäten zum Blühen 
kommen würden, wenn man ihnen die dazu nöthige Zeit liesse 
und wenn nicht die Ungunst äusserer Umstände das Blühen 
verhindert. Der genannte Autor hatte in seinem Versuchs- 
garten auf Java viele Varietäten, die niemals im ersten Jahre 
blühten; seine Versuche, die er in dieser Richtung dort in 
Angriff genommen hatte, konnten leider nicht zum Abschluss 
gelangen, weil er Java verliess. 

An das Zuckerrohr können wir die Bambuseen an- 
schliessen, die eine ganz eigenthümliche Periodicität im Blühen 
zeigen und die gewissermaassen eine Zwischenstufe zwischen 
den Virgultis und den Bäumen bilden; denn sie gleichen den 


ı) Das Vegetationsjahr des Zuckerrohrs dauert nicht genau I2 Monate, 
sondern ist theils viele Wochen länger, theils entsprechend kürzer, indem 
der Eintritt der Reife in hohem Maasse von der Witterung des Jahres ab- 
hängig ist. 

2) Man schneidet dann nämlich am Ende des ersten Vegetationsjahres 
die Stöcke für die Zuckergewinnung am Boden ab und lässt die unter- 
irdischen Sprossaugen der im Boden verbleibenden Stockreste zur Entwicklung 
kommen; ihre Sprosse liefern die zweite Ernte, d. h. den zweiten 
Schnitt u. s. w. 


letzteren zwar darin, dass sie holzige, ausdauernde oberirdische 
Stämme bilden, aber diese scheinen doch regelmässig, wenn 
sie einmal zum Blühen gekommen sind, nach der Fruchtreife 
abzusterben. Dabei ist aber zu bemerken, dass sich die ein- 
zelnen Arten sehr verschieden verhalten und dass darauf die 
Angaben immer Rücksicht nehmen müssen. Es gibt Arten, 
die alljährlich blühen, während bei anderen Arten die Sprosse 
eine ganze Reihe von Jahren alt werden müssen, ehe sie 
blühen!),. Was aber das besonders Auffallende bei manchen 
Bambuseen ist, das ist das Auftreten von Blüthenjahren in 
grossen Zwischenräumen (bei Bambusa arundinacea z. B. nach 
32 Jahren) und das dann gleichzeitig erfolgende Blühen aller 
Sprosse, mögen sie von noch so verschiedenem Alter sein. 
Frömbling:) erzählt von zwei Chusquea-Arten (Bambuseen) 
in Chile, die erst nach 3—4 Jahren zum Blühen gelangen, und 
zwar alle Individuen eines ganzen grösseren Districtes gleich- 
zeitig, um nach der Samenreife abzusterben, worauf nach einer 
weiteren vierjährigen Periode dieselbe Erscheinung wieder 
eintritt. Es scheint also in diesen Fällen hauptsächlich das 
Alter des Rhizoms, das unter dem Boden wächst und nach 
oben die verholzten Halme aussendet, von Einfluss auf das 
Blühen zu sein, wenn auch ausserdem klimatische Verhältnisse 
eine Rolle spielen. Weitere Angaben über das Blühen der 
Bambus-Gräser findet man gesammelt von Schröter in seiner 
Arbeit über den Bambus?), auch Hackel hat in seiner Be- 
arbeitung der Gramineen dieser Erscheinung eine längere 
Besprechung gewidmet *). 

ı) Es wird sogar von gewissen Bambuseen in den Tropen ange- 
nommen, dass sie niemals blühen, was aber nicht erwiesen sein dürffe. 

2) Botanisches Centralblatt, Bd. LXII (1895) p- II. 

3) C. Schröter, Der Bambus und seine Bedeutung als Nutzpflanze. 
Basel 1885. 

4) In Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, II. Theil, 2. 


Abtheilung, p. 89. Man vergleiche ferner die Angaben von Fritz Müller 
in Engler’s Botan. Jahrbüchern Bd. II, p. 391. 


nr 


Schliesslich haben wir die eigentlichen Stammpflanzen, 
die Halbsträucher, Sträucher und Bäume, bei denen die 
oberirdischen Triebe in der Regel verholzen und nebst den 
Wurzeln die ausdauernden Theile der Pflanze bilden. Bei 
der Mehrzahl der hierher gehörigen Formen tritt das Blühen 
und Fruchten erst ein, wenn sie sich nach der Aussaat mehrere 
Jahre hindurch gekräftigt haben. Denn die Pflanze muss an- 
fangs ihre Assimilationsproducte auf die Ausbildung der 
holzigen Triebe, verwenden und bedarf längerer Zeit, bis Ma- 
terial genug zur Entwicklung der Fortpflanzungsorgane vor- 
handen ist. Doch gibt es auch einige holzige Pflanzen, die 
bereits im ersten Jahre blühen, wie den KRicinus. Derselbe 
wird deswegen in kälteren Ländern (Mitteleuropa) leicht für 
eine einjährige Pflanze gehalten, weil er nach dem Blühen im 
Herbst durch die Kälte zu Grunde geht. In seiner Heimat ist 
er ein Baum, der auch in den folgenden Jahren regelmässig 
blüht. Im Gegensatz dazu stehen die Waldbäume der nörd- 
lichen gemässigten Zone, da bei ihnen meist viele Jahre ver- 
gehen, bevor sie zum ersten Male blühen. 

Am besten sind wir in dieser Beziehung über die deutschen 
Waldbäume orientirt, über welche ich die folgenden Angaben 
aus Nördlinger’s Forstbotanik entnehme!): Das Blühen be- 
ginnt bei der Lärche (Laryx europaea) im Tiefland mit 15 
bis 20, im Gebirge mit 20—30 Jahren, bei der Kiefer (Pinus 
silvestris) auf trockenem, warmem Boden zum Theil schon mit 
15, im Bestand mit 30—40 Jahren (bei Pinus montana dagegen 
schon mit 4—5 Jahren), bei der Eibe (Taxus baccata) mit 20, 
bei der Fichte (Picea vulgaris) mit 30—40, bei der Tanne 
(Abies pectinata) erst mit 60 Jahren. Von Laubbäumen blüht 
die Hasel (Corylus avellana) schon mit 10, die Birke (Betula 
alba) mit 15—20, die Weissbuche (Carpinus betulus), die 


I) 2. Band. Stuttgart 1876. 


Edelkastanie (Castanea vesca), die Zitterpappel (Populus 
tremula) etwa mit 20, die Erle (Alnus glutinosa) im Busch- 
_ wald mit 12-20, im Hochwald mit 40, die Buche (Fagus sil- 
vatica) im Bestand nicht vor 60 Jahren (freistehend 20 Jahre 
früher) und die Stieleiche (Ouercus pedunculata) erst im 60. 
bis So. Lebensjahre. 

Dass der Zeitraum, in dem diese Bäume zum ersten Male 
blühen, ziemlich unbestimmt ist, zum Theil zwischen 20 Jahren 
schwanken kann, rührt daher, dass äussere Umstände von 
grossem Einfluss auf das Erscheinen der ersten Blüthe sind; 
allein es ist hier nicht der Ort, diese Umstände näher zu be- 
rücksichtigen, weil wir von ihnen erst später zu sprechen haben. 
Erwähnt sei nur, dass jene Regeln nicht ohne Ausnahme sind; 
so wird angeführt, dass gelegentlich in Samenbeeten Eichen 
und Götterbäume (Adlanthus glandulosa) im 1.—3. Lebens- 
jahre zum Blühen kommen, dann aber bald absterben. 

Bei den Holzpflanzen haben wir aber auch noch auf eine 
andere Erscheinung hinzuweisen: nicht nur erlangt der Baum 
in einem bestimmten, von der Species abhängigen Alter die 
Fähigkeit zu blühen, sondern bei manchen Arten ist auch die 
Wiederholung der Blüthe nicht bloss von der Jahreszeit, son- 
dern auch von der Lebenszeit der Pflanze abhängig. Wir be- 
obachten nämlich, dass manche Bäume nicht jedes Jahr blühen, 
sondern in längeren Zeitintervallen !). Unter den Nadelhölzern 
blühen Taxus und Juniperus alljährlich, die Tanne (Abies 
pectinata) dagegen blüht in milder Gegend etwa alle 2—5, in 
rauher Gegend nur alle 6—8 Jahre, die Kiefer (Pinus sil- 
vestris) alle 3—5, die Fichte (Picea vulgaris) alle 3—4 Jahre. 
Von den Laubhölzern der nördlichen Wälder blüht wohl die 
Mehrzahl alljährlich, aber die Birke (Betula alba) etwa alle 


1) Etwas Aehnliches beobachtet man übrigens auch an einigen peren- 
nirenden krautartigen Pflanzen, z. B. Erdorchideen. Vgl. Kerner’s 
Pflanzenleben, Bd. II, p. 278. 


a 


3 Jahre und die Eiche (Ouercus pedunculata) in Intervallen 
von 4—6 Jahren!). Dass auch in wärmeren Ländern analoge 
Erscheinungen im Blühen der Bäume auftreten, zeigt der 
Drachenbaum (Dracaena Draco), von dem Schacht sagt, 
dass er auf den kanarischen Inseln verhältnissmässig selten 
blühe?). Wir können den Grund für die mehrjährige Periodi- 
cität im Blühen bei den erwähnten Bäumen darin suchen, dass 
sie die blüthenbildenden Stoffe nicht in einer Vegetationsperiode 
in genügender Menge herzustellen vermögen, sodass wirklich , 
Blüthen entstehen können, sondern dass sie mehrere Vege- 
tationsperioden dazu nöthig haben. Da nun das eine Jahr 
günstiger, das andere Jahr ungünstiger für die Entstehung der 
blüthenbildenden Stoffe aus den Assimilationsproducten im 
weitesten Sinne sein wird, und da mehrere günstige oder 
mehrere ungünstige Jahre aufeinander folgen können, so er- 
klärt sich daraus das Schwanken der Perioden um mehrere 
Jahre. Es erklärt sich auch aus dieser Annahme die merk- 
würdige Erscheinung, dass in den Blüthenjahren des Bambus 
alle Sprosse, junge und alte, blühen: Die Anhäufung der 
blüthenbildenden Stoffe würde eben in diesem Jahre das nöthige 
Maass erreicht haben und sie würden nun gleichmässig in der 
Pflanze vertheilt worden sein. 

Wir haben also im Vorhergehenden das Blühen als eine 
zu gewisser Zeit im Leben der Pflanze eintretende Erscheinung 
kennen gelernt und die Hauptgruppen, welche sich nach diesen 
Verhältnissen bei den Pflanzen bilden lassen, unterschieden. Es 
ergibt sich daraus, wie auch schon erwähnt, dass das Alter 
der Pflanze, sei es des ganzen Organismus, sei es nur gewisser 
Sprosse, das Blühen bestimmt. 

Die Gründe, die bei der einen Pflanze das Erscheinen der 

‘ Blüthe im ersten, bei der andern im zweiten oder einem spä- 


I) Ueber die Buche siehe weiter unten. 
2) Schacht, Madeira und Tenerife, p. 26. 


teren Jahre veranlassen, liegen in der Natur der Pflanze und 
da wir sie nicht weiter verfolgen können, nennen wir sie innere 
Gründe. Allerdings stehen diese Eigenthümlichkeiten einer 
Pflanze, nämlich ihre Lebensdauer und ihre Blüthezeit, nicht 
unveränderlich fest, aber sie verändern sich in der Natur doch 
nur bei der allmählichen Abänderung der äusseren Verhältnisse, 
unter denen die Pflanzen wachsen. Wir können diese darum 
nach besagten Eigenschaften in der Weise, wie es eben ge- 
schehen ist, eintheilen. Nur ist die Schwierigkeit vorhanden, 
dass wir noch keineswegs genügend unterrichtet sind, wie sich 
die einzelnen Pflanzen im Verlaufe ihres Lebens verhalten; be- 
sonders über tropische Gewächse, auch cultivirte, findet der, 
welcher sie nicht an Ort und Stelle beobachten kann, oft nur 
mangelhafte Angaben in der Litteratur. Die Mittheilung von 
weiteren Beobachtungen in dieser Hinsicht wäre demnach recht 
wünschenswerth. 

Im Allgemeinen also können wir sagen, dass jede Pflanzen- 
art die durch Vererbung fixirte Eigenthümlichkeit besitzt, in 
einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung Blüthen zu pro- 
duciren und dass diese Phase je nach der Species nur einmal 
oder wiederholt in der Entwicklung eintritt. Wie aber der 
ganze Lebenslauf der Pflanze abhängig ist von äusseren Fac- 
toren: Wärme, Licht, Feuchtigkeit, Bodenverhältnissen u. s. w., 
so natürlich auch das Blühen. Es kann demnach die oben be- 
zeichnete Phase in der Entwicklung sowohl durch die in der 
Natur sich abspielenden Vorgänge, als auch durch künstlich 
vom Menschen herbeigeführte Verhältnisse nicht bloss ver- 
schoben, sondern sogar unterdrückt werden, allerdings nur 
innerhalb gewisser Grenzen. Wir hatten schon eine solche Ver- 
schiebung der Blüthezeit zu erwähnen Gelegenheit gehabt, 
nämlich beim Wintergetreide: dadurch, dass man die Samen 
nicht im Frühling, sondern im Herbst aussäet, wird die Ent- 
wicklung der Pflanze derartig verzögert, dass die Blüthe viel 


längere Zeit nach der Keimung eintritt als bei dem normaler 
Weise im Frühling gesäeten Getreide Es wird nun unsere 
Aufgabe sein, die verschiedenen Agentien, deren Wirkung für 
das Blühen in Betracht kommt, zu besprechen und zu sehen, 
was sich über ihren befördernden oder hemmenden Einfluss auf 
diese Erscheinung des Pflanzenlebens sagen lässt. 

Es bietet sich aber hier die Schwierigkeit, dass selten ein 
Agens, wie Wärme oder Licht oder Feuchtigkeit, allein zur 
Wirkung kommt, sondern vielmehr in Combination mit den 
andern auftritt. Wenn dieselbe Pflanze in dem einen Klima 
regelmässig blüht, in dem andern aber nicht oder schwer zur 
Blüthe kommt, so sind dabei auch verschiedene Agentien im 
Spiel und es ist die Frage, welches derselben vornehmlich die 
Wirkung ausübt. Auch experimentell hat es seine Schwierig- 
keiten, derartige Fragen zu entscheiden: z. B. kann man nicht 
leicht zwei Pflanzen bei verschiedener Temperatur und gleicher 
Feuchtigkeit halten, um die reıne Wirkung der Wärme zu 
studiren; denn die kälter gehaltene Pflanze wird auch durch 
ihre Wurzeln weniger Wasser aufnehmen und somit den ober- 
irdischen Theilen weniger Feuchtigkeit zuführen, als die wärmer 
gehaltene. Besser schon kann der Einfluss des Lichtes be- 
obachtet werden und wir können hier gleich sagen, dass das 
Licht, sowohl was die verschiedenen Helligkeitsgrade als auch 
was die verschiedenen Farben betrifft, von grossem Einfluss auf 
die Blüthenbildung ist. 

Es wird zunächst zu untersuchen sein, ob das Licht für 
dıe Pflanze nothwendig ist, damit sie blühen kann. Ohne 
weiteres lässt sich diese Frage nicht beantworten, denn wir 
wissen, dass einige Lebensvorgänge, wie Keimen und Wachsen, 
auch im Dunkeln sich abspielen können, und wir werden finden, 
dass es sich dabei nicht so sehr um den directen Einfluss des 
Lichtes auf die Blüthenbildung als vielmehr um seinen Einfluss 
auf die ganze Entwicklung handelt. 


Betrachten wir nun zunächst die Verhältnisse in der Natur 
und sehen wir dann zu, was die physiologischen Experimente 
uns lehren. 

Beim Wachsthum der Pflanzen in der Natur wird es sich 
kaum jemals um eine vollständige Verdunkelung, sondern viel- 
mehr um eine stärkere oder schwächere Beleuchtung handeln. 
Doch auch dabei zeigt sich deutlich, dass das Licht einen be- 
‚fördernden Einfluss auf das Blühen ausübt. Allerdings ist es. 
nur ein auf Erfahrung beruhender Satz, dass schwächeres 
Licht ein stärkeres Wachsthum der vegetativen Theile und 
eine Verzögerung in der Bildung von Blüthen und Früchten be- 
wirkt und dass diese letztere einestheils dem directen Einflusse 
der Beschattung, anderntheils dem Ueberwiegen des vegetativen 
Wachsthums zuzuschreiben ist !). Wir können aber nicht sagen, 
in welcher Weise das helle Licht einen Vegetationspunkt be- 
einflusst, so dass aus ihm ein Blüthenspross wird, während er 
im Schatten sich vielleicht zu einem vegetativen Spross ent- 
wickelt hätte. Wir schliessen nur aus den Thatsachen, dass 
„die Sonnenstrahlen als Anregungsmittel für die Anlage blüthen- 
tragender Sprosse“ ?) zu betrachten sind. Als solche That- 
sachen seien folgende angeführt. 

Einzelne umfangreiche Pflanzenstöcke, welche im Sommer 
an der einen Seite beschattet, an der anderen besonnt sind, 
legen im Bereiche des beschatteten Theils ausschliesslich oder 
vorwaltend Laubknospen, im Bereiche des besonnten Theils 
dagegen zahlreiche Blüthenknospen an (Kerner, II, p. 473). 
Ebenso findet man, dass Pflanzenstöcke, welche das eine Jahr 
im Schatten gehalten und das darauffolgende Jahr vom Beginn 


ı) F. Hildebrand, Die Lebensdauer und Vegetationsweise der 
Pflanzen, ihre Ursachen und ihre Entwicklung (Engler’s Jahrbücher, Bd. II, 
p- IoO). 

2) Kerner, Pflanzenleben, Bd. II, p. 388. Ueber den Vortheil, den die 
Pflanze von der Ausbildung der Blüthen im Sonnenlicht hat, ist hier nicht zu 
sprechen; man vergleiche darüber das angeführte Werk von Kerner, l.c. 


ihrer Entwicklung an in die Sonne gestellt werden, in diesem 
reichlicher blühen als im vorigen Jahre !). Ein ähnlicher Ver- 
such im Grossen lässt sich bisweilen bei im Walde wachsenden 
Pflanzen beobachten. Während dieselben nämlich, so lange sie 
im dichten Schatten des Waldes standen, viele Jahre hindurch 
blüthenlos blieben und sich dort nur mittelst Laubknospen er- 
hielten, so setzen sie nach dem Fällen der Bäume im sonnen- 
durchleuchteten Holzschlag wieder Blüthenknospen an und ge-, 
langen zur Blüthen- und Fruchtbildung?). Kerner weist ferner 
auf das schmalblättrige Weidenröschen (Zplobium 
angustifolium) hin, das seine purpurnen Blüthen nur an sonnigen 
Plätzen entfaltet, und zwar um so schöner roth gefärbte Blüthen 
treibt, je kräftiger der Sonnenschein ist. Wird dagegen die Pflanze 
in dichten Schatten versetzt, so verkümmern an ihr die Blüthen- 
knospen viel früher, als sie sich geöffnet haben und fallen als weiss- 
liche vertrocknete Gebilde von der Spindel der Blüthentraube ab?). 

Hierher gehört auch die Erscheinung, dass der Boden des 
dichtbelaubten Waldes im Sommer fast gar keine blühenden 
Pflanzen aufweist. Nur im Frühjahr finden wir auf dem Boden 
des Laubwaldes in unseren Breiten eine reichlichere Vegetation 
blühender krautiger und zum Theil auch holziger Pflanzen, wie 
Anemonen, Primeln, Corydalis, Anchusa, Daphne u. s. w., nach- 
dem sich aber ein dichtes Blätterdach in den Kronen der Bäume 
entwickelt hat, sind diese Blumen verschwunden und werden 
auch nicht durch andere ersetzt. Im Nadelwald, der schon im 
Frühjahr soviel Schatten wie im Sommer besitzt, fehlen natur- 
gemäss auch in der ersteren Jahreszeit die blühenden Pflanzen 
und es treten auf seinem Boden überhaupt nur sehr wenige 
blühende Pflanzen, wie Pirola und Monotropa auf. Ueber die 
Lichtabnahme in den Beständen belaubter Bäume und über den 
Unterschied, den die immergrünen und die sommergrünen Wälder 


I), Kerner, © 1.500 
2), Kerner, 12.902478: 
3) Kerner,t CD. 448. 


in den verschiedenen Jahreszeiten in der Durchleuchtuag zeigen, 
liegen genauere Untersuchungen von Wiesner vor, auf dessen 
Arbeiten über den Lichtgenuss der Pflanzen ich hier nur hin- 
weisen kann !). Wenn nun schon in höheren Breiten der Mangel 
an blühenden Pflanzen im Walde bemerkbar wird, so ist dies 
doch noch viel auffallender in den Tropen, weil hier eine viel 
grössere Mannichfaltigkeit an Pflanzenarten und eine viel grössere 
Menge schönblumiger Gewächse gefunden wird. Die ganze 
Organisation der Pflanzen des tropischen Urwaldes wird im 
wesentlichen bestimmt durch den Kampf ums Licht. Recht 
drastisch führt uns Bates?) diesen Kampf vor an der Ent- 
wicklung eines Baumwürgers (Ficus), dem es schliesslich ge- 
lingt, seine Blätterkrone mit der des von ihm umwundenen 
Stammes vermengt gen Himmel zu strecken, während seine 
gurtförmigen Wurzeln den stützenden Stamm unterdessen er- 
würgen. „Der selbstsüchtige Schmarotzer bleibt dann allein 
übrig, in seinen Armen den verwitterten und leblosen Körper 
des Opfers umschlungen haltend, das ihm zu seinem Wuchse 
behülflich war. Sein Zweck ist erreicht, — er hat geblüht, 
Früchte getragen und seine Art fortgepflanzt und vermehrt; 
und nun, wenn der todte Stamm verwest, naht auch sein Ende; 
seine Stütze ist dahin, auch er muss fallen.“ An einer anderen 
Stelle (l. c., p. 121) sagt derselbe Reisende: „Blumen gibt es 

hier (also im Urwalde des Amazonenstroms) wenige; hie und 
_ da sieht man eine schimmernde hochrothe Blüthe das dunkle 
Laub nach den Gipfeln des Waldes zu zieren.“ Bekannt sind 
die Klagen der in den Tropen pflanzensammelnden Reisenden, 
dass es ihnen nicht möglich ist, die Blüthen der Bäume oder 
blühende Epiphyten zu erreichen, weil die Blüthen nur in 
grosser Höhe, wohin die Sonne scheinen kann, entfaltet werden. 
Ueber den südamerikanischen Urwald spricht sich ähnlich wie 


I) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien 1893, Bd. CH, Abth. I, p. 291. 
2) Der Naturforscher am Amazonenstrom. Deutsche Ausgabe, p. 29— 30. 


Bates auch Pöppig!) aus: Auf dem Urwaldboden sind keine 
bunten Blüthen vorhanden, sondern „modernde Blätter, zerfallene, 
in Erde übergehende Holzreste, unübersehliche Generationen 
von bunten und höchst vergänglichen Pilzen, einige Farne und 
wenige Kräuter und Stauden sind die einzigen Dinge, auf die 
nach unten das Auge trifft.“ 

In analoger Weise spricht sich Wallace über den Mangel 
an Blumen aus bei Beschreibung der dichten Urwälder der 
Insel Celebes: „Vergebens liess ich den Blick über diese grossen 
Mauern von Grün schweifen, vergebens suchte ich zwischen 
den hängenden Schlingpflanzen und den buschigen Sträuchern 
rings um den Wasserfall, an den Ufern des Flusses oder in den 
tiefen Höhlen und düstern Spalten — nicht ein einziger Fleck 
glänzender Farbe war zu entdecken, nicht ein einziger Baum 
oder Busch oder eine einzige Schlingpflanze trug eine Blume, 
die hinlänglich auffiel, um in der Landschaft eine Rolle zu 
spielen. Nach jeder Richtung hin fiel das Auge auf grünes 
Laubwerk und gesprenkelten Felsen‘ ?). 

Auch für Neuseeland wird angegeben?°), dass es im Walde 
fast nirgends Blüthen und Blumen gibt. Während man hier 
diesen Mangel vielleicht mit dem an Insecten in Beziehung 
bringen könnte, trifft so etwas für den südamerikanischen Ur- 
wald nicht zu, denn Bates sagt ausdrücklich (l. c., p. 134), 
dass die zahlreichen bunten Schmetterlinge den Mangel an 
Blumen ersetzen. 

Aus den hier zusammengestellten Citaten soll also er- 
sichtlich werden, dass zur Entstehung von Blüthen im Allge- 
meinen mehr Licht erforderlich ist, als auf den Boden des 
schattenspendenden Waldes, vor Allem des tropischen Urwaldes, 
gelangt; die anderen Verhältnisse, welche solchen Oertlichkeiten 


I) Reise in Chile, Peru und auf dem Amazonenstrome etc., Bd. II, p..347. 
2) Der malayische Archipel. Deutsche Ausgabe, Bd. I, p. 337. 
3) Hochstetter, Neuseeland. 


eigenthümlich sind, wie die feuchte stagnirende Luft, kommen 
hier weit weniger in Betracht. So sehen wir auch, dass für 
viele tropische Pflanzen das so oft durch Wolken gedämpfte 
Sonnenlicht im mittleren Europa oder das auch noch durch 
die Scheiben der Glashäuser geschwächte Licht nicht genügt, 
um die Anlage von Blüthen zu erzielen. Der Mangel an Hellig- 
keit ist es, wie auch die Gärtner wohl wissen, der so viele 
tropische Gewächse in den nördlichen Ländern nicht zum 
Blühen kommen lässt, auch wenn sie sonst gut gedeihen. Denn 
fehlte es nicht daran, sondern an der genügenden Wärme oder 
Feuchtigkeit, so könnte dem ja leicht abgeholfen werden. 
Was uns nun derartige 
Beobachtungen über den Ein- 
fluss des Lichtes auf die 
Blüthenbildung lehren, das 
wird bestätigt durch die zur 
Untersuchung dieses Verhält- 
nisses besonders angestellten 


Experimente. Vöchting!) fin- 


det, dass die Pflanze, um ihre Fig. 18. Mimulus Tilingi. A, B 
Normale Blüthe von vorn und von der 
s ; 2 Seite. (©, D Bei verminderter Beleuch- 
Weise zu vollziehen, einer Be- tung‘ entstehende Blüthe von vorn 


leuchtung bedarf, die nicht und von der Seite. E, F Durch ver- 
minderte Beleuchtung noch mehr ver- 


j kleinerte Blüthen von der Seite. 
darf, deren Stärke aber bei (Nach Vöchting,) 


Blüthenbildung in normaler 


unter ein gewisses Maass sinken 


den verschiedenen Arten sehr 

ungleich ist. So z. B. bringt /mpatiens parviflora noch normale 
Blüthen bei einer Beleuchtung hervor, in der Malva vulgaris 
kaum noch Knospen erzeugt; Mimulus Tilingi bildet im Ge- 
wächshaus noch normale Blüthen bei einer Beleuchtung, in der 
Malva nur noch solche von halbem Umfange erzeugt. Im 


I) Pringsheim’s Jahrbücher, Bd. XXV, Heft 2. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. y, 


Allgemeinen werden bei abnehmender Beleuchtung die Blüthen 
oder einzelne Theile derselben kleiner (Fig. 18), dann werden 
nur die Knospen angelegt, ohne sich zu entfalten, schliesslich 
unterbleibt auch die Anlage der Knospen. Am empfindlichsten 
gegen Lichtmangel ist die Krone, am wenigsten empfindlich 
sind die Pistille und Staubgefässe. Bei dem genannten Mimulus 
treten bei zu geringer Beleuchtung an Stelle der Blüthen 
vegetative Sprosse auf, die sonst in dieser Region des Sprosses 
nicht entstehen würden. 

Wir sehen dann ferner, dass die Zeit des täglichen Licht- 
genusses von Bedeutung ist, indem Exemplare einer Pflanze, 
die täglich I4 Stunden beleuchtet werden, reichlich blühen, 
während andere Exemplare derselben Pflanzenart, täglich nur 
7 Stunden beleuchtet, keine Blüthen ansetzen (nach Sachs). 
In anderen Fällen wird durch Lichtentziehung eine Ver- 
zögerung des Blühens bewirkt und so findet Decandolle, 

dass die Gartenkresse im Schatten ı Tag später 

„  Iberis amara 3, S 8. Tape len 
„ der Lein = & TA ” 
als am Licht blüht. 

Sehr merkwürdige Erfolge in Hinsicht der Blüthenbildung 
erhält man, wenn man Pflanzen oder Pflanzentheile in einen voll- 
ständig dunkeln Raum bringt. Wenn man Pflanzen, die erst 
später an ihren oberen Verzweigungen Blüthen entwickeln, ganz 
im Dunkeln aus Samen, Knollen, Zwiebeln oder dergl. zieht, 
so gelingt es kaum, sie bis zum Blühen zu bringen, schon 
desshalb, weil ihr Wachsthum, das nur auf Kosten des in dem 
Samen oder der Knolle enthaltenen Reservematerials und des 
aufgenommenen Wassers erfolgt, ein sehr beschränktes‘ ist. 
Trotzdem erhielt Sachs an vollständig etiolirten, dem Tages- 
licht niemals ausgesetzten Keimpflanzen von Phaseolus vul- 
garis, Vicia Faba und Cucurbita Pepo die ersten Anfänge der 
Blüthenknospenbildung, doch deutlich genug, um nicht verkannt 


I 
zu werden. Wenn man dagegen die Zwiebeln und Knollen von 
Pflanzen, wie Tulpen, Iris, Hyacinthen, Crocus u.a, 
bei denen die Blüthen bereits sehr weit entwickelt sind, bevor 
die Pflanzen austreiben !) (Fig. 19), im 
Dunkeln zieht, so entfalten sich die 
Blüthen vollständig normal, obgleich 
die ganz etiolirten Blätter beweisen, 
dass kein Licht zu den Pflanzen ge- 
drungen ist. 

Die Tulpen und Crocus erzeugen 
nach Sachs auch die Farben der Blüthen 
unter diesen Umständen in voller Pracht, 


während blaublühende Hyacinthen Fig. 19. Längsschnitt 
durch eine Zwiebel von 


% : x Galanthus nivalis im Oc- 
normaler Grösse aber in blasserer Fär- ober mit der jungen 


bung produciren. Was die Pflanzen Blüthe im Innern. (N.d. 
betrifft, bei denen die Blüthen erst N 
später an den oberirdischen Organen angelegt werden, so 


nach Askenasy die Blüthen zwar in 


kommt es darauf an, zu welcher Zeit_ihnen das Licht 'ent- 
zogen wird. „Bei Brassica, Tropaeolum, Papaver, Cucurbita 
u. a. wird die Blüthenknospe unter der verdunkelnden Um- 
hüllung der umgebenden Blätter angelegt, sie tritt aber, wenn 
sie noch sehr klein und wenig ausgebildet ist, schon frühzeitig 
an das Tageslicht frei hervor, um hier langsam heranzuwachsen 
und sich endlich unter seinem Einfluss zu entfalten. Die in 
das Finstere gestellten Pflanzen dieser Abtheilung zeigen, dass 
die Blüthenknospen nicht zur Entfaltung gelangen, wenn sie 
in zu früher Jugend dem Lichte entzogen werden; dagegen 
erfolgt ihr Aufblühen und ihre normale Färbung auch im 


1) Macht man im October einen Längsschnitt durch die aus der Erde 
geholte Zwiebel von Galanthus nivalis, so sieht man in ihr schon die 
ganze Blüthe, deren einzelne Theile, besonders die grossen gelben Antheren, 
sich gut unterscheiden lassen. (Fig. 19.) 


fe: 


—. MIT 


Finstern, wenn sie vorher einen mehr oder minder hohen Grad 
der Ausbildung unter dem Einfluss des Tageslichtes erreicht 
haben“ !). Noch merkwürdiger sind die Erscheinungen, welche 
eintreten, wenn man von einer Pflanze, die am Licht wächst, 
einen Spross, der auch unter normalen Verhältnissen Blüthen 
entwickeln würde, in einen dunklen Raum einführt. Dann 
bildet derselbe seine Blätter in etwas geringerer Grösse und 
in blassgelber Färbung aus, die Blüthen aber producirt er 
ganz normal, in derselben Grösse und meistens auch in der- 
selben Farbe, wie die am Lichte entstehenden.’ Die Blüthen 
im dunkeln Raum entwickeln auch functionsfähige Geschlechts- 
organe, und es können aus ihnen, wenn nur für die Bestäubung 
richtig gesorgt wird, reife Früchte mit keimfähigen Samen 
entstehen. Das Material aber für die Ausbildung der Blüthen 
und Früchte in dem dunkeln Raume wird von den nicht- 
verdunkelten Theilen unter dem Einfluss des Lichtes produ- 
cirt und in die verdunkelten Theile geleitet. Es findet in dem 
dunkeln Raum nicht nur eine normale Entfaltung auch der 
kleinsten in ihn eingeführten Blüthenknospen statt, sondern „in 
einzelnen Fällen (Cucurbita, Petunia) sind die zuletzt im Finstern 
entwickelten Blüthen bestimmt auch erst im Finstern durch 
Neubildung entstanden, bei Cucurbita scheint es sogar, als ob 
die Neubildung von Blüthenknospen durch Finsterniss geradezu 
begünstigt würde.“ (Sachs, l. c. p. 235.) 

Zur Erklärung dieser Erscheinungen hat Sachs eine Theorie 
aufgestellt‚welchenicht nur diese, sondern auchandere Vorgänge?) 


1) Sachs, Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphysiologie, Bd. I, 
p. 208. An Axalea dahuriea beobachtete ich, dass ein grosses, in einem 
Kübel wachsendes Exemplar, dass in dem halbdunkeln Vorraum des Ge- 
wächshauses stand, Blüthen von derselben Grösse, aber nur etwa halb so 
intensiver, rother Farbe bildete, als ein im Freien wachsendes Exemplar. 

2) Von solchen möchte ich besonders hervorheben denjenigen, welchen 
Sachs in seiner I. physiologischen Notiz (Flora 1892, p. 1) behandelt. Die 
Sachs’sche Theorie wurde von mir auch schon oben zu Grunde gelegt, 
wo es sich um die Periodicität im Blühen der Holzgewächse handelte. 


NO 


dem Verständniss näher bringt und die deshalb sehr annehm- 
bar erscheint. Nach seiner Anschauung nämlich entstehen 
aus den Assimilationsproducten zunächst blüthenbildende, spross- 
bildende und wurzelbildende Stoffe, welche sich nach den 
betreffenden Orten hinbegeben, wo den Wachsthumsgesetzen der 
Pflanze gemäss Blüthen, Sprosse oder Wurzeln entstehen 
sollen. Wie für jede Pflanze eine gewisse Lichtintensität noth- 
wendig ist, um die Kohlensäure zu assimiliren, so ist auch 
eine gewisse nnd zwar höhere Lichtintensität nothwendig, 
um blüthenbildende Stoffe zu producieren, während spross- 
und wurzelbildende Stofte zu ihrer Entstehung keiner so 
hohen Lichtintensität bedürfen. Bei genügender, also hoher 
Lichtintensität werden nun von den Blättern die blüthenbilden- 
den Stoffe in genügendem Maasse producirt und aus diesen 
Stoffen können auch ohne weiteren Lichtreiz die Blüthen sich 
aufbauen, wie die im Innern von Zwiebeln und Knollen ange- 
legten oder die an dem in einen dunkeln Raum geleiteten 
Zweige entstehenden. Ist die Beleuchtung um ein weniges 
zu schwach, so werden nicht genug blüthenbildende Stoffe 
producirt und desswegen bleiben die Blüthen klein, wie bei 
Malva und Mimulus in den erwähnten Versuchen von Vöch- 
ting; ist schliesslich die Beleuchtung überhaupt nicht stark 
genug zur Erzeugung blüthenbildender Stoffe, so können 
Blüthen nicht einmal angelegt werden, vorausgesetzt, dass auch 
von früher her kein blüthenbildender Stoff mehr in der Pflanze 
ist. Vielleicht wird aber selbst den Samen etwas dieses Stoffes 
von der Mutterpflanze mitgegeben und daraus würde sich die 
Anlage der Blüthenknospen an etiolirten Keimpflanzen erklären. 

Diese Theorie schliesst nicht aus, dass es in gewissen 
Fällen auch zur Ausbildung und Entfaltung der Blüthen in 
normaler Gestalt und Farbe noch des Lichtreizes bedarf, was 
je nach den Pflanzenarten wieder in verschiedenem Grade der 
Fall sein wird. So könnte es wohl eintreten, dass trotz des 


u 10 R—— 


Vorhandenseins von blüthenbildenden Stoffen die Blüthe selbst 
nicht richtig zur Entwicklung kommen kann. Denn das Licht 
hat im Allgemeinen einen bestimmten Einfluss sowohl auf die 
Neubildung, als auch auf das Wachsthum und die Entfaltung 
der pflanzlichen Organe. 

Wir haben bisher von dem Sonnenlicht im Allgemeinen 
und von dessen grösserer und geringerer Intensität gesprochen. 
Das Sonnenlicht ist aber bekanntlich kein einfaches Licht, 
sondern setzt sich aus verschiedenen Farben zusammen, die 
wir theils im Sonnenspectrum sehen, die aber theils auch für 
unser Auge unsichtbar sind und nur aus ihren thermischen 
und chemischen Wirkungen wahrgenommen werden. Wenn 
nun auch unter natürlichen Verhältnissen die einzelnen Farben 
des Sonnenlichtes nicht gesondert in Wirkung treten, so liegt 
doch die Frage nahe, ob sie alle von gleicher Bedeutung für 
die Blüthenbildung sind. Dies konnte bezweifelt werden, seit- 
dem man weiss, dass für die Kohlensäureverarbeitung einerseits, 
für die vom Licht abhängigen Bewegungserscheinungen anderer- 
seits, ganz verschiedene Farben des Sonnenlichtes maassgebend 
sind. Wirklich hat sich auch das interessante Resultat er- 
geben, dass die Blüthenbildung nur von gewissen Lichtstrahlen 
abhängt und zwar von denen, die, für unser Auge unsichtbar, 
aus ihren chemischen Wirkungen erkannt werden. Sie liegen 
ausserhalb des violetten Theils des Sonnenspectrums und 
werden deshalb ultraviolette Strahlen genannt. Sie haben die 
Eigenthümlichkeit, von einer Lösung von schwefelsauerem Chinin 
in Wasser, durch welche man das Sonnenlicht scheinen lässt, 
absorbirt zu werden, während alle anderen Lichtstrahlen unge- 
hindert passiren. Für unser Auge ist natürlich kein Unter- 
schied, ob man durch jene Lösung oder durch eine Schicht 
reinen Wassers sieht: die Helligkeit ist in beiden Fällen die 
gleiche. Lässt man aber Pflanzen hinter jener Lösung wachsen, 
sodass sie kein anderes Licht erhalten, als das die Lösung 


passirt hat, so kann man beobachten, welchen Einfluss das 
Fehlen der ultravioletten Strahlen auf die’ Entwicklung der 
Pflanzen hat. Diese von Sachs!) angestellten Versuche 
führten nun zu folgendem überraschenden Resultat: „Die 
hinter einer Wasserschicht gewachsenen Pflanzen (Kapuziner- 
kresse, Tropaeolum majus) erzeugten normale Blüthen; die 
hinter einer gleichdicken Schicht von schwefelsaurer Chinin- 
lösung wuchsen zwar anscheinend ebenso normal und kräftig; 
allein die Blüthenknospen blieben winzig klein und verdarben 
nach wenigen Tagen“. Weitere Versuche zeigten sogar, dass 
vielfach hinter Chininlösung nicht einmal Knospen angelegt 
wurden und während an 20 Pflanzen hinter Wasser 56 Blüthen 
entstanden, war von 26 Pflanzen hinter Chininlösung im Ganzen 
nur eine verkümmerte Blüthe hervorgebracht worden. 

Diese Sachs’schen Versuche wurden mit demselben Re- 
sultat wiederholt von C. Decandolle?), welcher als Ver- 
suchspflanzen ausser Tropaeolum auch Lobelia Erinus benutzte. 
Wir müssen daraus also schliessen, dass für die Blüthenbildung 
nicht das Sonnenlicht im Allgemeinen, sondern nur die ultra- 
violetten Strahlen desselben nothwendig sind. 

Da aber in Natur weder die ultravioletten Strahlen allein 
noch das übrige Licht ohne dieselben gesondert in Wirksam- 
keit tritt, so würden wir auch hieraus schliessen: ohne Licht 
keine Blüthenbildung. Dieser Satz wird, wie nochmals zu be- 
tonen, nicht umgestossen durch die im Dunkeln Blüthen 
treibenden Knollen und Zwiebeln, denn in ihnen hat das Licht 
vorher die Anregung zur Blüthenbildung erweckt. Wir müssen 
aber noch hinzufügen, dass das Licht in verschiedener Inten- 
sität je nach der Art der Pflanze zur Blüthenbildung noth- 


I) J. Sachs, Ueber die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die 
Blüthenbildung (Arbeiten aus dem bot. Institut in Würzburg, Bd. II, p. 
372—388). 

2) Archives des sciences physiques et naturelles. Gene&ve 1892. Per. III. 
T. XXVII. p. 265. 


— 4 — 


wendig ist, wie wir dies auch im Vorhergehenden zu zeigen 
versucht haben. 


Dabei haben wir den Einfluss des Lichtes als eines für sich 
allein wirkenden Factors betrachtet und es ist auch möglich, 
dies zu thun, obgleich in der Natur meistens mit der Zunahme 
der Beleuchtung auch eine Steigerung der Wärme verbunden 
ist. Diese ist nun ein anderes, für die Blüthenentwicklung sehr 
bedeutungsvolles Agens, wie ja überhaupt die meisten Lebens-, 
erscheinungen der Pflanze von der Wärme abhängig sind. Es 
ist bekannt, dass die einzelnen Phasen des Pflanzenwachsthums 
an bestimmte, innerhalb gewisser Grenzen liegende Tempera- 
turen gebunden sind, die je nach den betreffenden Pflanzen- 
arten verschieden sind. So erfolgt die Keimung nur, wenn 
ein bestimmter Wärmegrad erreicht ist, und wenn die Pflanze 
sich weiter entwickeln und zur Blüthe gelangen soll, so muss 
die Temperatur noch über die zum Keimen nothwendige er- 
höht werden. Im Allgemeinen kann man sagen, dass eine 
Pflanze ihre Entwicklung von der Keimung oder überhaupt 
von der Entfaltung ihrer Organe an bis zur Blüthe und Frucht- 
reife um so schneller durchläuft, je mehr Wärme ihr in be- 
stimmter Zeit geboten wird. 


So sehen wir besonders bei einjährigen Gewächsen, die in 
Mitteleuropa im Sommer blühen, dass sie in südlichen Gegenden 
ihre Blüthen schon im Frühling entfalten!). Es ist ebenso be- 
kannt, dass die Treiberei der Gärtner darauf beruht, dass sie 
den Pflanzen in erwärmten Treibhäusern eine höhere Temperatur 
bieten, als sie gewohnt sind, und sie dadurch zu verfrühtem 
Blühen bringen. Es könnten viele Beispiele angeführt werden 
für die Verschiebung der Blüthezeit durch Vermehrung oder 
Verminderung der Wärmemengen in bestimmter Zeit über das 


I) Hildebrand,l. c. p. 104. 


gewohnte Maass!). Dies lässt sich besonders beobachten, wenn 
wir das Verhalten derselben Pflanze in Ländern mit ver- 
schiedenem Klima vergleichen. 

Wir beobachten ferner, dass einige Pflanzen, welche aus 
der gemässigten Zone stammen, aber in einem Lande von sub- 
tropischem oder tropischem Klima gezogen werden, fast das 
ganze Jahr hindurch Blüthen tragen, wie es Fritz Müller‘) 
für Erdbeeren, Veilchen und Vergissmeinnicht in Bra- 
silien, v. Humboldt?) für die Reben in Cumana (Venezuela) 
angibt. Auch in Chartum (Aegypten) kann man Rebstöcke sehen, 
welche das ganze Jahr hindurch Blüthen und Früchte tragen. 
Selbst sehr geringe klimatische Unterschiede können bewirken, 
dass die Blüthezeit der Pflanzen eine beschränkte oder ausge- 
dehntere ist, wie aus einer Beobachtung von Bates*) hervor- 
geht, nach welcher manche Bäume, die bei Para und Santarem 
am unteren Amazonenstrom nur einmal im Jahre blühen, bei 
Ega am oberen Amazonenstrom das ganze Jahr hindurch Blüthen 
und Früchte tragen. Ueberhaupt sind Pflanzen, die fast in 
allen Monaten des Jahres blühen, in tropischen Ländern mit 
gleichmässigem Klima nicht selten und Fritz Müller (l. c.) 
erwähnt für Brasilien von solchen ARicinus, Musa, Abutilon, 
Asclepias curassavica u. a. In unseren Breiten kann durch 
grössere Wärme wenigstens ein zweimaliges Blühen hervor- 
gerufen werden, indem nämlich, nachdem die erste Blüthe im 
Frühling: normal verlaufen ist, der Sommer einen ausnahmsweise 
grossen Wärmeüberschuss liefert und dadurch die angelegten, 
aber eigentlich für das nächste Jahr bestimmten Blüthenknospen 


I) Vergl. hierzu den Aufsatz von Askenasy über die jährliche Periode 
der Knospen, in: Botanische Zeitung, 1877, p. 793 ft. 

2) Engler’s botan. Jahrbücher, Bd. II, p. 392 und 394. 

3) Nach G. Jacob, Untersuchungen über zweites oder wiederholtes 
Blühen. Inaug.-Diss. Giessen 1889, p. 33. Daselbst findet sich auch die 
Angabe über die Rebstöcke in Chartum. 


4) 1. c., p. 275. 


= Mob. ı— 


noch in demselben Jahre zur Entfaltung bringt. Dass hierbei 
die abnorme Wärme wirklich der maassgebende Factor sei, 
glaubt Jacob in seiner oben citirten Dissertation an mehr als 
50 Beispielen nachweisen zu können, denn bei allen ist ein, 
zum Theil recht bedeutender, Wärmeüberschuss zu verzeichnen. 
Es möge hier genügen, das dort!) als neuntes angeführte Bei- 
spiel zu citiren, wobei nur zu bemerken ist, dass sich die 
Beobachtungen auf Giessen beziehen: Centaurea Cyanus blühte 
1883 zum ersten Male am 26. April, zum zweiten Male am 
22. Oktober; nach dem Mittel aus 26 Jahren fällt ihre Blüthe 
auf den 31. Mai. Es ergibt sich nun: 


Insolations-Summe vom I. I. bis 26. IV. 1883 — Ib’ 
2 £ » »n.» 31V. (im Mittel) —2604 0 
aa x a a FAST ESR — 768172 
* = 2-2» nn... (Im Mittel) Zaren | 


Wärmeüberschus + 611°’ C. 


Im Gegensatz zu diesem doppelten Blühen in Folge von 
erhöhter Wärme steht das gänzliche Ausbleiben der Blüthe in 
einzelnen Jahren, in denen die zur Blüthenbildung nothwendige 
- Temperatur nicht erreicht wird. Wenn auch die Insolations- 
Summen kein ganz richtiges Bild von der in einem gewissen 
Zeitraume herrschenden Temperatur geben, so sollen doch auch 
hier noch zwei Beispiele aus der Abhandlung von Jacob citirt 
werden, weil sie die Verhältnisse in durch Zahlen fassbarer 
Weise darstellen. Die Beobachtungen beziehen sich wieder auf 
Giessen. „Crocus sativus blüht im Mittel von 16 Jahren am 
ı2. Oktober. Im Jahre 1866 kam er nicht zum Blühen wegen 
der ungenügenden Insolations-Summe. Es betrug nämlich: 


ı) l. c., p. 22. Die Insolations-Summe (d. h. die eingestrahlte Wärme- 
summe) wird ermittelt durch Summirung der täglich höchsten Stände eines 
der Sonne bleibend ausgesetzten Quecksilberthermometers vom I. Jan. ab 
bis zum Eintritt einer bestimmten Phase. (Anm. l. c., p. 7.) 


Insolations-Summe vom 1. I. bis I2. X. 1866 —=67255.%C 
„ ” DR} ,) 3) „) ” „) (im Mittel) —= 6896 C 
Es fehlten also noch 173% G: 


„1867 hat Helianthus tuberosus, der im Mittel von 8 Jahren 
am II. Oktober blüht, nicht geblüht: 


Insolations-Summe vom 1. I. bis It. X. 1867 =—=0704.NE 
” ” ab] ) ” ’) „ ”„ (im Mittel) TE 6875 R C 
Es fehlten also noch BALNACH 


Es sind nun Crocus sativus und Helianthus tuberosus 
Pflanzen, welche aus wärmeren Ländern stammen, und bei 
solchen kann das Blühen in dem kälteren Lande, in welchem 
sie cultivirt werden, häufig aus Mangel an Wärme unterbleiben. 
Man sieht dies z. B. an dem aus dem heissen Mexiko stammenden 
und dort, wie in manchen anderen tropischen Ländern, als 
Futterpflanze angebautem Gras, Euchlaena mexicana, das selbst 
im südlichen Europa selten blüht !). 

Ferner findet man bei Pflanzen mit einem grossen natür- 
lichen Verbreitungsgebiete, dass sie in der wärmeren Region 
desselben früher und leichter blühen, als in der kälteren, ja bei 
einigen, dass sie in der wärmeren Region allein blühen, in der 
kälteren dagegen keine Blüthen treiben. Sie können sich 
desshalb hier auch nicht durch Samen fortpflanzen und sind 
auf die Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege (durch Ab- 
leger u. s. w.) angewiesen. So blühen die Lemnaceen mit 
reichlicher ungeschlechtlicher Vermehrung in der gemässigten 
Zone selten und Wolfia arrhiza gelangt in Mitteleuropa nie zur 
Blüthe, wohl aber in den wärmeren Gegenden, wo sie auch 
weit verbreitet ist?). Andere hierher gehörige Beispiele führt 
Kerner in seinem „Pflanzenleben‘“ an (Bd. II, p. 449): Nar- 
dosmia fragrans, eine Composite, ist über den grössten Theil 


D.Cont. Hackelin: Engler und Prantl, p: 19. 
2) Engler, Lemnaceen in: Engler und Prantl, p. 159. 


— 108 — 


des arktischen Gebietes verbreitet, aber nur an der Südgrenze 
dieses Gebietes treibt sie Blüthen und Früchte, während sie 
weiter nordwärts „noch keines Menschen Auge jemals blühen 
gesehen hat“. Aehnlich ist es mit gewissen Pflanzen, welche 
hoch hinauf in die Gebirge gehen, wie Adenostylis Cacaliae 
(ebenfalls eine Composite) in den Alpen. In den Voralpen- 
wäldern und selbst noch über der Waldgrenze blüht die Pflanze 
in Menge, in der alpinen Region dagegen, in der Seehöhe über 
2200 Meter kommt sie niemals zur Blüthenbildung. Polygonum 
amphibium blüht in den Niederungen reichlich, wurde aber in 
der Höhe von 1200 Metern in den Tiroler Bergen in einer Form 
gefunden, die sich nur durch Stocksprosse vermehrt. Also 
auch hier findet eine Unterdrückung der Blüthenbildung durch 
die in der Höhe vorhandene Temperaturerniedrigung statt. 
Gerade an den genannten Gebirgspflanzen wie an den ark- 
tischen zeigt es sich deutlich, dass es der Mangel an Wärme 
und nicht an Licht oder einem anderen Umstand ist, der das 
Blühen verhindert. 


Um so auffallender ist die Erscheinung, dass höhere Wärme 
auch ein Unterdrücken der Blüthenbildung bewirken kann, wie 
sich an Pflanzen zeigt, die aus einem kälteren in ein wärmeres 
Klima versetzt werden. Dies geben Edwards und Colin!) 
für die Cerealien, speciellden Weizen an. Eine Weizenart, 
welche sich in England ein- und zweijährig ziehen liess, wurde 
in das wärmere Frankreich verpflanzt und blieb hier im ersten 
Jahre nach dem Keimen immer ohne Blüthe; erst im zweiten 
Jahre trat Blüthenbildung ein. Die genannten Autoren citiren 
auch in diesem Sinne die Angabe von Humboldt?), dass in 
der tropischen Region Mexikos, bei Jalapa, der Weizen immer 


ı) Annales des sciences naturelles. Botanique, Il. Ser., T. 5, p. 5—23. 
2) Diese Angabe von Humbtoldt findet sich in seinem Werke über 
Neuspanien (neueste Cotta’sche Ausgabe) Bd. X, p. 36. 


nur Blätter, niemals Aehren treibt und deshalb dort nur als 
Grünfutter verwendet werden kann. 

Auch Babinct!) (1856) hat diese Erscheinung beobachtet 
und sagt: „In den wärmeren Ländern Afrikas, Asiens und 
Amerikas, wo kein Winter die Cerealien tödtet, lebt ihre Pflanze 
so fort, wie bei uns das Gras: sie vermehrt sich durch Schöss- 
linge, bleibt stets grün und bildet weder Aehren noch Samen.“ 
Ferner schreibt Fritz Müller?) aus Brasilien, dass die meisten 
zweijährigen Pflanzen kälterer Länder dort zwar üppig ins 
Kraut gehen, aber niemals blühen. Er hat Echium vulgare 
aus Samen gezogen und die Pflanzen Io Jahre lang erhalten, 
ohne dass sie blühten. Ebenso trugen Kümmel, Kohl, 
Rüben, Petersilie u. s. w., aus europäischem Samen ge- 
zogen, kaum jemals Blüthen; auch Sellerie, sagt er, scheint nie 
zu blühen. Die Ursache davon liegt nach F. Müller in dem 
Fehlen einer Winterruhe, doch ist es wohl weniger die Winter- 
ruhe als die niedere Temperatur, deren Fehlen den Blüthen- 
ansatz verhindert, wie weiter unten noch zu erläutern ist. Hin- 
gegen sehen wir die Bedeutung der Erscheinung für das 
Pflanzenleben ganz gut ein. Wir können sagen, dass die 
Pflanze in ihrer Heimath am Ende ihrer zweijährigen Lebens- 
dauer blüht, um Samen anzusetzen und damit die Art zu er- 
halten, dass aber in den heissen Ländern die Existenz des In- 
dividuums durch keine Winterkälte gefährdet wird und damit 
die Erhaltung der Art durch die lebenden Individuen gesichert 
scheint. Die Pflanze hat sich aber den veränderten Verhält- 
nissen noch nicht vollkommen angepasst, denn nach einer 
längeren Reihe von Jahren gehen die Individuen doch zu 
Grunde ohne für Ersatz gesorgt zu haben. 

Es beruht also weniger auf der erhöhten Temperatur als 


I) Citirt von Schopenhauer in dessen „Willen in der Natur“ im 
Kapitel „Pflanzenphysiologie“. 
2)rL c., p. 39. 


— ‚5,140, 


vielmehr auf der Gleichmässigkeit derselben während des ganzen 
Jahres, dass manche europäische Pflanzen in den Tropen nicht 
zur Blüthe kommen, besonders wenn zu dieser ununterbrochenen 
Wärme noch eine immer genügende Feuchtigkeit der Luft und 
des Bodens hinzukommt. Bekannt ist dies auch für die euro- 
päischen Obstbäume, die gewohnt sind, zu bestimmter Zeit ihre 
Blätter zu entfalten und zu bestimmter Zeit ihre Blüthen an- 
zulegen, welche Perioden durch die Unterschiede der Jahres- 
zeiten regulirt werden. In die Tropen!) versetzt, bilden sie 
aber unter dem Einfluss der gleichmässigen Wärme und Feuchtig- 
keit immer neue Laubtriebe aus und es bleibt keine Zeit für 
die Blüthenanlage. Boulger?) spricht von Obstbäumen im 
Allgemeinen und sagt: „When the fruittrees of northern climates 
are transported to more tropical ones, when in a rich, moist 
sol, or in a mild, moist atmosphere, their continous growth 
prevents blossoming.‘“‘ Ebenso ist es wohl auch zu verstehen. 
wenn De Candolle?) sagt: „On sait combien la culture de 
nos Pommiers, Poiriers, Cerisiers etc. devient languissante 
vers le Midi et s’arröte ä l’approche de pays voisins des tropi- 
ques“ und dann „Transports a Ceylon les Cerisiers ne perdent 
pas leurs feuilles“. Humboldt bemerkt in dieser Hinsicht: 
„Es ist sehr auffallend, wie gewisse Pflanzen bei dem kräftigsten 
Wuchse in gewissen Lokalitäten nicht blühen; so zwischen 
den Tropen die bei Quito seit Jahrhunderten angepflanzten 
europäischen Oelbäume (9000 Fuss hoch über dem Meere); 
so auf lle de France Wallnüsse, Haselnusssträucher 
und wiederum schöne Oelbäume (Ölea europaea)“*). Wenn 


ı) Auf Madeira dagegen, wo die Birnbäume noch kein tropisches 
aber doch ein bedeutend wärmeres Klima als in ihrer Heimat finden, sollen 
sie an manchen Oertlichkeiten jährlich zweimal blühen und Früchte tragen. 
(Diss. v. Jacob, p. 28.) 

2) Gardener’s Chronicle, 1878, I, p. 790. 

3) Geographie botanique raisonn&e, Bd. I, p. 391 u. 392. 

4) In Anmerkungen zu: Ansichten der Natur (neueste Cotta’sche 
Ausgabe), Bd. XI, p. 267. 


— IE 


hier auch die Ursache der Erscheinung nicht erörtert wird, so 
ist doch kein Zweifel, dass das gleichmässige feuchtwarme Klima, 
wie es besonders auf Mauritius herrscht, in der oben ange- 
gebenen Weise die Blüthenbildung verhindert. 

Wir haben also in diesem Falle auch schon die Feuchtig- 
keit berücksichtigen müssen, als einen Umstand, der die Aus- 
bildung der vegetativen Triebe einer Pflanze ebenso sehr be- 
fördert, wie er das Blühen hemmt. Auf diese Verhältnisse werden 
wir sogleich noch näher einzugehen haben. Es ist hier bloss 
noch, was die Wärme betrifft, darauf aufmerksam zu machen, 
dass eine plötzliche Erhöhung der Temperatur vor dem Blühen 
in der Regel störend auf die Entwicklung der Pflanze und 
somit auch auf die Ausbildung der Blüthe einwirkt. So etwas 
kann in der Natur zuweilen auftreten, wird aber besonders bei 
der künstlichen Pflanzenzucht beobachtet. Man pflegt bekannt- 
lich viele Pflanzen, um ihre Blüthen eher zu haben, als sie die- 
selben in der Natur entwickeln, im Gewächshaus durch Wärme 
anzutreiben; aber hier kann es geschehen, dass, wenn die 
Temperatur mit einem Male zu schnell erhöht wird, die bereits 
angelegten Blüthen sich nicht entwickeln. Ein solches Stecken- 
bleiben der Blüthen ist beobachtet worden bei Tulpen, 
Hisaeinthen, Crocus, Convallarien, Syringen!). 
Es ist schwer zu sagen, warum die zu starke Temperatur- 
erhöhung hemmend auf die Blüthenentfaltung wirkt, es steht 
zwar in Einklang mit den Beobachtungen, welche oben mit- 
getheilt wurden über das Unterbleiben der Blüthe bei aus nörd- 
lichen Gegenden stammenden und in tropische Regionen ver- 
setzten Pflanzen, es widerspricht aber den anderen Beobach- 
tungen, welche gerade unter solchen Verhältnissen eine erhöhte 
oder häufiger wiederholte Blütbenbildung ergeben. Sachs hat 
die Frage in seiner Abhandlung über die Abhängigkeit der 


ı) Hildebrand,l.c. p. 96. 


— AD 


Keimung von der Temperatur !) mit berücksichtigt und glaubt 
annehmen zu müssen, dass für den Eintritt der Blüthenperiode 
eine Verminderung des Temperaturmaximums der Vegetation 
nöthig sei, oder dass der Eintritt der Blüthe und Fruchtbildung 
nicht erfolgt, wenn die Temperatur ein Maximum übersteigt, 
welches niedriger liegt als das für die eigentlichen Vegetations- 
processe, für Stamm- und Blattbildung. 

„Wenn wir den Keimungsprocess, die Bildung der Blätter, 
das Blühen und das Reifen der Früchte in Bezug auf die 
Temperatur derjenigen Zeiten, wo diese Processe im Freien ge- 
wöhnlich eintreten, betrachten, so kommt man zu einer physio- 
logisch merkwürdigen Folgerung. Es zeigt sich, dass das 
Keimen und die Blüthenentfaltung sehr häufig bei niederen 
Temperaturen eintreten, die völlige Ausbildung der Blätter und 
der Früchte aber fast immer an höhere Temperaturen gebunden 
erscheint. Dieser Unterschied fällt freilich ganz hinweg bei 
solchen Pflanzen, wo die Blüthen einzeln und nach und nach 
neben der Blattbildung auftreten. Wo dagegen ein abge- 
schlossener Blüthenstand nach vollendeter Blattbildung sich 
rasch entfaltet, da lässt sich im gewöhnlichen Laufe der Dinge 
eine gewisse Beziehung zu der Temperatur kaum verkennen.“ 

Wie Sachs selbst später hinzufügt, bedarf es neuer, sehr 
ausgedehnter Untersuchungen zur Lösung der hier sich auf- 
thuenden Probleme. Wir müssen uns begnügen, die Wirkungen 
der Temperatursteigerung und -verminderung auf die Blüthen- 
bildung, soweit zuverlässige Beobachtungen darüber vorliegen, 
hier zusammenzustellen. So haben wir denn gesehen, dass ein 
gewisses Wärmemaass für das Blühen nothwendig ist, dass eine 
Pflanze ebenso das Blühen unterlässt, wenn sie in zu kaltem 
Klima wächst, wie eine andere, wenn sie in ein zu heisses 
Klima versetzt wird. In beiden Fällen kommen aber ver- 


I) Gesammelte Abhandlungen etc., Bd. I, p. 75 u. 76. 


schiedene correlative Wachstumsverhältnisse mit ins Spiel. 
Auch den mit dem Einfluss der Temperatur Hand in Hand 
gehenden Einfluss der Feuchtigkeit auf das Blühen haben wir 
theilweise nicht ganz ausser Acht lassen können. 

Wir wollen jetzt versuchen, den letzteren möglichst für sich 
zu betrachten, denn gerade dieser Umstand, die grössere oder 
geringere Feuchtigkeit scheint sehr wesentlich für das 
Blühen zu sein und zwar in dem Sinne, dass es durch ver- 
minderte Zufuhr von Feuchtigkeit zu der Pflanze begünstigt 
wird. Wir können dies sowohl aus den von der Natur ge- 
botenen Verhältnissen entnehmen, als auch aus den Methoden, 
welche die Pflanzenzüchter anwenden, um die Pflanzen zur 
Blüthenproduction zu veranlassen. 

Trockenheit und Feuchtigkeit verhalten sich in ihrer Wir- 
kung auf die Entwicklung der Pflanze ähnlich wie starke und 
schwache Beleuchtung: bei starker Beleuchtung und Trocken- 
heit findet eine erhöhte Blüthenproduction auf Kosten der 
Laubbildung statt, bei schwacher Beleuchtung und Feuchtig- 
keit entwickeln sich die Laubtriebe stärker und die Blüthen- 
bildung wird unterdrückt. Der Zusammenhang dieser Fr- 
scheinung ist auch hier nicht näher erklärt. Man kann wohl, 
wie es Sorauer!) thut, darauf hinweisen, dass bei der Laub- 
triebbildung meist ein stärkeres Längenwachsthum eintreten 
muss, und dass zur Streckung der Organe mehr Wasser auf- 
genommen werden muss, allein dies scheint doch nicht zuzu- 
treffen, wo grosse, schnellwachsende Blüthen an Stelle ge- 
drungener Laubsprosse producirt werden, wie z. B. bei Cac- 
teen. Wenn ferner Sorauer sagt, dass bei andauernder 
Trockenheit das plastische Material gleichsam concentrirter 
wird und sich reichlicher in Form von Reservestoffen nieder- 
schlägt, die zur Ausbildung von Blüthenknospen nothwendig 


ı) Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl., ı. Theil, p. 161. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 8 


sind, so ist damit nicht erklärt, warum die Reservestoffe gerade 
zur Ausbildung von Blüthenknospen und nicht zu der von 
Laubknospen verwendet werden, indem doch letztere eigent- 
lich mehr Material erfordern. Indessen bleibt es richtig, dass 
die Trockenheit auf das Blühen eine fördernde Wirkung hat 
und in vielen Fällen sehen wir auch den Nutzen dieser Er- 
scheinung für das Leben der Pflanze und die Erhaltung der 
Art ein. 

Es könnte nun vielleicht Jemand erwarten, wenn grössere 
Feuchtigkeit das Blühen hindert, dass dann die im Wasser 
wachsenden Pflanzen am wenigsten in der Lage sein müssten, 
zum Blühen zu gelangen. Allein die eigentlichen Wasserge- 
wächse besitzen doch eine besondere Organisation, die dem 
Leben im Wasser angepasst ist, und es gibt viele solcher 
Pflanzen, die reichlich blühen, wie die betreffenden Ranunculus- 
(Batrachium)-Arten und die Nymphaeaceen. Dass dagegen 
andere selten blühen, hängt damit zusammen, dass bei ihnen 
die geschlechtliche Vermehrung mehr oder weniger durch die 
Bildung ungeschlechtlicher Propagationsorgane zurückgedrängt 
wird, wie wir es bei den meisten Lemnaceen,!) bei Zlodea ca- 
nadensis und Cymodocea antarctica finden. Die letztgenannten 
drei Pflanzen führt Kerner in seinem „Pflanzenleben“ (Bd. II, 
. p- 452) als Beispiele dafür an, dass durch zu hohen Wasser- 
stand die Blüthen- und also auch die Fruchtbildung der 
Wasserpflanzen gehindert werden kann, dass diese Pflanzen 
sich desswegen theilweise das Blühen abgewöhnt haben und 
sich dafür durch „Ableger“ vermehren. Er scheint dabei das 
ganz verschiedene Verhalten von Lemna, Elodea und Cymodocea 
vollständig übersehen zu haben: Lemna nämlich ist als auf der 


I) Ueber das Blühen von Lemna handelt eine Arbeit von L. Vuyck 
(Bot. Jaarboek der Dodonaea 1895). Früchte wurden darnach in Holland nur 
bei Lemna trisulca gefunden, bei den meisten Arten scheint, wenn es die 
Pflanze auch zur Blüthe bringt, nur selten eine Bestäubung stattzufinden. 


Oberfläche schwimmende Wasserpflanze vom Wasserstande gar 
nicht abhängig, ebensowenig dürfte es Cymodocea sein, weil 
die Befruchtung doch immer unter Wasser vor sich geht. 
Nur Elodea muss ihre Blüthenstiele oder Fruchtknoten bis an 
die Oberfläche des Wassers strecken und kann diese vielleicht 
manchmal nicht erreichen; ihre durch üppiges Wachsthum 
starke vegetative Vermehrung hängt aber wohl nicht damit 
zusammen. 

Wir wollen also von den eigentlichen Wasserpflanzen, auf 
die wir unten noch einmal zu sprechen kommen, hier absehen 
und vielmehr solche Pflanzen in Betracht ziehen, die theils 
an feuchten, theils an trockenen Standorten vorkommen. 
'„Dass die Feuchtigkeit eine die Blüthezeit retardirende Wir- 
kung auf die Pflanzen hat, können wir leicht bei unseren 
Culturen sehen, wo einestheils die gleichen Culturpflanzen sehr 
verschiedenzeitig ihre Früchte reifen, je nachdem sie an Stellen 
stehen, wo sie trockenem Luftzuge ausgesetzt sind, oder wo 
sie in stagnirender feuchter Luft wachsen; anderntheils be- 
merken wir auch in den verschiedenen Jahren das verschieden- 
zeitige Reifen der Früchte nicht so sehr durch niedere Tem- 
peratur, wie durch eine grössere Feuchtigkeit der Luft hervor- 
gebracht“!) So sollen sich auch nach dem eben citirten 
Autor durch die Feuchtigkeit des Standortes aus kurzlebigen 
Gewächsen langlebige ausbilden, indem sie „auf einem feuchten 
Boden bei sonst günstigen klimatischen Verhältnissen“ die 
erste Zeit ihres Lebens nur zum Vegetiren benutzen und 
gegen das Ende der Vegetationszeit nicht zum Blühen kommen, 
sondern Reservenahrung aufspeichern für den Anfang der 
nächsten Vegetationsperiode ?). | 

Was nun specielle Beobachtungen betrifft, so kann zunächst 
an das oben geschilderte Verhalten der Obstbäume aus 

lildebrand l.c., p. 08. 


2) Hildebrand l. c., p. 106-107. 
g*+ 


me 


Mitteleuropa erinnert werden, die in einem gleichmässig 
feuchten und warmen Klima nicht aufhören, Laubtriebe zu 
bilden und nicht dazu kommen, Blüthen anzulegen und zu 
entfalten. Ferner bemerken wir, dass in manchen Ländern, 
wo der Wechsel der Jahreszeiten wesentlich durch den Wechsel 
von Regen- und Trockenperioden bedingt ist, die Gewächse 
ihr Laub in der nassen, ihre Blüthen in der trockenen Periode 
entwickeln. Für den Sudan, der ein entsprechendes Klima 
hat, gibt Grisebach!) an, dass die Bäume ihre Blüthen 
meist am Ende der trockenen Periode vor den Blättern ent- 
falten, welche erst nach dem Beginn der Regenzeit aus den 
Knospen hervorkommen. In Australien dagegen sollen die 
Bäume des Scrub und der Waldsavannen die nasse Jahreszeit 
vorzüglich zum Wachsthum der vegetativen Organe verwenden 
und die meisten erst dann blühen, nachdem der Regen vorüber 
ist?). Hier handeit es sich also nur um die durch die Feuch- 
tigkeit bedingte Blüthezeit, nicht um das Blühen oder Unter- 
bleiben desselben überhaupt. Dass aber das Erscheinen der 
Blüthen überhaupt erst durch eine gewisse Trockenheit hervor- 
gerufen werden kann, geht aus den Beobachtungen von War- 
ming°) in der Gegend von Lagoa Santa bei Rio de Janeiro 
hervor. Es ist ihm aufgefallen, dass viele Pflanzen auf den, 
OQueimadas genannten, von den Indianern abgesengten Campos 
mit Vorliebe ihre Blüthen entwickeln, während sie auf den 
nicht verbrannten Campos nur selten zur Blüthe kommen. Im 
Anschluss an diese Erscheinung darf vielleicht eine Beobach- 
tung von G. Jacob erwähnt werden, die von ihm selbst aller- 
dings anders gedeutet wird. In seiner schon öfter citirten 
Dissertation berichtet er (p. 28), dass bei einer grossen Feuers- 
brunst in Heuchelheim bei Giessen die gewaltige Hitze eine 


I) Die Vegetation der Erde (1884), Bd. II, p. 113. 
2) Grisebachl. c. p. 206. 
3) Bot. Centralblatt., Bd. LIV, p. 120. 


— I7 — 


Menge von Bäumen in den nahe gelegenen Obstgärten ver- 
brannte oder verkohlte. „Manche waren völlig gedörrt oder 
geröstet, andere dagegen nur oberflächlich angesengt, je nach 
der Entfernung. Laub und Früchte schrumpften vielfach und 
fielen grösstentheils bald ab. Am 8. October wurden an 
mehreren versengten Birnbäumen zahlreiche und völlig ent- 
wickelte Blüthen beobachtet, theils an einzelnen Zweigen, theils 
ganze Aeste voll, oft neben grossen, schönen, vom Brande 
nicht verletzten Früchten; daneben waren schon viele junge 
Blätter in herrlichem Frühlingsgrün zu’ sehen und fast ganz 
ausgewachsen. Diese Erscheinung wurde, in Anbetracht des 
nichts weniger als warmen Herbstes, anderweitig in der Gegend 
nicht beobachtet.“ Verf. glaubt, dass dieser Fall über den be- 
fördernden Einfluss der Temperatur für sich allein auf das 
Phänomen des zweiten Blühens keinen Zweifel übrig lässt. 
Mir scheint aber gerade hierbei der Einfluss der Temperatur- 
erhöhung in seiner Wirkung sehr zweifelhaft, besonders wenn 
wir berücksichtigen, was oben (p. III) über den nachtheilgen 
Einfluss gesteigerter Wärme vor der Blüthenentfaltung auf 
diese gesagt worden ist; ich glaube desshalb vielmehr, dass es 
nur die Austrocknung der Pflanzen durch den Brand gewesen 
sein kann, durch die sie zum zweiten Blühen veranlasst wurden 
und möchte daher das Ereigniss als einen Beleg für den be- 
fördernden Einfluss der Trockenheit auf das Blühen ansehen. 

In dieser Hinsicht können wir ferner die Beobachtungen 
von Wollny!) über das Blühen der Kartoffeln anführen. 
Es ist von diesen Pflanzen bekannt, dass die in den gemässigten 
Zonen cultivirten Varietäten eine sehr beschränkte Blüthen- 
bildung haben. Die meisten Sorten kommen gar nicht zum 
Blühen, einzelne nur in manchen Jahren und nur einige wenige 
entwickeln öfter oder sogar regelmässig Blüthen und Früchte. 


ı) In Wollny’s „Forschungen auf dem Gebiete der Agriculturphysik“, 
Bd. X, 1888, p. 214—218. 


— 13 — 


In ihrem Vaterlande Chile dagegen bildet die Kartoffel, sowie 
die ihr verwandten Arten in jeder Vegetationsperiode Blüthen 
aus. Das Klima im Innern des nördlichen Chile, wo die Kar- 
toffel wildwachsend vorkommt, zeichnet sich aber durch grosse 
Trockenheit und geringe Bewölkung aus, während im mittleren 
Europa die Pflanze eine grössere Bodenfeuchtigkeit geniesst 
und durch die häufige Bewölkung des Himmels die Sonnen- 
strahlen die Luft nicht so austrocknen können. Werden aus- 
nahmsweise die klimatischen Verhältnisse hier den chilenischen 
ähnlich, d. h. tritt eine längere Trockenperiode und stärkere 
Insolation ein, so blühen auch hier viele Kartoffelvarietäten, 
die bei feuchter Witterung und schwächerer Beleuchtung nie- 
mals Blüthen entwickeln. Diese Erscheinung beobachtete 
Wollny besonders in den Jahren 1876, 1886 und 1887 in 
München, als die Niederschläge dort nur spärlich waren. Die 
Colocasie (Colocasia antiguorum), welche in den Tropen theil- 
weise die Kartoffel ersetzt, scheint auch nur an besonders 
trockenen Stellen zu blühen. Wenigstens berichtet Schacht), 
dass er von dieser Pflanze, deren Blüthe überhaupt zu den 
Seltenheiten gehört, nur einmal auf einem ziemlich trockenen 
Acker alle Stöcke in Blüthe fand. Im einen sumpfigen, hu- 
musreichen Boden, sagt er, scheint sie niemals zur Blüthe zu 
gelangen. 

Hier kann auch noch eine schon von Darwin?) citirte 
Stelle von Kalm angeführt werden: nach demselben sollen 
mehrere amerikanische Bäume, welche in Marschländern oder 
in dichten Wäldern so reichlich wachsen, dass sie sicher der- 
artigen Standorten gut angepasst sind, kaum jemals Samen 
produciren, wenn sie dagegen zufällig an dem Aussenrande 
des Marschlandes oder des Waldes wachsen, mit Samen 


I) Schacht, Madeira und Tenerifa mit ihrer Vegetation, p. 42. 
2) Variiren der Thiere und Pflanzen etc. Deutsch v. Carus. Stuttgart 
1873. "Bd, DL, P:.195. 


überladen sein. Es wird hier freilich nichts über das Blühen 
gesagt, aber es ist doch anzunehmen, dass die samenlosen 
Bäume auch nicht geblüht haben. Dieses würde dann eine 
Folge der Feuchtigkeit sein, die im Innern des Waldes oder 
inmitten "des Marschlandes herrscht, während am Rande die 
grössere Trockenheit das Blühen nicht hindern würde. 


Ferner haben wir schon oben gesehen, dass die mitteleuro- 
päischen Waldbäume erst spät zur Blüthe kommen und dass 
“ manche nicht alle Jahre blühen: auch dies hängt mehr oder 
weniger von Trockenheit und Wärme ab. 


In ersterer Hinsicht kann ich aus dem Frankfurter botani- 
schen Garten mittheilen, dass im Sommer 1893, der sammt dem 
Frühling dieses Jahres sich durch grosse Trockenheit aus- 
zeichnete und dem ein ebenfalls sehr trockener Sommer (1892) 
vorausgegangen war, folgende Holzgewächse zum ersten Male 
geblüht haben: Fraxinus Ornus, Rhus Cotinus, Cedrela sinensis, 
Sorbus domestica, Pterostyrax hispida (d. h. in den im Garten 
vorhandenen Einzelexemplaren, Sträuchern oder Bäumen). Es 
ist nun freilich nicht möglich nachzuweisen, dass diese Bäume 
und Sträucher noch nicht geblüht haben würden, wenn die 
Sommer 1892 und 1893 nicht so trocken und warm gewesen 
wären, allein es ist sehr wahrscheinlich, dass ihr erstmaliges 
Blühen auf die vorangegangene Trockenheit zurückzuführen ist, 
besonders da im Sommer 1893 manche andere Bäume ganz 
auffallend reich blühten, wie Koelreuteria paniculata, und 
Broussonetia papyrifera, andere, wie Sophora japonica fast einen 
Monat früher als sonst zur Blüthe gelangten. Aus seinem 
botanischen Garten in Middelburg (Holland) berichtet Herr 
Buijsman, dass Ferula Narthex (Asa foetida) im Frühjahr 
1896 zur Blüthe gekommen ist, ein Ereigniss, welches bei dieser 
persischen Steppenpflanze in Europa sehr selten eintritt. Er 
weist darauf hin, dass die Trockenheit des vorausgegangenen 


mE 


Winters und des Frühjahrs!) „zweifelsohne dazu beigetragen 
hat, das Blühen hervorzubringen, weil die Ferula doch eine 
Wüstenpflanze ist.“ 

Was nun das wiederholte Blühen betrifft, so reagirt be- 
sonders deutlich die Buche (Fagus sylvatica) auf die Feuchtig- 
keit und Trockenheit. Es wird angegeben ?), dass sie in dem 
kühlfeuchten Meeresklima von England oder Rügen seltener 
blüht als auf dem Continent. Hier kann man bei diesem Baume 
beobachten, dass besonders reiche Blüthen- und Fruchtbildung . 
in den Jahren erfolgt, deren Vorjahr sich durch einen trocken- 
heissen Sommer auszeichnet; denn die Blüthen werden bereits 
im Vorjahre angelegt. Nasskalte Sommer haben die entgegen- 
gesetzte Wirkung, wie sich aus dem schlechten Bucheljahr 
ergeben hat, das 1895 auf den nasskalten Sommer und Herbst 
1894 folgte. Ein solches Verhalten zeigen aber nicht nur die 
Buchen, sondern auch andere Bäume. So blieben auf den nass- 
kalten Sommer 1860 z. B. im Jahre 1861 ganz ohne Blüthen: 
Picea vulgaris und Abies canadensis, die meisten Ahornarten 
und viele andere Bäume. 

Vielleicht kann hier auch hingewiesen werden auf eine 
Beobachtung 


o-) 
Auftreten einer zweiten Blüthe in dem nämlichen Jahre von der 


wonach das bei einigen Bäumen nicht zu seltene 


Trockenheit abhängig sein soll. Magnus?) beobachtete näm- 
lich (Wien, 1873) an Aesculus Hippocastanum, dass die auf 
feuchtem Grunde wurzelnden Bäume im Herbst ihre Blätter frisch 
und grün behielten. Wo sie aber auf relativ trockenem Boden 
standen, hatten viele Bäume ihr Laub im October fast ganz ver- 
loren und blühten zum zweiten Mal. Nach G. Jacob (l. c., p. 16) 


ı) Viel mehr wohl die Trockenheit des Herbstes 1895. 

2) Diese und die folgenden Angaben aus Nördlinger’s Forstbotanik 
Bd. I, p. 241—243. 

3) In Sitzungsberichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu 
Berlin vom 17. Februar 1874. 


— Wal 


ist einer der Umstände, unter denen eine zweite Blüthe im Herbst 
zu Stande kommt, der, dass auf anhaltende Trockenheit im 
Sommer plötzlich starke Regengüsse eintreten. Die Pflanzen, 
an denen er unter solchen Verhältnissen ein zweites Blühen 
beobachtet hat, sind: Aesculus Hippocastanum (25. IV. und 
29. IX.), Aesculus rubicunda (19. V. und 5. X.), Anemone silvestris 
(15. V. und 24. VIII), Ranunculus lanuginosus (13. V. und 14. X.), 
Wistaria chinensis (II. V. und 20. VII.) 

Vielleicht ist es aber mit der Trockenheit ähnlich wie mit 
der Wärme, dass nämlich ein allzu grosses Maass von beiden 
wieder hindernd auf die Blüthenbildung wirkt. So würde es 
sich erklären, dass Overdieck!) in einem Bericht über seine 
Obsternte des Jahres 1877 (Deutschland) es dem schädlichen 
Einfluss der Trockenheit zuschreibt, dass viele Bäume über- 
haupt keine Blüthen angesetzt haben. Indessen lässt sich nicht 
wohl entscheiden, ob hier nicht noch andere Umstände, welche 
nicht bemerkt wurden, mitgewirkt haben. 

Sonst ist mir keine Angabe bekannt geworden, dass Trocken- 
heit jemals einen hemmenden Einfluss auf Blüthenansatz und 
Blühen gehabt habe. Vielmehr wird sie, resp. die Entziehung 
der Feuchtigkeit, in der Cultur allgemein angewandt, um ver- 
mehrte Blüthenbildung zu erzielen, während man durch reich- 
liche Bewässerung die Ausbildung der vegetativen Organe zu 
vermehren sucht. Deswegen wendet man bei der Wiesencultur 
viel Aufmerksamkeit auf eine richtige Bewässerung der Wiesen, 
damit die Gräser viele und grosse Blätter bilden; auf zu 
trockenen Wiesen ist die Grasnarbe niedriger und es werden 
mehr ährentragende Halme gebildet. Bei den Pflanzen, deren 
Laubtriebe als Futter oder zu anderen Zwecken (wie das Zucker- 
rohr) verwendet werden, wird man also im Allgemeinen durch 
feuchte Cultur dazu verhelfen können, dass sich die Blätter auf 


ı) In Pomologische Monatshefte von Lucas, 1878, p. 193. (Citirt nach 
dem Botanischen Jahresbericht.) 


=— u EN 


Kosten der Blüthen vermehren. Die Culturpflanzen aber, auf 
deren Blüthen und Früchte es ankommt, wird man gern trocken 
halten, soweit dadurch nicht ein Mangel an Ernährung herbei- 
geführt wird. Allerdings tritt dieser Uebelstand häufig auf, 
wenn auf eine reiche Blüthenproduction hingearbeitet wird, 
während man doch möglichst viel Früchte erzielen will; es ge- 
schieht dann oft, dass die meisten Blüthen abfallen, ohne 
Früchte anzusetzen. Was diese Verhältnisse betrifft, so sei 
auf einen Artikel in Gardener’s Chronicle (1881, Bd. II, p. 16) 
verwiesen. 

Das hauptsächlichste Mittel, Pflanzen zum Blühen und auch 
zum reichen Blühen zu bringen, ist die Erschwerung der Wasser- 
aufnahme durch die Wurzeln. Es geschieht bei Obst- und 
anderen Bäumen oder Sträuchern durch den sog. Wurzelschnitt, 
indem man einen Graben um die Pflanze zieht und die bloss- 
gelegten Wurzeln mit einem scharfen Messer abschneidet!). 
Da so die Ausbreitung des Wurzelsystems gehindert wird, wird 
auch von der Pflanze weniger Wasser aufgenommen, es können 
sich die vegetativen Theile weniger entfalten und es kommt 
um so eher zur Anlage von Blüthen. Schneidet man dagegen 
die Laubtriebe zurück, so wird die Verdunstung herabgesetzt, 
und da die Wurzeln immer noch dieselbe Wassermenge auf- 
nehmen, so wird eine grössere Saftmenge in der Pflanze ange- 
sammelt. Diese wirkt auf die schnelle Entwicklung ‘der noch 
im Knospenzustand befindlichen vegetativen Organe und es 
werden keine Blüthen gebildet. Aehnlich dem Beschneiden der 
Wurzeln wirkt es auch, wenn man den Raum beschränkt, in 
dem sich das Wurzelsystem ausbreiten kann, wenn man also 
die Pflanzen in Töpfen zieht. Hierher gehört eine von Fech- 
ner (in seiner „Nanna“, p. 297) citirte Beobachtung von Linne: 


I) Vergl. Wissenbach, Wurzelschnitt bei Obstbäuwen. (Nach „The 
Garden“ in Pomologische Monatshefte von Lucas, 1878, p. 41.) 


— 23 — 


„Linn& hat beobachtet, dass ein Baum, in einem weiten Gefäss 
überflüssig &enährt, mehrere Jahre hintereinander Zweige aus 
Zweigen hervorbringe, da derselbe, in ein engeres Gefäss ein- 
geschlossen, schnell Blüthen und Früchte trage.“ Hieraus er- 
kennt man, fügt Fechner hinzu, den Einfluss, den die Art der 
Bewurzelung auf die Krone des Baumes hat. Die Methode, 
Pflanzen durch Cultur in Töpfen zum Blühen zu bringen, wird 
z. B. auch beim Treiben der Rosen befolgt. Man pflanzt die- 
selben schon im August des Vorjahres in Töpfe und hält sie 
recht trocken, damit sie frühzeitig sog. ausgereiftes Holz pro- 
duciren, an dem im nächsten Jahre sich reichliche Blüthen- 
knospen bilden !),. Auch um Cacteen zum reichlichen Blühen 
zu veranlassen, wenden die Gärtner analoge Mittel an?). Sie 
lassen Cereus und ähnliche Formen im Herbst in den Töpfen 
im warmen Zimmer bis zum Schrumpfen austrocknen oder 
. reissen sie gar aus dem Boden aus und pflanzen sie nach dem 
Welken später wieder ein. Die geschrumpften Exemplare bilden 
in der nächsten Vegetationsperiode meist reichliche Blüthen. 
Hierher gehört auch die von Nördlinger?°) mitgetheilte Be- 
obachtung, dass Gewächse, welche versendet worden sind, wobei 
sie gewöhnlich einen Theil ihrer Organe, zumal Wurzeln, ein- 
büssen, manchmal unmittelbar darauf blühen, wenn auch nach- 
her zeitlebens nicht wieder. 

Aber nicht nur durch verminderte Wasseraufnahme der 
Wurzeln, sondern auch durch eine gehemmte Leitung des 
Wassers in den Stammtheilen kann man die Wasserzufuhr der 
Pflanze beschränken und stärkere Blüthenbildung veranlassen. 
Wird ein Zweig gebrochen, so dass er nur noch durch eine 
geringe Holzmasse mit dem Hauptaste zusammenhängt, so er- 


I) Vergl. Wendt in Monatsschrift des Vereins zur Beförderung des 
Gartenbaus, 1880, p. 163. 

2) Nach Sorauerl. c., p. 161. 

3) Forstbotanik II, p. 245. 


hält er natürlich auch weniger Wasser, da dieses ja im Holze 
geleitet wird. Dass solche halb gebrochene, herunterhängende 
Aeste viel reichlicher blühen, als nicht verletzte, beobachtete 
Ernst!) an den angepflanzten Kaffeebäumen in Caracas 
und er bemerkt dazu, dass die Pflanzer solche Aeste beim 
Reinigen der Bäume niemals abschneiden. Die Wasserzufuhr 
kann aber auch dadurch herabgesetzt werden, dass die Holz- 
gefässe, in denen sich das Wasser bewegt, verstopft werden. 
Dies geschieht durch krankhafte Erscheinungen, wie z. B. bei 
der Serehkrankheit des Zuckerrohrs?). Eines ihrer Symptome 
besteht nämlich darin, dass die Gefässe, da wo die Stränge roth 
erscheinen, von einer schleimigen Masse verstopft sind. Ganz 
offenbar ist die dadurch hervorgerufene Störung in der Wasser- 
zufuhr daran schuld, dass sich der Stengel nicht in normaler 
Weise in die Länge streckt und dass die Pflanze, anstatt ihre 
vegetativen Organe ordentlich zu entfalten, möglichst rasch 
zur Blüthenbildung schreitet und auch dazu gelangt, wenn nicht 
die Krankheit die Pflanze schon vorher tödtet. 

Mit dem Wassermangel ist nun aber sehr leicht auch ver- 
bunden ein Mangel an Nährstoffen, denn in dem Wasser 
sind die Salze gelöst, deren die Pflanze zu ihrer Ernährung 
bedarf, ja selbst die Assimilation der Kohlensäure, die Bildung 
der Kohlehydrate leidet, wenn nicht genügend Wasser den 
grünen Theilen zugeführt wird. So werden wir denn, was wir 
als Folge der Trockenheit bezeichneten, zum Theil auch dem 
Mangel an Ernährung zuzuschreiben haben. Dieser letztere 
befördert ebenfalls die Blüthenbildung auf Kosten der Ent- 
wicklung der vegetativen Organe. Es tritt dann bisweilen ein 
Zustand der Pflanze ein, den man als Verzwergung oder Na- 
nismus?) bezeichnet und der künstlich erzeugt werden kann 


I) Botanische Zeitung, 1876, p. 33—41. 
2) Vergl. oben p. 70. 
3) Sorauer1,6‘D.03: 


— 1235 — 


dadurch, dass man die Pflanze in möglichst kleinen Töpfen 
zieht. Es entstehen dann kleine, aber reichblüthige Exemplare, 
wie sie den Gärtnern bei den Blüthensträuchern zum Verkauf 
erwünscht sind. Auch in Gewächshäusern kann man häufig 
beobachten, dass kümmerliche Exemplare in kleinen Töpfen 
bereits blühen, während andere in grösseren Töpfen ihr Laub 
üppig entfaltet haben ohne zu blühen. Von einer eigentlichen 
Krankheit kann man in solchen Fällen noch nicht sprechen, 
aber die Pflanze kann durch überreiche Blüthen- und gar 
Fruchtproduction geschwächt werden und sich sogar „todt 
blühen“. Das überreiche Blühen ist also theils eine Ursache, 
theils ein Symptom von Kränklichkeit. „So weiss man“, sagt 
Sorauer!), „dass kränkelnde Exemplare, namentlich solche, 
die an Wurzelerkrankungen leiden, zu erhöhter Blüthenent- 
wicklung geneigt sind.“ Als Beispiel dafür wird der von John 
Scott beobachtete Fall, der einen Sandelbaum (Santalum 
album) in Indien betrifft, angeführt. Dieser Sandelbaum 
schmarotzte mit seinen Wurzeln auf einer daneben stehenden 
Araliacee (Heptapleuron umbraculiferum), welche abgehauen 
wurde. Wenige Monate darauf war der Sandelbaum ganz ent- 
blättert und kränkelte 3 Jahre, blühte dabei aber reichlich. 
Die günstigen Folgen des Nährstoffmangels auf das Blühen 
illustriren auch folgende Beispiele?). Auf Hagelbeschädigung 
der Obstbäume erfolgt nicht selten grosser Blüthenreich- 
thum. Gipfel der Esche (Fraxinus excelsior), die von Hornissen 
stark beschädigt, d. h. ihrer Rinde in Form eines Ringes be- 
raubt sind, blühen und tragen besonders gerne Samen. An 
einer jungen Ulme (Ulmus campestris) war ein Ast mit einem 
Draht umwickelt und dieser hatte den dicker gewordenen Ast 
eingeschnürt: dadurch blühte diese Ulme vor der Zeit und 
zwar lediglich an dem eingeschnürten Ast. Das Umschnüren 


ey 1. ‚€, pP. 161. 
2) Nach Nördlinger, Forstbotanik II, p. 246. 


— n6 — 


mit Draht ist demgemäss auch ein in der Obstbaumzucht 
angewandtes Mittel, um den Blüthenansatz zu erhöhen. Andere, 
auf dem Princip der verminderten Nahrungszufuhr beruhende 
Mittel sind: ringförmige Entrindung oder Halbdurchsägung von 
Aesten, Entblössung des Bodens von Laub und sogar Ent- 
fernung der Erde in der Umgebung des Stammes; auch kann 
man hier erwähnen, „das Pfropfen der Schosse junger, rasch- 
wachsender Sämlinge von Laub- und Nadelhölzern auf ältere 
Bäume, um bei deren gemässigterem Saftzudrange bald Blüthen 
und Früchte zu bekommen“. 

Schliesslich sei noch erwähnt, dass in Indien die Agave 
vivipara, wenn sie in reichem Boden wächst, unveränderlich 
Zwiebeln aber keinen Samen producirt, während ein armer 
Boden und ein trockenes Klima zum entgegengesetzten Re- 
sultate führt !). 

Trockenheit des Bodens und Mangel an Nahrung sind also 
zu eng mit einander verbunden, als dass von jedem sein Ein- 
fluss auf das Blühen der Pflanzen gesondert besprochen werden 
kann. Auch stehen, wie schon erwähnt, die Verhältnisse von 
Licht und Wärme untereinander und mit denen der Feuchtig- 
keit meistens in gewisser Beziehung, sodass sie in der Natur 
häufig vereint wirken. Stellt man Versuche über die Ab- 
hängigkeit des Blühens von diesen Factoren an, so ist es 
schwer, bei Pflanzen im freien Lande, ihnen verschiedene Ver- 
hältnisse der Wärme zu bieten, soweit solche nicht durch Be- 
sonnung und Beschattung bestintmt sind. Experimentirt man aber 
in geschlossenen Räumen, in denen die gewünschten Temperatur- 
verhältnisse leichter herzustellen sind, so hat man immer mit 
dem Mangel an Licht zu rechnen. Ich habe nun im Sommer 
1892 im Heidelberger botanischen Garten einige Versuche an- 
gestellt, bei denen nur der Einfluss verschiedener Feuchtigkeit 


I) Nach Royle, citirt vonDarwin, Variiren d. Thiere u. Pflanzen etc., 
p. 194. 


—- 17 — 


und Beleuchtung studirt werden sollte. Dieser ungleiche Ein- 
Huss konnte sich auch nur zu erkennen geben in dem früheren 
oder späteren Blühen derselben Arten, er hat sich aber so zu 
erkennen gegeben, wie es nach den oben abgeleiteten Regeln 
zu erwarten war. 

Es wurden gegen Ende April in je 8 Töpfe gesäet Phalaris 
canariensis und Borrago officinalis und in weitere 8 Töpfe 
wurde die Grasnarbe von Andropogon Ischaemum gepflanzt. 
Von jeder Pflanzenart wurden die Töpfe paarweise folgender- 
maassen behandelt. Ein Paar stand an einem sonnigen Stand- 
ort und wurde trocken gehalten, d. h. die Töpfe standen frei 
auf dem Boden und erhielten ausser dem Regen nur soviel 
Wasser durch Begiessen, als in trockenen Zeiten nothwendig 
war. Ein zweites Paar stand daneben, aber in einer Schale, 
die beständig Wasser enthielt, und wurde reichlich begossen. 
Das dritte und vierte Paar wurde in derselben Weise trocken 
und nass gehalten, aber an einem sehr schattigen Standort. 
Die Pflanzen entwickelten sich nun in den verschiedenen 
Töpfen ziemlich ungleich. 

I. Bei Phalaris blühten am 4. Juli nur die besonnten und 
trockenen Pflanzen, sie zeigten aber kleinere und bereits ver- 
gilbende Blätter, die nassen und beschatteten Pflanzen dagegen 
hatten grosse und kräftig entwickelte grüne Vegetationsorgane, 
die beschatteten und trockenen Pflanzen waren nicht ganz so 
‚kräftig, und die besonnten und nassen standen am schlechtesten. 
Später kamen alle Pflanzen zum Blühen, die schattigen und 
nassen aber zuletzt. So zeigt sich gerade bei dieser Pflanze 
der befördernde Einfluss des Lichtes und der Trockenheit auf 
das Blühen recht deutlich. 

II. Andropogon Ischaemum ist eine Pflanze, welche sich 
an schattigen Standorten vegetativ besser entwickelt als an 
sonnigen und welche die Trockenheit besser verträgt als die 
Feuchtigkeit. Am 9. August waren nur an den besonnten und 


— 28 — 


trockenen Pflanzen Inflorescenzen sichtbar, alle übrigen machten 
noch keine Anstalten zum Blühen und die beschatteten Pflanzen 
waren selbst bis zum Io. September noch nicht zur Blüthe ge- 
kommen. Also auch bei Andropogon sehen wir deutlich das 
Blühen durch Licht und Trockenheit begünstigt. 


III. Bei Borrago entwickelten sich wegen der kleinen Töpfe 
alle Pflanzen zu Zwergexemplaren. Am 23. Juni erschienen an 
den besonnten und trockenen Pflanzen die ersten Blüthen- 
knospen, während an allen anderen sich noch kaum die Stengel 
gestreckt hatten. Die besonnten und nassen blühten erst Mitte 
Juli, die beschatteten Pflanzen entwickelten sich aber so schlecht, 
dass nur eine zur Blüthe kam und zwar eine der feucht ge- 
haltenen. 


Analoge Versuche habe ich mit anderen Pflanzen im 
Sommer 1896 im Frankfurter botanischen Garten angestellt, 
allein mit zu wenigen Exemplaren, um recht brauchbare Resultate 
zu erhalten. Es waren Tradescantia virginica, Pelargonium 
zonale und Digitalis grandiflora. 


Tradescantia bedarf vieler Feuchtigkeit, sodass die trocken 
gehaltenen Exemplare sich überhaupt nicht entwickelten, das 
nass gehaltene in der Sonne blühte aber reichlich schon von 
Anfang Juni an, während das im Schatten erst Anfang August 
eine spärliche Inflorescenz bildete. Von den Digitalispflanzen 
blühte das nasse Exemplar im Schatten am II. Juni auf, es 
war aber offenbar das kräftigste Exemplar, dann folgten am 
12. Juni das trockene in der Sonne, dann das nasse in der 
Sonne, dann Ende Juni das trockene im Schatten. Bei 
Pelargonium blühten die Exemplare im Schatten etwas eher 
auf (I6. VI.) als die in der Sonne (17. VI. und 25 VI.), aber 
die ersteren bildeten nur eine Inflorescenz, die bald verblüht 
hatte, die letzteren je ca. IO Inflorescenzen, die zum Theil noch 
im September in Blüthe waren. 


Wenn nun auch bei diesen Pflanzen der unterschiedliche 
Einfluss von Trockenheit und Feuchtigkeit nicht hervortritt, 
vielleicht wegen ungünstiger Wahl der Versuchspflanzen oder 
der zu geringen Zahl derselben, so zeigt sich doch der fördernde 
Einfluss des Lichtes auf das Blühen bei Tradescantia und 
Pelargonium sehr deutlich. 

Den meinigen ähnliche, aber etwas ausgedehntere Ver- 
suche hat im Sommer 1892 E. Gain!) in Fontainebleau an- 
gestellt. Er experimentirte mit Lupinus albus, Zea Mays, Poly- 
gonum fagopyrum, Medicago sativa, Avena sativa u. a. und ge- 
langte zu folgenden Resultaten. 

Trockener Boden und feuchte Luft verzögern das Blühen, 
ebenso feuchter Boden und feuchte Luft, trockener Boden und 
trockene Luft beschleunigen es, trockene Luft und feuchter 
Boden beschleunigen es noch mehr. Es findet also nach 
Gain folgende Reihenfolge statt vom begünstigenden zum 
hemmenden Einfluss auf das Blühen: trockene Luft sehr günstig, 
feuchter Boden günstig, trockener Boden ungünstig, feuchte 
Luft sehr ungünstig. Praktisch würde daraus zu folgern sein, 
dass in trockenen Jahren und in regenarmen Gegenden eine 
Bewässerung des Bodens wichtig ist, um ein zeitiges Blühen 
herbeizuführen. Man sieht also, dass das Ergebniss in dieser 
Hinsicht, was nämlich die Feuchtigkeit des Bodens betrifft, 
nicht mit den Anschauungen übereinstimmt, zu denen wir oben 
gekommen waren. Es scheint mir aber auch, dass die Ver- 
suchsanstellung des Verfassers nicht ganz einwandfrei ist, be- 
sonders in dem Fall, dass er, um feuchten Boden und trockene 
Luft zu erhalten, die Pflanzen mit Chlorcalcium unter Glas- 
glocken brachte. 

Im Allgemeinen können wir doch wohl sagen, dass Licht, 
Wärme und Trockenheit diejenigen äusseren Agentien sind, 


I) Comptes rendus, 1892, Vol. CXV, p. 890—892. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse, 9 


welche das Blühen begünstigen; von anderen äusseren Um- 
ständen käme wohl nur die Beschaffenheit des Bodens in 
physikalischer und chemischer Beziehung in Betrachtung, aber 
über deren Einfluss auf das Blühen hat man noch keine Be- 
obachtungen gemacht. Allein bei Wasserpflanzen kann es 
dem Einfluss des Standortes zugeschrieben werden, dass ihre 
Blüthenbildung unterdrückt wird. Es ist nämlich klar, wie 
Schenck!), sagte, „dass bei dem öfteren Wechsel des Niveaus 
oder bei der bald schwächeren, bald stärkeren Strömung 
unserer Gewässer für die Wasserpflanzen mit Luftblüthen gar 
leicht Bedingungen werden eintreten können, unter denen die 
Ausbildung der Blüthen vollständig zwecklos wäre. Bei zu 
tiefer Versenkung der Pflanze würden die Blüthen die Ober- 
fläche nicht erreichen und im Wasser bald unbefruchtet ver- 
wesen, in reissenden Bächen und Flüssen würden die zarten 
Blüthentheile bald durch die Gewalt des bewegten Wassers 
zerstört sein, und in der That ist es eine höchst bemerkens- 
werthe Erscheinung, dass die Wasserpflanzen unter solchen un- 
günstigen Bedingungen, gleichsam als ob ihnen das Bewusst- 
sein von der Zwecklosigkeit der Blüthenbildung innewohne, 
überhaupt nicht fructificiren, sondern die rein vegetative Ver- 
mehrung vorziehen, um die Erhaltung der Art zu sichern. Es 
gilt dies auch insbesondere von den amphibischen luftblüthigen 
Gewächsen, die bei zu tiefer Versenkung im Wasser ebenfalls 
keine Blüthen bilden.“ Als Beispiele führt der citirte Autor 
an: Hippuris vulgaris, Sagittaria sagittifolia, Alisma: Plantago, 
einige Juncus- Arten, Isnardia palustris, Litorella lacustris, 
Elatine Alsinastrum, Sparganium simplex , Callitriche und einige 
Potamogeton-Arten. Wenn wir auch die Zweckmässigkeit von 
diesem Verhalten der Wasserpflanzen einsehen, so müssen wir uns 
doch auch nach der wirkenden Ursache fragen, indessen werden 
wir diese Frage schwerlich mit Sicherheit beantworten können. 
Zunächst können wir vermuthen, dass sowohl bei zu hohem 


I) Biologie der Wassergewächse, Bonn 1886, p. 107. 


— ea — 


Wasserstand wie bei zu bewegtem Wasser die Intensität der 
Beleuchtung, welche den submersen Pflanzen zu theil wird, 
nicht mehr hinreicht, blüthenbildende Stoffe zu erzeugen, dass 
also die Blüthen hier aus demselben Grunde nicht angelegt 
werden, wie bei.Pflanzen, welche zu sehr beschattet sind. Wir 
würden dann diese Erscheinung mit zu denen, welche von der 
Beleuchtung abhängen, zu rechnen haben. Es kann aber auch 
sein, dass rein mechanische Verhältnisse, nämlich der höhere 
Druck der grösseren Wassermenge, welcher bei hohem Wasser- 
stande auf den submersen Wasserpflanzen lastet, dass der Stoss 
des rasch bewegten Wassers auf dieselben eine Wirkung aus- 
übt, welche die Anlage der Blüthen verhindert. Man könnte 
auch daran denken, dass unter den oben geschilderten Ver- 
hältnissen der Verkehr der Pflanzen mit der Luft erschwert 
wäre, dass sie eine geringere Menge Sauerstoff erhielten, dass 
dabei die Athmung herabgesetzt würde und für die Blüthen- 
bildung nicht mehr ausreicht, denn diese scheint doch mit 
einer intensiveren Athmung als die Entwicklung der Laub- 
knospen verbunden zu sein. Es bleibt also vorläufig noch un- 
entschieden, aus welcher wirkenden Ursache Wasserpflanzen, 
wenn sie in zu tiefem oder zu bewegtem Wasser wachsen, 
keine Blüthen bilden, wir nehmen die Erscheinung als ein 
Beispiel für den Einfluss des Standortes, abgesehen von den 
Einflüssen des Lichtes, der Wärme und der Feuchtigkeit, und 
wir sehen nun, welche Einflüsse ferner zu berücksichtigen 
sind. 

In der Blüthenbiologie spielen bekanntlich die Thiere, be- 
sonders die Insecten, eine grosse Rolle. Da manche Blüthen 
nur durch ganz bestimmte Insecten bestäubt werden können, 
so ist es sehr wohl denkbar, dass das Fehlen dieser Insecten 
an einem Standorte, vielleicht auch das gänzliche Aussterben 
derselben, indem es die Bestäubung der Blüthen unmöglich, 
das Blühen daher überflüssig machte, die Pflanzen dazu 

9% 


brächte, überhaupt nicht mehr zu blühen, sondern sich nur 
auf vegetative Weise zu vermehren. Da es sich hier um einen 
Ersatz der geschlechtlichen Vermehrung, der die Blüthen 
dienen, durch die ungeschlechtliche handelt, so soll dieser 
Punct erst im nächsten Kapitel behandelt werden. Dass die 
Blüthezeit in Beziehung steht zu der Jahreszeit, in welcher die 
bestäubenden Insecten vorhanden sind, ist als eine sogenannte 
gegenseitige Anpassung aufzufassen, die hier nicht weiter zur 
Erörterung zu kommen braucht. Einflüsse anderer Art, welche 
auf die Pflanzen von Organismen ausgeübt werden, sind schä- 
digende, besonders häufig die von Parasiten. Es kann hier 
nur ein ganz vereinzelter Fall erwähnt werden, in dem die 
Pflanze durch den Reiz eines Parasiten zu vorzeitigem Blühen 
gebracht wird. Wie nämlich bei manchen Hexenbesen durch 
den Pilz eine sogenannte Anticipation der Laubtriebe veran- 
lasst wird, nämlich ein Austreiben der für das nächste Jahr 
angelegten Knospen schon in diesem, so kann auch ein vor- 
zeitires Austreiben der für das nächste Jahr angelegten Blüthen- 
knospen an den vom Pilze befallenen Sprossen eintreten. „So 
entwickeln die Sprosse von Primula Clusiana und minima, welche 
von Uromyces Primulae integrifoliae befallen werden, und die 
man sofort an den verlängerten Rosettenblättern erkennt, ihre 
im Sommer angelegten Blüthen nicht, wie das sonst der Fall 
ist, im Frühlinge des nächsten, sondern schon im Herbste des- 
selben Jahres“). 

Schliesslich ist noch auf das hinzuweisen, was schon 
mehrfach angedeutet wurde, dass die Blüthenproduction in 
Correlation steht mit der Ausbildung der vegetativen Theile: 
einmal in dem Sinn, dass keine Blüthen auftreten können, 
wenn die Sprosse zu schwach entwickelt sind, um die nöthigen 
Stoffe zu liefern, wie wir es bei den im Dunkeln keimenden 


ı) Kerner, Pflanzenleben, Bd. II, p. 518. 


und wachsenden Pflanzen sahen; dann aber vor allem in dem 
Sinn, dass die Vegetationsorgane um so schwächer werden, je 
mehr die Reproductionsorgane sich entfalten. Der Pflanze 
steht eben nur ein gewisses Quantum Nährmaterial zur Ver- 
fügung, und wenn sie viel davon auf die einen Organe ver- 
wendet, so bleibt für die anderen weniger übrig. Wenn das 
Licht viele Knospenanlagen veranlasst, sich zu Blüthenknospen 
zu entwickeln, so können um so viel weniger zu Laubknospen 
werden. Bei vieler Feuchtigkeit geht die Pflanze stark ins 
Laub, bleibt aber in der Blüthenbildung zurück. Wird die 
Entwicklung der vegetativen Theile begünstigt, wird besonders 
der Stamm kräftiger und holziger, so ist der Pflanze auch 
eine längere Existenz gesichert und sie braucht weniger dafür 
zu sorgen, durch Blühen und Fruchten Nachkommen zur Er- 
haltung der Art zu erzielen, sich fortzupflanzen. 

Ein sehr interessantes Beispiel der Art, dass das Blühen 
durch die Laubentwicklung beeinträchtigt wird, bietet das von 
Ernst!) geschilderte Verhalten von Eriodendron anfractuosum, 
einer in Caracas häufig angepflanzten Art von Wollbäumen 
aus der Familie der Bombaceen. Viele Exemplare des Erio- 
dendron blühen niemals, erneuern dagegen alljährlich zweimal 
ihr Laub. Ein 17 Jahre altes Exemplar in San Francisco hat 
(bis 1885) noch niemals geblüht, verliert aber jährlich Mitte 
Februar und Mitte August in 2 bis 3 Tagen alle seine Blätter, 
steht dann 4—5 Tage kahl und ist nach einer Woche schon 
wieder vollständig belaubt. Bei dieser ausserordentlichen Ver- 
kürzung der Periode der Blattlosigkeit, welche eben für Erio- 
dendron die der Blüthenproduction ist, kann der Baum nicht 
zum Blühen kommen. Ein anderes, 6 Jahre altes, in der Nähe 
stehendes Exemplar hat bereits (1885) zweimal geblüht, obgleich 
nicht an allen Aesten, und hat jährlich nur einen Laubfall. 


ı) Berichte der deutschen botan. Gesellsch., Bd. III, p. 320. 


Die blüthenlos bleibenden Zweige belauben sich viel früher 
als die anderen, nämlich erstere schon Mitte Mai, letztere im 
August. Die Ursache der Verzögerung liegt natürlich in der 
Erschöpfung der Zweige durch die Blüthenproduction, denn 
der verhältnissmässig noch kleine Baum hatte wohl 8000 
Blüthen. Bei dem ersteren blüthenlosen Exemplar ist die 
Eigenthümlichkeit angeerbt, denn es ist aus einem Steckling ge- 
zogen von einem Baume, der gleichfalls nie in Blüthe gesehen 
worden ist. Das andere Exemplar dagegen ist aus einem 
Samen gezogen, stammt also von einem blühenden und fruch- 
tenden Baume. 

Auf die Unterdrückung der Blüthen durch Ausbildung 
reichlicher ungeschlechtlicher Vermehrungsorgane will ich hier 
nicht eingehen, sondern die Beziehungen, welche zwischen dem 
Blühen mit nachfolgender Samenbildung und der vegetativen 
Vermehrung bestehen, im nächsten Kapitel behandeln. Das- 
selbe wird überhaupt das eben zu beschliessende in manchen 
Punkten ergänzen, ganz besonders, soweit es sich um Corre- 
lationsvorgänge handelt. — 


KAPITEL IV. 


Ueber das Verhältniss zwischen Keim- und Knospen- 
bildung bei der Fortpflanzung der Gewächse. 


In der Einleitung wurde auseinandergesetzt, dass wir zwei 
Fortpflanzungsarten zu unterscheiden haben, die durch Keime 
und die durch Knospen. Die erstere führt von der asexuellen 
Sporenbildung zu der geschlechtlichen Fortpflanzung, welche 
bei den Blüthenpflanzen die normale Art der Vermehrung ist. 
Die Knospenbildung dagegen können wir betrachten als ein 
Aushilfsmittel, das zur Erhaltung der Art von der Natur ange- 
wendet wird, wenn die Keimbildung nicht ausgiebig oder sicher 
genug dafür zu sorgen im Stande ist. So haben wir im dritten 
Kapitel gesehen, dass verschiedene äussere Umstände das 
Blühen der Pflanzen verhindern können, an dessen Stelle eine 
Vermehrung durch Knospen treten kann, wenn überhaupt die 
Pflanze die Fähigkeit besitzt, vegetative Vermehrungsorgane 
zu produciren. Im zweiten Kapitel aber hatten wir gefunden, 
dass in vielen Fällen die Vermehrung nur auf vegetativem 
Wege, also durch Knospen, erfolgt und dass bei den sich so 
vermehrenden Pflanzen die Keimbildung, nämlich die Samen- 
production oder sogar schon das Blühen unterbleibt. Erinnern 
wir uns nun auch an das, was im vorigen Kapitel über die 
Correlation zwischen der Bildung von Laub- und Blüthen- 


— 136 — 


knospen gesagt wurde, so übertragen wir dies leicht auf das 
Verhältniss zwischen Knospen- und Keimbildung in dem Sinne, 
dass bei Pflanzen, welche die Fähigkeit zu beiden haben, die 
eine um so mehr zurücktreten wird, je stärker die andere ent- 
wickelt ist. 

Wenn wir nun auch daran festhalten, dass im Allgemeinen 
die Vermehrung durch Keime bei den höheren Pflanzen die 
gesetzmässige ist, so können wir uns doch denken, dass in 
einzelnen Fällen die Verhältnisse für die Ausbildung der Ver- 
mehrung durch Knospen so günstig war, dass dadurch die 
durch Keime ganz zurückgedrängt wurde. Es entsteht also die 
Frage, ob es Fälle gibt, in denen die vegetative Vermehrung 
zur Unterdrückung der Blüthen- und Fruchtbildung führen 
kann, oder ob nicht immer nur erst dann die vegetative Ver- 
mehrung regelmässig oder ausschliesslich auftritt, wann das 
Blühen oder die Keimbildung überhaupt aus irgend einem 
Grunde häufig oder immer unterbleibt? Es handelt sich hier 
um die Sporenpflanzen ebensogut wie um die Samenpflanzen 
Wir müssen uns zur Entscheidung der Frage die bekannten 
Fälle genauer ansehen, denn ich glaube nicht, dass sich aus 
reiner Ueberlegung die Frage in dem einen oder anderen Sinne 
beantworten lässt. Sie wurde übrigens schon im ersten Kapitel 
berührt und dort wurde auch Darwin citirt, nach welchem 
keine hinreichenden Beweise vorhanden sind, dass die lange 
Dauer der vegetativen Fortpflanzung die wirkliche Ursache der 
Sterilität jener Pflanzen ist. Es scheint mir zweckmässig, bei 
dieser Untersuchung die Pflanzen in spontan wachsende und 
cultivirte einzutheilen oder wenigstens die wichtigsten hier zu 
betrachtenden Culturpflanzen später einzeln für sich zu be- 
sprechen und zunächst zusammenzustellen, was wir über die 
Entstehung der einen oder anderen Fortpflanzungsweise wissen, 
wobei es sich meistens um spontan wachsende Pflanzen handelt. 
Wir können zunächst eine Gruppe solcher Pflanzen unter- 


scheiden, die ein ausgedehnteres Verbreitungsgebiet besitzen 
und in einigen Gegenden desselben sich vorwiegend durch 
Keime, in anderen durch Knospen vermehren. Es gehören 
hierher die Gewächse, von denen schon oben (p. 283—32) die 
Rede war und deren Zahl sich wohl noch vermehren lässt. 
Für diese Fälle kann meistens nachgewiesen werden, dass es 
klimatische Ursachen sind, welche die Entwicklung der Blüthen 
oder den Ansatz der Früchte verhindern, und dass sie, um die 
Art zu erhalten, diesem Mangel durch die Ausbildung von 
vegetativen Vermehrungsorganen abzuhelfen suchen. Theils 
ist der Standort zu hoch im Gebirge, wie bei einigen der 
lebendig gebärenden Gräser, bei dem p. 108 angeführten Poly- 
gonum viviparum, den Moosen, welche p. 32 als die letzten 
aufgeführt sind, theils ist das Klima der Gegend zu kalt und 
dann sehen wir, dass die Pflanzen sich hier nur vegetativ ver- 
mehren, keine Blüthen oder doch keine Früchte produciren, 
während sie in südlicheren Gegenden ihres Verbreitungsgebietes 
dieses thun: die hierher gehören, sind meistens auch schon 
erwähnt worden und ich will nur noch kurz auf folgende hin- 
weisen: die Lemnaceen (p. 107), das Laubmoos Leucodon sciu- 
roides (p. 32), dann nach Darwin (l. c.) Acorus calamus, 
Hypericum calycinum, Carex rigida, Jussiaea grandiflora. Es 
handelt sich hier also auch um Pflanzen, bei denen das Blühen 
durch Mangel an Wärme oder durch die ungünstigen Feuchtig- 
keitsverhältnisse gehindert wird, aber freilich nur um solche 
Pflanzen, bei denen dann auch eine vegetative Vermehrung für 
den Ausfall der Samen- oder Sporenbildung eintritt. 

Es kann ferner die Pflanze zwar blühen, aber keine Früchte 
ansetzen, wenn die zur Bestäubung erforderlichen Insecten 
fehlen. Dies tritt an manchen Orten für Ranunculus Ficaria 
ein, der nach Darwin in England, Frankreich und der Schweiz 
selten Samen trägt und sich hier durch seine Bulbillen ver- 
mehrt. Nach Kerner (Pflanzenleben II, p. 455) kommt es be- 


— 1733 — 


sonders auf den Standort an, indem an sonnigen Plätzen die 
Blüthen von kleinen Käfern, Fliegen und Bienen bestäubt 
werden und desswegen Früchte ansetzen können, während an 
schattigen Stellen die bestäubenden Insecten fehlen, die Frucht- 
anlagen fehlschlagen und durch die Bulbillen ersetzt werden. 
In ähnlicher Weise verhält sich Dentaria bulbifera (Fig. 20), 
welche sich an sonnigen Stellen durch Samen, im Schatten des 
Hochwaldes nur durch Ableger vermehrt, weil im letzteren die 
Blüthen nicht von Insecten besucht und bestäubt werden. Viel- 
leicht können wir auch Lilium tigrinum, die Feuerlilie, hierher- 
rechnen, die in den Pyrenäen und im südlichen Frankreich, in 
der Form Lilium croceum, fast immer Früchte mit keimfähigen 
Samen 'zur Reife bringt, während sie in den Central- und Nord- 
alpen kaum jemals reife Früchte erzeugt, sondern sich durch 


Fig. 21. Lilium bul- 
biferum. Oberstes 
Stück des Stengels 
unter der Blüthe 
(ce deren basaler Theil) 
mit Brutzwiebeln in 
den Achseln der Blät- 
ter. Nach Reichen- 

bach, Flor. germ.) 


Fig. 20. 4A Dentaria bulbifera mit verkümmerter Inflorescenz. BKeimende 
Brutknospe derselben. © Ranuneutus Ficaria. D Einzelne Brutknospe der- 
selben. (Nach Kerner.) 


— 139 — 


kleine zwiebelartige, in den Blattachseln stehende Ableger ver- 
mehrt und desswegen als Lilium bulbiferum bezeichnet wird 
(Fig. 21). Dentaria und Lilium haben sich unter diesen Ver- 
hältnissen an solchen. Orten, wo die Blüthen doch nur nutzlos 
producirt werden würden, das Blühen sogar ganz abgewöhnt 
und sind auf die Vermehrung durch Brutzwiebeln angewiesen. 
Stellaria bulbosa kommt gegenwärtig nur noch auf einem eng 
umschriebenen Gebiet in Krain und Kroatien vor und blüht 
hier regelmässig ohne Früchte anzusetzen. Kerner nimmt für 
diesen von ihm berichteten Fall an, dass die Pflanze der zurück- 
gebliebene Rest einer entschwundenen Flora ist und dass auch 
die Insecten, die ihr ursprünglich als Bestäubungsvermittler 
dienten, mit der Flora verschwunden sind. Das Blühen hat 
sich die Pflanze trotzdem noch nicht abgewöhnt, aber den 
Mangel an Samen ersetzt sie durch Knöllchen, die in sehr 
grosser Menge an den unterirdischen fadenförmigen Stengeln 
dieser Pflanze gebildet werden und sich leicht ablösen. Aehn- 
lich scheint es sich nach Kerner mit Gagea bohemica zu ver- 
halten, die im westlichsten Theile ihres Verbreitungsgebietes, in 
Böhmen und Deutschland, aus ihren Blüthen niemals Früchte 
producirt: sie ist wohl in diesem westlichen Gebiet als ein 
Relict der Steppenflora zu betrachten und wie die anderen 
Pflanzen dieser Flora, haben sich auch die bestäubenden In- 
secten nach Osten zurückgezogen, sodass die Pflanze gezwungen 
ist, sich auf vegetativem Wege zu erhalten und zu vermehren. 
In allen diesen Pflanzen unserer zweiten Gruppe haben wir 
also Beispiele eines Falles, der ganz deutlich zeigt, dass die 
vegetative Vermehrung als Ersatz für den Ausfall der Ver- 
mehrung durch Samen eintritt, was natürlich nur geschehen 
kann, wenn die Pflanzen die Fähigkeit zur Knospenbildung als 
Vermehrungsweise besitzen; dieselbe ist vorher nur nebenbei 
und gelegentlich eingetreten, jetzt aber das einzige Mittel zur 
Erhaltung der Art geworden. Hätten die Pflanzen dasselbe 


nicht gehabt, so würden sie aus den Gebieten, in denen ihre 
bestäubungsvermittelnden Insecten fehlen, verschwunden sein. 

Eine dritte Gruppe bilden die Pflanzen, bei denen die Ge- 
schlechtsorgane in den Blüthen verkümmern, sodass keine Be- 
fruchtung und folglich auch keine Samenbildung eintreten 
kann. Auch hier tritt dann die vegetative Vermehrung erst 
secundär als Ersatzmittel zur Erhaltung der Art ein. Von 
Cochlearia armoracia z. B. schreibt Darwin (l. c.), dass sie 
sich hartnäckig verbreitet (wohl durch Theilung des viel- 
köpfigen Wurzelstockes) und in verschiedenen Theilen von 
Europa naturalisirt worden ist, dass aber die Blüthen niemals 
Samen produciren: „Auch theilt mir, sagt Darwin, Professor 
Caspary mit, dass er diese Pflanze seit 1851 beobachtet, dass 
er sie aber nie befruchtet gesehen hat, und dies ist nicht über- 
raschend, da er kaum ein gutes Pollenkorn findet.‘ Warum 
die Pollenkörner degeneriren, weiss ich nicht, glaube auch, dass 
die Unfruchtbarkeit an Samen nur stellenweise vorhanden ist, 
denn in den floristischen Werken werden die Früchte und 
Samen ohne weitere Bemerkung beschrieben. 

Ferner können die Blüthen unfähig zur Fortpflanzung werden, 
wenn die Staubgefässe und vielleicht auch Fruchtblätterin Blüthen- 
blätter metamorphosirt werden und gefüllte Blüthen entstehen. In 
der Gartencultur ist dies eine häufige und von den Gärtnern auch 
beabsichtigte Erscheinung; solche Sorten mit gefüllten Blüthen 
werden natürlich nur durch Stecklinge oder Ableger irgend- 
welcher Art vermehrt, wie die gefüllten Rosen durch Oculiren. 
In der Natur entstehen seltener gefüllte Blüthen, woran dann 
häufig die Einwirkung von Milben (Phytoptus-Arten) schuld ist. 
Als Beispiel führt Kerner an: Cardamine uliginosa, „eine 
Pflanze, welche auf den feuchten Wiesen im Wiener Becken 
und noch häufiger in der Umgebung von Salzbur& und bei 
Ried in Oberösterreich mit gefüllten Blüthen wild wachsend 
angetroffen wird.“ An der Mehrzahl der Stöcke, deren Frucht- ° 


anlagen verkümmern, kommen an den genannten Standorten 
auf den Blättern Adventivsprosse zur Ausbildung, welche sofort 
zu neuen Pflanzen auswachsen. 

Es ist ausserdem bekannt, dass viele Bastarte steril sind oder 
wenigstens bei vielen in Folge von abweichenden Verhältnissen 
in der Structur einzelner Blüthentheile eine unvollkommene oder 
auch gar keine Befruchtung eintritt, sodass wenige oder auch gar 
keine keimfähigen Samen entstehen. Solche Bastarte zeigen aber 
nichtnur ein kräftiges vegetatives Wachsthum,sondern auch starke 
Neigung, sich durch Ausläufer und andere Arten von Knospen- 
bildung zu vermehren, was schon den älteren Beobachtern 
aufgefallen ist. Nach C. F. Gärtner!) stimmen die Be- 
obachtungen von Kölreuter, Sageret und Wiegmann 
mit den seinigen ganz darin überein, dass die Bastarte nicht 
nur ein üppiges Wachsthum in allen ihren Theilen zeigen, 
sondern auch ein ausgezeichnetes Sprossungs- und Wurzelungs- 
vermögen besitzen und sich dadurch leicht vegetativ vermehren. 
Auch „manche Hybriden, welche keinen so luxurirenden Wuchs 
haben, wie mehrere Dianthus-, Lavatera-, Linum-, Lycium-, 
Lychnis-, Lobelia-, Geum-, Pentstemon-Bastarte, stocken sich 
sehr um, und lassen sich leicht durch Ableger, Wurzeltriebe 
und Schnittlinge vermehren und fortpflanzen.“ Uebrigens ist 
die Ansicht Gärtners die, dass die Luxuriation und mit dieser 
die vegetative Vermehrung eine Eigenthümlichkeit gewisser 
Bastarte sei, die nicht mit ihrer Sterilität zusammenhänge, denn 
an mehreren absolut sterilen Bastarten hat er nur ein schwaches 
und beschränktes Wurzelungsvermögen beobachtet, während 
gerade diejenigen Bastarte, bei welchen man die meiste Frucht- 
barkeit bemerkt hat, die stärkste Luxuriation in allen ihren 
Theilen gezeigt haben. Indessen gibt er zu, dass bei den 
Hybriden die Störung der Geschlechtsthätigkeit und der Ent- 


I) Versuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzen- 
reich. Stuttgart 1849, p. 527 und 642. 


— 42 — 


wicklung ihrer Organe nicht ohne Folgen für das innere Leben 
dieser Gewächse sein werde und zu diesen Folgen hat er schon 
an früherer Stelle die Luxuriation, das Sprossungsvermögen 
und die längere Dauer ihres Lebens gerechnet. Wenn aber 
Gärtner unter den Gründen für die Ansicht, dass die Luxu- 
riation nicht mit der Sterilität zusammenhänge, auch den an- 
führt, dass bei den Diphyten (diöcischen Pflanzen), von denen 
ein Theil doch steril bleibt, keine solche Luxuriation auftrete, 
so kann diesem Grunde keine Bedeutung beigelegt werden, da 
die männlichen und die weiblichen Pflanzen der Diöcisten ge- 
wissermaassen nur zwei nothwendig zu einander gehörende 
Theile einer Art ausmachen, und die männliche Pflanze, von 
Anfang an nur zur Hervorbringung des Pollens bestimmt, nicht 
mit einer sterilen weiblichen verglichen werden kann. Kerner 
sieht in der gänzlichen oder theilweisen Unfruchtbarkeit hin- 
sichtlich der Samen bei Bastarten den Grund für ausgiebige 
Vermehrung durch Knospen und führt als Beispiele die spontan 
auftretenden Bastarte von Cirsium- und Verbascum-Arten an, 
welche sich durch eine reichliche Bildung von oberirdischen 
und unterirdischen weit und breit herumkriechenden Stock- 
sprossen auszeichnen. Dadurch kommt es, dass man an ge- 
wissen Stellen mehr Stöcke der Cirsium-Bastarte (C. pur- 
pureum und C. affıne) als ihrer Stammeltern findet. 

Bei manchen diöcischen Pflanzen beobachtet man, dass sie 
in einigen Ländern nur in dem einen Geschlecht vorkommen, 
also unter diesen Umständen steril bleiben müssen. ‚Stratiotes 
aloides wird hier nur in männlichen, dort nur in weiblichen 
Exemplaren gefunden, an anderen Orten in beiderlei Ge- 
schlechtern. Elodea canadensis kommt in Europa nur in weib- 
lichen Exemplaren vor, ebenso Lunularia vulgaris in Deutsch- 
land. Chara crinita ist über fast ganz Europa verbreitet, doch 
sind männliche Pflanzen nur aus Südfrankreich und Sieben- 
bürgen bekannt. Während Chara crinita durch parthenogene- 


tisch erzeugte Keime reichlich für ihre Vermehrung sorgt, 
wird bei den anderen das Fehlen der Keime durch ausgiebige 
Knospenbildung ersetzt: bei ‚Stratiotes durch die Ausläufer, 
bei Elodea durch die Verzweigung und Trennung der Sprosse, 
bei _Lunularia durch Brutknospen. Es ist aber hier die 
Knospenbildung keineswegs durch die Sterilität bedingt, 
sondern bei den einen als eine Eigenthümlichkeit der Wasser- 
pflanzen zu betrachten, bei Lunularia als eine solche, wie sie 
auch bei verwandten Lebermoosen, wie Marchantia, neben der 
Sporenbildung reichlich vorkommt. Ueberhaupt zeichnen sich 
Diöcisten nicht durch eine besondere Neigung zur Knospen- 
bildung auf Kosten der Keimbildung aus: wenn auch einige, 
wie Weiden, Pappeln, Dattel, Feige leicht und vor- 
zugsweise durch Stecklinge vermehrt werden, so stehen ihnen 
andere, wie Taxus, Mercurialis, Cycas, Juniperus, entgegen. Die 
Vermuthung, dass die Diöcisten wegen der Leichtigkeit, mit der 
bei ihnen Sterilität eintreten kann, besonders zur Knospen- 
bildung neigen würden, bestätigt sich also nicht. 

Die eben genannten Wasserpflanzen, ‚Stratiotes und Elodea, 
bei denen an Stelle der Samenbildung eine ausreichende vege- 
tative Vermehrung einzutreten pflegt, leiten uns zu dem 
schon oben (p. 130) geschilderten Verhalten zahlreicher Wasser- 
pflanzen über. Wir hatten gesehen, dass dieselben, wenn 
durch zu hohen Wasserstand Bedingungen eintreten, welche 
die Blüthenbildung oder die Bestäubung oder das Ausreifen 
der Früchte erschweren, überhaupt häufig nicht blühen und 
fructificiren, „sondern die rein vegetative Vermehrung vor- 
ziehen, um die Erhaltung der Art zu sichern.“ Auch bei ihnen 
ist es kaum fraglich, dass die Unterdrückung der Blüthen und 
somit auch der Früchte, als die Ursache anzusehen ist, aus 
welcher die vegetative Vermehrung stattfindet und dass nicht 
die Leichtigkeit der letzteren die erstere aufhebt. Denn von 
einigen Pflanzen scheint es, dass die Vermehrung durch 


Knospen nicht eintritt, selbst wenn die Keimbildung verhindert 
wird (Juncus supinus, Isnardia palustris, Elatine Alsinastrum, 
Sparganium simplex). So finden wir es auch bei einigen 
Kryptogamen nach Schenck (l. c. p. 109): eine Anzahl von 
submersen oder schwimmenden Laub- und Lebermoosen und 
Gefässkryptogamen kommen nur zur Sporenbildung, wenn ihr 
Standort periodisch der Trockenheit ausgesetzt wird oder wenn 
wenigstens der Wasserstand kein zu hoher ist, andernfalls 
bilden sie keine Sporen; dafür kann dann allerdings eine aus- 
giebige vegetative Vermehrung eintreten. Bei Marsilea quadri- 
folia pflanzen sich die im Wasser erzogenen Schwimmformen 
sogar fabelhaft rasch auf ungeschlechtlichem Wege fort, wäh- 
rend von Pilularia globulifera nur angegeben wird, dass sie 
in tiefem Wasser ohne Früchte bleibt. 

Schenck sagt, dass bei den betreffenden Archegoniaten 
die Fructification im Wasser bedeutend zurücktritt, „theils weil 
in diesem Medium günstigere Bedingungen für eine erhöhte 
Vegetation statthaben, theils weil sich im Wasser der Befruch- 
tungsvorgang nicht in der Weise abspielen kann, wie bei den 
Landarchegoniaten.“ Das letztere gelte besonders für die Moose. 
Die „erhöhte Vegetation“ kann nun auch zu einer vegetativen 
Vermehrung führen, die ja nach unserer Auffassung nur ein 
Wachsthum über die Grenzen des Individuums hinaus ist, sie . 
braucht dies aber nicht zu thun, und somit ist auch hier das 
wirkliche Eintreten der vegetativen Vermehrung erst dadurch 
hervorgerufen, dass die Pflanze keine Sporen oder Samen zu 
ihrer Ausbreitung bildet. Im Uebrigen steht es ganz im Ein- 
klange mit unserer in der Einleitung dargelegten Auffassung, 
dass auf die Erhaltung der Species durch besondere Fort- 
pflanzungsorgane um so länger verzichtet werden kann, je 
günstiger die Umstände sind, unter denen sich die Individuen 
befinden. Das letztere trifft für Wasserpflanzen eher ein, als 
für Landpflanzen, indem jene, solange sie unter Wasser leben, 


— 45 — 


keinen Mangel an Nahrung zu leiden brauchen und ungünstigen 
atmosphärischen Einwirkungen und den Angriffen von Seiten 
der Thierwelt und der pflanzlichen Schmarotzer weniger aus- 
gesetzt zu sein scheinen als die Landpflanzen. Jedenfalls ist 
zu betonen, dass es bei den Wasserpflanzen aus dem Reiche der 
Phanerogamen, Farne und Moose besonderer äusserer 
Umstände bedarf, wenn an Stelle der Keimbildung die Knospen- 
bildung treten soll und dass wir desshalb eher berechtigt sind, 
anzunehmen, die letztere trete nur als Ersatz für die erstere 
ein, als dass wir, ganz im Allgemeinen, das Ausbleiben der 
ersteren der grösseren Fähigkeit zu vegetativer Vermehrung 
zuschreiben. Dass nicht auch in dem einen oder anderen Falle 
das letztere Verhältniss von Ursache und Wirkung stattfinde, 
soll damit nicht durchaus bestritten werden. Mit Sicherheit 
lässt sich die Sache überhaupt nicht entscheiden, nicht einmal 
in dem Falle, wo wir ein vollständiges Fehlen der Keimbildung 
und eine rein vegetative Vermehrung finden, nämlich bei den 
Meeresalgen aus der Gattung Caulerpa. Es ist möglich, dass 
die grosse Leichtigkeit, mit der aus jedem abgetrennten Theile 
des Thallus ein neuer hervorwächst, die Keimbildung ganz 
überflüssig gemacht und aufgehoben hat, es ist aber auch 
möglich, dass zunächst die Schwärmsporen- oder Oosporenbil- 
dung aus irgend einem Grunde unterblieben ist und durch 
vegetative Vermehrung ersetzt worden ist. Die mit den 
Caulerpaceen nächstverwandten Familien und die Algen 
überhaupt scheinen mir keinen Anhalt zur Entscheidung der 
Frage zu geben. Es lässt sich nur sagen, dass es leichter 
denkbar ist, dass die Keimbildung als überflüssig wegen der 
ausgiebigen vegetativen Vermehrung ganz unterblieben ist, als 
dass sie zunächst aus irgend einem anderen Grunde fehlge- 
schlagen sein soll, da doch sonst die Schwärmsporen- und Ga- 
metenbildung bei anderen Algen reichlich und ohne Schwierig- 
keit zu erfolgen pflegt; allein gerade bei den mit Caulerpa nahe 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. Io 


verwandten Codiaceen kennt man die Schwärmsporenbildung 
nur für Halimeda und die Gametenbildung nur für Codium, 
während die Fortpflanzungsverhältnisse bei den übrigen 6 Gat- 
tungen unbekannt sind. 

Caulerpa kann somit vielleicht als eine Pflanze betrachtet 
werden, bei der im Gegensatz zu allen vorher angeführten spontan 
wachsenden Pflanzen die Propagationskraft zuerst so gesteigert 
wird, dass sie zur Unterdrückung der Reproduction führt. Mit 
noch grösserer Wahrscheinlichkeit können wir dies bei einer 
anderen Pflanze annehmen, die in ihrer Lebensweise einen 
directen Gegensatz zu Caulerpa bildet und geradezu als Luft- 
pflanze bezeichnet werden kann: ich meine die wurzellose 
epiphytische Tillandsia usneoides. Jedes abgerissene Zweig- 
stück dieser Pflanze, das an dem Geäste eines Baumes hängen 
bleibt, kann weiterwachsen und bildet dann einen der Bart- 
flechte ähnlichen herunterhängendeu Schweif. Diese Schweife 
werden, wie Schimper schreibt!), durch den Wind stark zer- 
fetzt und die abgerissenen Stücke fallen nicht nur theilweise 
auf die Aeste der Bäume, sondern können vom Winde auch 
auf grössere Entfernungen hin getragen werden, bis sie an 
einem Aste hängen bleiben. Noch besser sorgen die Vögel 
für die Verbreitung der Pflanze, indem sie dieselbe als Material 
zum Nestbau verwenden, da die verbauten Stücke sich nachher 
weiter entwickeln. Wie ergiebig die vegetative Verbreitung 
der Tillandsia usneoides sein muss, geht daraus hervor, dass 
sıe von Argentinien bis zum südlichen Nordamerika der ge- 
wöhnlichste und verbreitetste der phanerogamischen Epiphyten 
ist. Denn neben dieser Verbreitungsart kommt eine Ver- 
mehrung durch Samen kaum in Betracht, da die Pflanze nur 
selten blüht und in ihren Früchten nur wenige Samen ent- 


ı) Die epiphytische Vegetation Amerikas (Bot. Mittheilungen aus den 
Tropen, Heft 2, p. 31T). 


wickelt. Vielleicht sind manche geneigt, dieser seltenen Blüthen- 
und Samenbildung noch eine besondere Bedeutung insofern 
beizulegen, als sie sagen, dass es dadurch der Pflanze er- 
möglicht werde, nach langer ungeschlechtlicher Vermehrung 
wieder eine durch Verjüngung entstandene Generation zu er- 
zeugen und so die Art gelegentlich zu verjüngen. In unge- 
zwungener Weise wird man das seltene Blühen der Tillandsia 
usneoides als eine im Erlöschen begriffene Erscheinung be- 
trachten, indem man annimmt, dass diese Pflanze, die ja von 
regelmässig blühenden Pflanzen abstammt, sich noch nicht 
gänzlich an die neue Lebensweise accommodirt habe, aber im 
Begriffe stehe, die Keimbildung und mit ihr das Blühen gänz- 
lich zu unterlassen, weil es durch die ausgiebige vegetative 
Vermehrung überflüssig geworden ist. Dies passt nun freilich 
nicht zu der Anschauung, welche Schimper im Allgemeinen 
über die Vermehrung der Epiphyten äusserst, dass nämlich bei 
ihnen die vegetative Vermehrung desswegen eine weit grössere 
Rolle spiele, als bei Bodenpflanzen, weil die durch Samen und 
Sporen, welche nicht so leicht die geeigneten Stellen zur 
Keimung finden, bei ihnen unsicherer ist. So sollen sich 
Farne, Orchideen und Utricularien durch Stolonen- 
bildung, Araceen, Bromeliaceen, Carludovica, Peperomia 
u. a. dadurch verbreiten, dass die Nebenäste eines Spross- 
systems durch Absterben des Hauptsprosses selbständig werden. 
Wir können diese Neigung zur vegetativen Vermehrung wohl 
als eine Anpassung an die epiphytische Lebensweise betrachten; 
die Ausbildung der Reproductionsorgane bleibt dabei unge- 
schwächt bestehen oder wird vermindert. Ersteres ist der Fall 
bei vielen Bromeliaceen, unter denen nur die so ab- 
weichende Tillandsia usneoides eine Ausnahme macht, das 
letztere bei den Utricularien, von denen Schimper angibt, 
dass er sie nie mit Samen gefunden habe. Fraglich ist das 


auch schon früher genannte Oncidium Lemonianum (s. Fig. 7), 
Io* 


ee 148 it 


welches zwar regelmässig blüht, aber niemals fruchtet, sondern 
sich dadurch vermehrt, dass in den Axeln der unteren sterilen 
Brakteen des Blüthenstandes neue Sprosse entstehen, die mit 
der Mutterpflanze in Verbindung bleiben und auf diese Weise 
lange, von einem Baum zum anderen sich erstreckende Colonien 
bilden. Hier scheint es freilich eher, dass die Vermehrungs- 
sprosse sich ausgebildet haben, weil, vielleicht wegen Mangel 
an bestäubenden Insecten, die Blüthen keine Samen ent- 
wickelten, als dass die Entstehung der Vermehrungssprosse die 
Reproduction zurückgedrängt habe. Ein ähnliches Verhalten 
zeigt die, allerdings nicht epiphytische, Fourcroya gigantea 
(Fig. 22), insofern auch sie regelmässig blüht, aber niemals 


Fig. 22. A Foureroya gigantea. B F. Selloa. Theil eines Blüthenstandes 
mit Bulbillen (b). (Nach Bot. Mag.) 


Samen bildet, sondern sich dadurch vermehrt, dass „neben 
jeder Blüthe eine Brutknospe erscheint, welche allmählich zu 
einer, von grünen Blättern umhüllten Zwiebel heranwächst, 
noch ein Jahr am Blüthenschaft verbleibt, darauf abfällt und 


am Boden Wurzel schlägt“!). Auch hier dürften die Brut- 
knospen erst als Ersatzorgane für die fehlenden Samen sich 
ausgebildet haben, was um so wahrscheinlicher sein würde, 
wenn man fände, dass in einer Gegend ihres Verbreitungs- 
bezirkes die Fourcroya gigantea sich in normaler Weise durch 
Samen vermehrt, worüber mir aber nichts bekannt geworden ist. 

Aus dem, was über die spontan wachsenden Pflanzen bisher 
gesagt worden ist, ergibt sich, dass, wenn überhaupt, so doch 
nur ausnahmsweise das Fehlen oder Zurücktreten der ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung als eine F olge der vorherrschenden 
vegetativen Vermehrung eintritt, dass vielmehr in den bei 
weitem meisten Fällen gewisse äussere Umstände das Blühen 
oder die Ausbildung der Samen verhindern und dass dann die 
Natur, um die Art zu erhalten, zu dem Mittel der vegetativen 
Vermehrung greift. 

Wie ist es nun mit den cultivirten Pflanzen, von denen es, 
wie wir im zweiten Kapitel gesehen haben, eine ganze Reihe 
solcher gibt, welche nur auf vegetativem Wege vermehrt werden? 
Diese Vermehrungsweise ist in erster Linie desshalb angewendet 
worden und wird immer angewendet, weil sie die bequemere 
und schneller zum Ertrage führende ist. So könnte man ja die 
Dattelpalmen auch aus Samen ziehen, würde aber viel länger 
zu warten haben, bis aus dem Keimling ein Früchte gebender Baum 
entstände, als wenn man sogleich von einem Wurzelschössling 
ausgeht. In anderen Fällen, wie bei Aepfeln, Rosen 
u. dergl. ist bei der Anzucht aus Samen die Gefahr vorhanden, 
dass der Sämling nicht die Eigenschaften der Sorte bewahrt, 
sondern abweicht oder in den Zustand des Wildlings zurück- 
schlägt. Vielleicht haben auch einige der hier in Betracht 
kommenden Pflanzen schon, bevor sie in Cultur genommen 
worden sind, eine gewisse Neigung zur Sterilität gezeigt, schwer 


I) Schacht, Madeira und Tenerife, p. 19. 


geblüht oder ihre Samen selten reif werden lassen. Eine 
andere Frage ist nun, ob die fortgesetzte vegetative Vermehrung 
auf die Reproduction durch Samen hindernd einwirkt, sodass 
die Samenbildung, ja sogar das Blühen, allmählich als über- 
flüssig unterbleibt. Dieses würde natürlich nur eintreten dürfen, 
wenn die Samen von den Züchtern der betreffenden Pflanze 
nicht verwendet würden: wir finden aber auch, dass keine der 
Pflanzen, welche in der Cultur nur auf vegetativem Wege ver- 
mehrt werden, ihres Samens wegen cultivirt wird, sondern 
entweder wegen vegetativer Theile, Sprosse, Knollen u. dergl. 
oder wegen des Fruchtfleisches. Die Pflanzen hingegen, welche 
der Samen wegen cultivirt werden, wie die Getreidearten, 
Leguminosen, Cacao, Kaffee u. a., werden immer aus 
Samen gezogen. Sehen wir uns nun die auf vegetativem Wege 
vermehrten Culturpflanzen, welche schon im ersten Kapitel an- 
geführt wurden, noch einmal von dem soeben erörterten Ge- 
sichtspuncte aus an. 

An den Anfang stellen wir wieder die Banane. Sie wird 
bekanntlich ihrer Früchte wegen cultivirt, muss also blühen 
und Früchte tragen, auf deren Samen es aber nicht ankommt. 
„Obschon nun Blüthenstaub und normal ausgebildete Samen- 
knospen vorhanden sind, und der erstere sogar reichlich Pollen- 
schläuche treibt, so erfolgt dennoch niemals eine Befruchtung; 
die Samenknospen vertrocknen, während die Frucht heranreift. 
Von allen Musa-Arten mit essbaren Früchten sind desshalb 
keine Samen bekannt, dagegen bringt die Musa troglodytarum, 
mit ungeniessbarer Frucht, bekanntlich keimfähige Samen.“ 
Diese Angaben von Schacht (Madeira und Tenerife p. 39) 
sind noch dahin zu ergänzen, dass die Entwicklung oder das 
Fehlschlagen der Samen und das Fleischigwerden der Früchte 
vom Standorte abhängig zu sein scheinen. So bringt Musa 
Fehi Bert., mit essbaren Früchten, um so eher vollkommen 
entwickelte Samen hervor, je höher im Gebirge ihr Standort 


ZEN Te 


und je magerer der Boden ist, auf dem sie steht, während die 
Ausbildung des Fruchtfleisches in umgekekehrtem Verhältnisse 
steht!). Ob die cultivirten Bananen, welche als Musa sapien- 
tfium zusammengefasst werden können, jemals Samen producirt 
haben, wissen wir nicht, da ihre Cultur bekanntlich uralt ist; 
die wildwachsenden, wie sie jetzt noch in Ceylon gefunden 
werden, scheinen dies auch nicht mehr zu thun, sodass jeden- 
falls so viel feststeht, dass die allgemein und nothgedrungen 
angewandte Culturmethode nicht erst die Samenbildung ver- 
drängt hat. Man wird annehmen müssen, dass die Musa-Arten 
eine Neigung zur Sterilität haben und dass diese am stärksten 
bei M. sapientium ist, sodass desswegen zur Ausbreitung der 
Pflanzen die vegetative Vermehrung beitragen, ja bei M. sapien- 
tium vollständig für die Reproduction eintreten musste. Die 
Fähigkeit freilich, aus dem Rhizom neue Sprosse zu treiben, 
kann von Anfang an vorhanden gewesen sein und braucht 
nicht erst durch die Neigung zur Sterilität, über deren Grund 
wir nichts wissen, hervorgerufen worden zu sein. 

Der Feigenbaum hat mit der Banane die Eigenschaft 
gemeinsam, dass das essbare Fruchtfleisch sich unabhängig von 
dem Eintritt der Bestäubung ausbildet. Die morphologischen 
Verhältnisse sind freilich hier ganz andere und es schlagen 
bei der Feige nicht nur die Samen, sondern die ganzen eigent- 
lichen Früchtchen fehl, wenn nicht mit Hülfe der betreffenden 
Gallwespe, bei der Caprification, Blüthenstaub auf die weib- 
lichen Blüthen gebracht wird. Das Receptaculum wird aber 
überall auch da fleischig, wo gar keine männlichen Exemplare 
vorhanden sind, wenn nur die klimatischen Verhältnisse günstig 
sind. Man kann also bei der Feige nicht von einer Neigung 
zur Sterilität, sondern nur von einer Erschwerung der Be- 


I) Nach Petersen in Engler-Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, 
Musaceae, p. 9. 


fruchtung sprechen: wegen dieser und der Unsicherheit der 
Vermehrung durch Samen hat die Pflanze die Fähigkeit er- 
worben, sich leicht durch Stockausschlag auszubreiten. Diese 
Fähigkeit wird vom Menschen in der Cultur benutzt und auf 
die Zucht aus Samen wird ganz verzichtet; von einer Ein- 
wirkung der schon so lange betriebenen vegetativen Vermehrung 
auf die Ausbildung der Reproductionsorgane kann nichts be- 
merkt werden. 

Da die Dattelpalme ihrer Früchte wegen gezogen wird, 
dieselben aber nur ausbilden kann, wenn nach erfolgter Be- 
stäubung und Befruchtung der weiblichen Blüthen der Samen 
sich entwickelt!), so würde eine Beeinträchtigung der Repro- 
ductionskraft mit der Cultur unverträglich sein. Die Dattel- 
kerne keimen auch ohne Schwierigkeit, aber sehr langsam und 
die Entwicklung des Keimlings geht ebenfalls sehr langsam 
von statten. Es würde also sehr lange dauern, bis man die 
Pflanzen so weit herangezogen hätte, dass sie blühen können 
und dann wäre man noch auf den Zufall angewiesen, wie viele 
von ihnen fruchttragende und wie viele männliche, deren man 
ja nur wenige zur Bestäubung für viele weibliche bedarf, 
wären. Desshalb vermehrt man die Dattelpalme seit langer 
Zeit durch die abgeschnittenen Seitentriebe, die sich reichlich 
an der Basis älterer Stämme entwickeln. Es hat aber in diesem 
Falle die Ausbildung keimfähiger Samen nicht im geringsten 
nachgelassen bei fortgesetzter ausschliesslicher vegetativer Ver- 
mehrung in der Cultur. 

Beim Oelbaum wendet man die Vermehrung durch 
Stecklinge nicht bloss des schnelleren Erfolges wegen an, 


ı) Es muss wohl auf einem Irrthum beruhen, dass Darwin (Variiren 
d. Th. u. Pfl. etc. II, p. 193) die Dattel mit unter denjenigen Früchten auf- 
zählt, die ein essbares Fleisch entwickeln, auch wenn sie selten oder nie 
Samen enthalten. In Hinsicht der Culturmethode sei hier nochmals auf die 
Abhandlung Hansen’s über die Dattelpalme in „Prometheus“ 1890 ver- 
wiesen. 


sondern auch wegen der Schwierigkeit, mit welcher die Samen 
keimen (conf. p. 39). Worauf die geringe Keimfähigkeit der 
Oliven beruht, vermag ich nicht anzugeben; vielleicht wird sie 
auch nur in einigen Gegenden, deren klimatische Verhältnisse 
der Keimung ungünstig sind, beobachtet; der wilde Oelbaum 
scheint sich leicht durch Samen zu vermehren und soll durch 
Aussäung Wälder gebildet haben. Jedenfalls können wir 
nicht sagen, dass die geschlechtliche Fortpflanzung durch die 
vegetative Vermehrung beim Oelbaum beinträchtigt worden ist. 

Anders verhält sich die Sache beim Zuckerrohr, über 
dessen Cultur und Neigung zur Sterilität bereits oben (p. 69 
und 84) gesprochen wurde. Es sei hier nochmals her- 
vorgehoben, dass man nicht im Allgemeinen sagen kann, das 
Zuckerrohr blühe selten, wohl aber, dass es selten keimfähige 
Samen hervorbringt. Das Blühen hängt theils von der culti- 
virten Varietät ab, indem die eine leichter oder früher, die 
andere schwerer oder später blüht, theils von den äusseren 
Lebensbedingungen, unter denen es gezogen wird: so kommt 
es nach Schacht (l. c. p. 34) auf Madeira nur auf solchen 
Feldern zur Blüthe, welche tiefer gelegen und dazu der Sonne 
stark ausgesetzt sind. Dass keimfähige Samen entstehen können, 
hat Benecke, dem wir die ersten genaueren Untersuchungen 
der hier in Betracht kommenden Verhältnisse verdanken, 
nachgewiesen. Seine Meinung, die er sich aus mehrjähriger 
Beschäftigung mit der Zuckerrohrcultur gebildet hat, ist, dass 
die Pflanze unzweifelhaft im Begriff steht, ihre Fähigkeit, zu 
blühen und Früchte zu tragen, zu verlieren. In diesem Zu- 
stande habe sie sich jedenfalls schon befunden, als der Mensch 
ihre Cultur begann, und nichts spricht dafür, dass sie jemals 
in der Cultur durch Früchte vermehrt worden ist. Man zieht 
die Pflanzen aus Stecklingen, wie oben (p. 69) geschildert 
wurde. So wird denn auch im natürlichen Zustande nicht 
bloss der alte Stock durch neuen sogen. Wurzelauschlag ersetzt 


ee 


(wie man es auch an den Topfpflanzen der Gewächshäuser sieht), 
sondern es entstehen dadurch auch immer mehr neue Pflanzen, 
die so, freilich nur langsam, aber sicher, zu einer Verbreitung 
über ein. grösseres Gebiet führen; vermuthlich kann auch, 
wenn ein grosser Halm, durch Wind oder Thiere geknickt, 
sich auf die Erde legt, an seinem oberen Ende eine neue Aus- 
sprossung entstehen und so eine noch schnellere und weitere 
Verbreitung erfolgen. Diese Leichtigkeit der vegetativen Ver- 
mehrung scheint nun hier wirklich die Veranlassung zur be- 
ginnenden Sterilität gewesen zu sein, die um so auffallender 
ist, als sonst die Gräser eine grosse Menge fruchtbarer Samen 
zu erzeugen pflegen. Wenigstens wüsste ich nicht, welchen 
anderen Grund man für die schwindene Reproductionskraft 
des Zuckerrohres anführen könnte. Es kommt hinzu, dass der 
Züchter nicht nur kein Gewicht auf die Ausbildung der Samen 
legt, sondern das Blühen des Zuckerrohres sogar ungern sieht, 
weil dabei die benutzten Theile an Werth verlieren: so wird 
die Cultur die Neigung zur Sterilität noch unterstützen. 

Bei unseren Obstbäumen und Reben wird die Ver- 
mehrung durch Stecklinge aus den oben angegebenen Gründen 
angewendet, nämlich weil die Sämlinge zu langsam wachsen 
und zu leicht ausarten. Eine Beinträchtigung der Repro- 
ductionsorgane tritt nur insofern ein, als manche Kernobst- 
früchte, wie auch Orangen, und manche Weinbeeren weniger 
Samen als die Regel ist, oder gar keine Samen erzeugen. Es ist 
dies aber gewiss nicht zur Vermehrungsweise in Beziehung zu 
bringen, sondern beruht offenbar auf einem Correlationsver- 
hältniss zwischen Fruchtfleisch und Samen, insofern das Mate- 
rial nicht ausreicht, beides zur grösstmöglichen Vollkommenheit 
zu bringen. Während die meisten Gartenzüchter die bedeutende 
Grösse und anormale Entwicklung der Frucht als die Ursache 
und die Unfruchtbarkeit als das Resultat betrachten, hält 
Darwin die umgekehrte Ansicht für wahrscheinlicher, weil er 


findet, dass bei Bastarten die Neigung zur Sterilität ein 
üppiges Wachsthum der vegetativen Theile, der Blumen- 
blätter u. s. w., leicht zur Folge hat. Es ist aber bei den 
oben genannten Pflanzen gar kein Grund zur Unterdrückung 
der Samen zu finden, wenn man ihn nicht eben in der starken 
Ausbildung des Fruchtfleisches findet, auf die ja der Züchter 
hin arbeitet und die das vorhandene Material zunächst in An- 
spruch nimmt. 

Ein ähnliches Correlationsverhältniss lässt sich auch an- 
nehmen für die Knollengewächse. Bei einigen derselben, die nur 
vegetativ vermehrt werden, wie die Batate (Convolvulus Bata- 
tas), die Colocasie (Colocasia antiquorum), die Pfeilwurz 
(Maranta arundinacea) und die Kartoffel, ist eine Neigung 
zur Sterilität vorhanden, indem sie nur selten blühen, oder 
wenigstens, wie bei der Kartoffel, einige Varietäten sich so ver- 
halten, worüber im III. Kapitel gehandelt worden ist!). Wenn 
auch äussere Umstände, wie Feuchtigkeit und Lichtmangel, mit 
eine Rolle spielen bei der Unterdrückung der Blüthen, so 
dürfte doch in erster Linie hier desswegen die Leichtigkeit der 
vegetativen Vermehrung die Schuld tragen, weil die Ausbil- 
dung der besonderen knollenförmigen Vermehrungsorgane eine 
Eigenthümlichkeit der betreffenden Arten ist und ein anderer 
Grund für die mangelhafte Reproduction aus Samen fehlt. 
Hier können wir mit Darwin übereinstimmen, nach welchem 
es eine wahrscheinlichere Ansicht ist, „dass Pflanzen, welche 
sich nach der einen Methode reichlich fortpflanzen (nämlich 
durch Knospen), nicht hinreichende Lebenskraft oder organi- 
sirte Substanz für die andere Methode der sexuellen Zeugung 
besitzen‘‘ — wahrscheinlicher, als „dass die geschlechtliche 
Sterilität in Folge veränderter Lebensbedingungen die pri- 


I) Die Angabe über die Maranta bezieht sich wenigstens auf Madeira 
mach Schacht,l. c, p. 21.) 


sen 156 u 


märe Ursache ist, welche zu der excessiven Entwicklung der 
Vegetationsorgane führt.“ Freilich giebt es auch Knollen- 
gewächse, bei denen die Vermehrung durch die Knollen die 
Blüthen- und Fruchtbildung nicht zu beeinträchtigen scheint, 
wie Dioscorea Batatas, Helianthus tuberosus, Dahlia variabilıs, 
woraus dann aber nur zu schliessen ist, dass die eine Erschei- 
nung die andere nicht immer nach sich ziehen muss. 

Es ist schliesslich bekannt, dass eine Anzahl ihrer Blumen 
wegen gezogener Gewächse steril sind, die also durch Ableger, 
Stecklinge u. dergl. vermehrt werden. Die Ursache kann eine 
verschiedene sein und es soll hier nur an einiges erinnert werden, 
was dafür in Betrachtung kommt. Viele dieser Ziergewächse 
sind Bastarte, und wir haben schon oben gesehen, dass sie gern 
steril sind. Bei gefüllten Blüthen ist eine Befruchtung oft 
ganz unmöglich oder doch erschwert. Ferner ist bei auslän- 
dischen Pflanzen aus wärmeren Gegenden das Klima nicht ge- 
eignet, um die Früchte reifen oder nur sich ansetzen zu lassen, 
wenn auch die Blüthen normal ausgebildet werden; bei solchen 
bedarf es vielleicht auch manchmal besonderer Insecten zur 
Bestäubung, die an dem Ort der Cultur nicht vorhanden sind. 
Unter diesen Verhältnissen würde also die Sterilität nicht von 
der vegetativen Vermehrungsweise abhängig sein. Es mag 
aber wohl auch jene von dieser hervorgerufen werden können, 
wenigstens führt C. F. Gärtner!) unter den speciellen Ur- 
sachen des Abortus der Ei’chen in den Fruchtknoten auch an 
„besondere Culturverhältnisse: z. B. Emten, Schnittlinge und 
Absenker erzeugen viel häufiger taube und abortirte Samen, 
als die aus Samen erzeugten Pflanzen derselben Art.“ 

Ueberblicken wir nun die im Vorhergehenden angeführten 
Erscheinungen, so finden wir, dass sowohl bei den spontan 


I) Versuche und Beobachtungen über die Befruchtungsorgane der 
vollkommenen Gewächse. Stuttgart 1844, pP. 444. 


wachsenden als auch bei den cultivirten Pflanzen, wenn sie 
eine Beeinträchtigung in der Blüthen- oder Fruchtbildung oder 
vollständigen Mangel daran zeigen, dafür aber reichlich auf 
vegetativem Wege sich vermehren oder vermehrt werden, sich 
dies. in den meisten Fällen darauf zurückführen lässt, dass 
äussere Umstände dem Blüthen- oder Fruchtansatz hinderlich 
sind, wofür dann die Ausbildung besonderer knospenartiger 
Vermehrungsorgane oder die Fähigkeit, durch Stecklinge und 
dergleichen vermehrt zu werden, tritt. Geringer ist die Zahl 
derjenigen Fälle, in denen wir Grund haben, anzunehmen, dass die 
vorwiegende oder ausschliesslich vegetative Vermehrungsweise 
das Primäre ist und die Pflanzen aus dieser auf natürlichem 
Wege erlangten oder durch die Cultur ihnen aufgenöthigten 
Gewohnheit sich die Fortpflanzung durch Samen, ja sogar das 
Blühen selbst abgewöhnt haben, oder dies zu thun im Begriffe 
sind. Das Resultat, zu dem wir gelangt sind, ist ziemlich das- 
selbe, zu dem auch Darwin bei Erörterung der Fragen nach 
den Ursachen der Sterilität in dem mehrfach citirten Kapitel 
gekommen ist. Auch er hat, wie schon angedeutet, bei der 
Besprechung der einzelnen Fälle, einmal die vegetative Ver- 
mehrung als Ursache der Sterilität angenommen, das andere 
Mal diese aus jener erklärt und äussert sich im Schluss- 
abschnitt (p. 197) folgendermaassen: „Die Ansicht, welche die 
wahrscheinlichste zu sein scheint und welche alle vorstehenden 
Thatsachen mit einander in Verbindung bringt und unter unseren 
vorliegenden Gegenstand begreifen lässt, ist die, dass veränderte 
und unnatürliche Lebensbedingungen zuerst eine Neigung zur 
Sterilität veranlassen, und da in Folge hiervon die Reproductions- 
organe nicht länger im Stande sind, ihre ihnen eigenen Func- 
tionen zu erfüllen, so strömt eine Quantität organischer Sub- 
stanz, welche zur Entwicklung des Samens nicht erforderlich 
ist, entweder in dieselben Organe und macht sie blätterig oder 
in die Früchte, Stämme, Knollen u. s. f. und vermehrt ihre 


— 1538 — 


Grösse und Saftigkeit. Ich bin aber weit entfernt, leugnen 
zu wollen, dass es unabhängig von einer beginnenden Sterilität 
einen Antagonismus zwischen den beiden Formen der Repro- 
duction gibt, nämlich zwischen der durch Samen und der durch 
Knospen, wenn eine von beiden bis zu einem äussersten Grade 
geführt wird.“ 


KAPITEL V. 


Ueber Entstehung und Bedeutung der geschlechtlichen 
Fortpflanzung im Pflanzenreiche. 


In den vorhergehenden drei Kapiteln handelt es sich 
meistens um Blüthenpflanzen, und bei’ diesen gibt es nur eine 
Art der Reproduction durch Keime: die sog. geschlechtliche 
Fortpflanzung, bei der ein Ei mit einer befruchtenden Zelle 
verschmilzt und das Copulationsproduct sich zum Embryo ent- 
wickelt. Eine solche geschlechtliche Fortpflanzung ist also bei 
allen Phanerogamen vorhanden und höchstens ausnahmsweise 
einmal durch vegetative Vermehrung ersetzt, wobei dann aber 
wenigstens die Sexualorgane ausgebildet zu werden pflegen; 
sie ist sodann bei den meisten Thieren und vor allem bei der 
grossen Classe der Thiere, zu der die Naturgeschichte auch 
den Menschen rechnet, die alleinige Art der Fortpflanzung. 
Desshalb hat man, wie schon in der Einleitung (p. 8) gesagt 
wurde, auf die zur Entstehung des neuen Organismus noth- 
wendige Vereinigung zweier Geschlechter ein solches Gewicht 
gelegt, dass man die Fortpflanzung im Allgemeinen wesentlich 
danach unterschieden hat, ob sie geschlechtlich oder unge- 
schlechtlich erfolge, während ich mich hier, in Uebereinstimmung 
mit anderen Autoren, bemühe, zu zeigen, dass der Haupt- 
unterschied darin liegt, ob die Fortpflanzung durch Keime oder 
durch Knospen erfolgt. Es ist zwar auch hierbei die Grenze 


re 


keine ganz scharfe, allein es führt unsere Anschauung doch nicht 
zu solchen Unzuträglichkeiten, dass die Sporen der Pilze, Moose 
und Farne einerseits in dieselbe Classe der Vermehrungs- 
organe gerechnet werden, wie die Knollen der Kartoffel, 
andererseits den Samen der Blüthenpflanzen gegenübergestellt 
werden, während sie mit ihnen biologisch doch ganz gleich- 
werthig sind, ja dass die nicht copulirenden Schwärmsporen in 
jene erste Classe, die copulirenden aber in die andere gestellt 
werden. Hier, in diesem zuletzt erwähnten Puncte, lässt sich 
nun am besten zeigen, dass die Vereinigung zweier Keime zur 
Bildung eines neuen etwas Secundäres ist!) und dass sich die 
Bildung geschlechtlich erzeugter Keime ganz schrittweise von 
der der ungeschlechtlich entstehenden ableiten lässt. Ich will 
desshalb die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung 
hier etwas weiter ausführen und untersuchen, warum dieselbe 
bei den höheren Organismen zur herrschenden geworden ist, 
also zeigen, welche Vortheile aus ihr erwachsen und welche 
Bedeutung sie besitzt ?). 

Bevor wir aber auf eine Betrachtung der Formen, unter 
denen die geschlechtliche Fortpflanzung auftritt, eingehen, 
wollen wir noch darauf hinweisen, wie diese Formen von dem 
ganzen Bau und der Lebensweise der Pflanzen abhängen, 
wenigstens soweit uns dies zu verstehen möglich ist; dabei 
sehen wir auch, wie bei einigen Pflanzen die Sexualität sich 
nicht ausbildet, sondern im Gegentheil eine rein ungeschlecht- 
liche Keimbildung zur Regel wird. | 

Wie für chemische Verbindungen im Allgemeinen der Satz 
gilt: corpora non agunt nisi soluta, so ist auch für die Um- 


ı) Vgl. hierzu auch Klebs, Ueber einige Probleme der Physiologie 
der Fortpflanzung. Jena 1895, p. 24. 

2) Dieses Kapitel erschien als besonderer Aufsatz im biologischen 
Centralblatt, Bd. XVI, p. 129—153, ist aber hier mehrfach umgearbeitet und 
erweitert. 


= 7107, — 


änderungen im plasmatischen Leibe der Zelle das Vorhandensein 
von Feuchtigkeit erforderlich. Wenn sich zur geschlechtlichen 
Zeugung zwei Zellen mit einander verbinden sollen, so ist dies 
nur möglich, wenn dieselben nicht von Membranen umkleidet 
sind und solche sog. nackte Zellen wiederum können nur im 
Wasser oder in einer mit Wasserdampf gesättigten Luft 
existiren. Bei Pflanzen, die im Wasser leben, können also die 
zur Copulation bestimmten Zellen der einen Pflanze in das 
Wasser austreten, um dort mit den entsprechenden der 
anderen Pflanze zu copuliren und dieses Verhältniss finden wir 
bei den Algen. Um sich leichter zu treffen, bewegen sich die 
Geschlechtszellen lebhaft und sind dazu mit Geisseln versehen. 
Es braucht aber nur eine Zelle beweglich zu sein, wenn diese 
die andere aufsucht: jene andere muss aber dann in einem 
offenen Behälter liegen, zu dem diese im Wasser gelangen 
kann. Auch dies ist bei den Algen zu finden und ausserdem 
bei den Bryo- und Pteridophyten, die ja im Wasser oder an 
feuchten Stellen wachsen und bekanntlich ihre Befruchtung 
nur im Wasser vollziehen können. Sind die Lebensverhältnisse 
der Pflanze nicht derart, dass die Befruchtung im Wasser vor 
sich gehen kann, so müssen complicirtere Einrichtungen ge- 
troffen werden, damit die befruchtende Zelle zu der zu be- 
fruchtenden gelange und ihre Plasmakörper verschmelzen: dies 
muss innerhalb des Pflanzenkörpers selbst geschehen. Unter 
Berücksichtigung dieser Verhältnisse können wir uns die Ent- 
stehung der Fortpflanzungsorgane einer Blüthenpflanze aus 
denen einer Gefässkryptogame etwan in folgender Weise con- 
struiren. 

Wir denken uns von der letzteren Classe eine solche, die 
in ihren Eigenschaften sich an Selaginella und Salvinia zu- 
gleich anschliessen würde: sie habe Makrosporangien mit je 
einer Makrospore, in welcher das Prothallium eingeschlossen 


bleibt. Es verbleibe nun das Makrosporangium mit der Makro- 
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. II 


— 12 — 


spore an der Pflanze und falle nicht ab: dann muss die Mikro- 
spore zu der Makrospore übertragen werden und dies ist der 
Process, den wir Bestäubung nennen, zu seiner Ermöglichung, 
also zum Auffangen und Festhalten der Mikrosporen müssen 
auch eine ganze Anzahl von Einrichtungen getroffen werden, 
und unter diesem Gesichtspunkte erklärt sich der oft so com- 
plicirte Blüthenapparat und zwar mit Hinsicht nicht bloss auf 
die weiblichen, sondern natürlich auch auf die männlichen 
Organe. Für die Schlauchbildung, durch welche die be- 
fruchtende, männliche Zelle aus der Mikrospore zu dem Ei ge- 
leitet werden muss, finden wir die Anlage schon bei Salvinia ; 
während aber hier der Schlauch noch die frei beweglichen 
Antherozoiden entlässt, dringt er dort bis zum Ei und erspart 
es so der männlichen Zelle, sich mit Cilien zu versehen. Wir 
können hinzufügen, dass sich auf diese Weise auch die Samen- 
bildung im Gegensatz zur Sporenbildung erklären lässt; denn 
während bei den Kryptogamen die Makrosporen als Ver- 
breitungsmittel dienen, bleiben sie ja bei den Phanerogamen 
an der Pflanze und die Verbreitung der Keime wird auf einen 
späteren Zeitpunkt verschoben, nämlich bis zu dem, wann sich 
aus der befruchteten Eizelle der Keim soweit entwickelt hat, 
als es ihm innerhalb der Makrospore und des Makrosporangiums 
möglich ist. Die ungeschlechtliche Bildung von Keimen unter- 
bleibt bei den Blüthenpflanzen. 

Haben wir so deren Fortpflanzungsweise in groben Zügen 
von der der höheren Kryptogamen und somit auch indirect 
von der der Algen abgeleitet, indem wir dem Medium, in dem 
die Pflanzen leben und speciell die Befruchtung erfolgt, einen 
wichtigen Einfluss zuschreiben, so können wir nun auch die 
Vermehrungsweise der Pilze von der der Algen unter diesem 
Gesichtspunkte ableiten. Die Pilze sind, als Saprophyten und 
Parasiten, dazu bestimmt, auf einer verhältnissmässig tiefen 
Stufe der Organisation zu verbleiben und die complicirten Ein- 


mr 163 ee 


richtungen zur Befruchtung, wie wir sie bei den Blüthenpflanzen 
antreffen, werden bei ihnen nicht ausgebildet!). Die Folgen der 
terrestrischen Lebensweise zeigen sich hier als ein Erlöschen 


der Sexualität. Es ist sehr wahrschein- 
lich, dass die Pilze von den Algen ab- 
stammen, und es unterscheiden sich die 
den Ausgang bildenden Formen von 
den Algen wesentlich nur durch den 
Mangel des Chlorophylis: wie jene sind 
sie fadenförmig, leben im Wasser, bilden 
Schwärmsporen und werden darum mit 
Recht als Phycomyceten bezeichnet. 
Bei einzelnen, wie bei Monoblepharis, fin- 
den wir auch dieselbe Form der ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung wie bei 
Algen: Befruchtung eines ruhenden Eies 
durch eine bewegliche männliche Zelle 
(Fig. 23). Bei den anderen wird keine 
frei bewegliche männliche Zelle mehr 
entwickelt, sondern das befruchtende 
Element wird durch einen Schlauch, 
ähnlich wie bei den Phanerogamen, zu 
dem Ei geleitet. Dies tritt sowohl bei den 
aquatischen Saprolegnieen als auch 
bei den terrestrischen Peronosporeen 


ein. 


Fig. 23. Monoblepharis 
sphaerica, «a (Geöffnetes 
Oogonium mit Ei. 5 An- 
theridium, aus dem die 
Spermatozoidien aus- 
schlüpfen ; zwei derselben 
haben sich an das Oogo- 
nium angesetzt. (Nach 
Cornu.) 


Bei einigen Peronosporeen tritt der Inhalt des Anthe- 


ridiums noch in den des Oogoniums über, bei anderen nicht 
mehr; bei einigen Saprolegnieen wird vom Antheridium 


I) Es ist dagegen natürlich, dass die wasserbewohnenden und sapro- 


phytischen oder parasitischen Phanerogamen 


in den Fortpflanzungsver- 


hältnissen im Wesentlichen mit den in der Luft lebenden und sich selb- 
ständig ernährenden übereinstimmen, da sie sich ja erst nachträglich von 


diesen abgeleitet haben. 


DIS 


BI- 164 u 


noch ein Befruchtungsschlauch gebildet, aber er öffnet sich 
nicht mehr, bei anderen Arten bleiben die Antheridien ohne 
Befruchtungsschlauch und bei noch anderen fehlen die Anthe- 
ridien überhaupt, wie z. B. bei ‚Saprolegnia monilifera: Die 
Sporen sind hier nur aus der Analogie mit anderen Arten als 
parthenogenetisch gebildete Oosporen aufzufassen, in Wirklich- 
keit aber unterscheiden sie sich nicht von den Sporen, die bei 
anderen Pilzen asexuell in einem Sporangium entstehen. Eine 
geschlechtliche Fortpflanzung findet sich auch bei der anderen 
Gruppe der Algen-ähnlichen Pilze, den Zygomyceten; bei 
ihnen wird aber kein Ei mehr gebildet, sondern es copuliren 
nur zwei gleichartige und zwar aus demselben Mycelium ent- 
springende Myceläste und geben als Product eine Zygospore!). 

Diese Zygomyceten sind schon sämmtlich dem Leben in 
der Luft angepasst wie die höheren Pilze, die den Phycomy- 
cetenalsMycomyceten gegenübergestellt werden. Beiihnen 
werden nach Brefeld die Sporen nur noch auf ungeschlecht- 
lichem Wege erzeugt, theils innerhalb eines Sporangiums, das, 
wenn die Zahl der Sporen in ihm eine bestimmte (meist 8) ist, 
Ascus genannt wird (Ascomyceten), theils werden sie äusserlich 
abgeschnürt?) von einem Träger, der, wenn er eine bestimmte 
Form besitzt und eine bestimmte Anzahl von Sporen (meist 4) 
bildet, Basidie heisst (Basidiomyceten). Für die letzteren 
scheint es sicher zu sein, dass ihnen jede Spur einer geschlecht- 
lichen Fortpflanzung verloren gegangen ist; für de Ascomy- 
ceten lässt sich nach neuesten Untersuchungen ?) ein Sexualact 
in einzelnen Fällen noch insofern annehmen, als der Bildung 


ı) Das Verhalten der Zellkerne bei der Zygosporenbildung ist von 
Leger für Sporodinia grandis untersucht. (Revue gen£rale de botanique, 
T. VIL, p. 481—496. Pl. 18—21. 1805.) 

2) Ueber die Vermuthung, dass auch diese Sporen durch Zellver- 
jüngung entstehen, vergl. oben p. IO. 

3) Harper, Die Entwicklung des Peritheciums bei Sphaerotheca Castagnet. 
(Berichte der deutschen botan. Gesellsch. 1895, Bd. XIII, p. 475.) 


in 165 en 


der Sporangien oder Schläuche eine Copulation zwischen der die 
Sporangien producirendenZelle und der eines benachbarten Myce- 
liumastes vorausgeht, ein Vorgang, der sich von der Copulation 
bei den Zygomyceten ableiten lassen und die Sexualität 
auf ihrer letzten Stufe vor dem gänzlichen Erlöschen repräsen- 
tiren würde. Es kommen dann noch Kernverschmelzungen in 
einer Zelle, die zur Sporenbildung in Beziehung stehen, bei 
Pilzen vor, hierbei ist aber, meiner Meinung nach, überhaupt 
nicht mehr an sexuelle Vorgänge zu denken !). 

Uebrigens bedürfen die Verhältnisse bei den Ascomyceten, 
welche oben berührt wurden, weiterer Untersuchungen noch sehr 
und es kann desshalb hier noch nicht näher darauf eingegangen 
werden. Jedenfalls ist deutlich und erklärlich, dass die Pilze 
aus den oben angegebenen Gründen die geschlechtliche Fort- 
pflanzung verlieren und dafür um so reichlicher ungeschlechtlich 
erzeugte Keime bilden, deren Form der terrestrischen Lebens- 
weise angepasst ist. 

Wenn sich nun beim Aufsteigen in dem System der Pilze 
eine Reduction der Sexualorgane bis zum Schwinden der 
Sexualität ergibt, so können wir andererseits erwarten, eine 
Complication in dem Sexualprocess ?), eine complicirtere Structur 
der Sexualorgane zu finden, wenn wir in dem System der 
Algen aufwärts steigen und zu Moosen, Gefässkryptogamen 
und Phanerogamen gelangen. Ganz im Allgemeinen trifft dies 
auch zu: die Phanerogamen, speciell die Angiospermen mit 
ihrer Blüthenbildung und Bestäubung, stehen entschieden am 
höchsten und die Gefässkryptogamen und Moose mit ihrem 


I) Vgl. den Aufsatz von Poirault und Raciborski über conjugate 
Kerne u. s. w. im biologischen Centralblatt Bd. XVI, p. 24. 

2) Es kann sich hier natürlich nur um die die eigentliche Befruchtung, 
die ja überall in gleicher Weise in der Verschmelzung zweier Zellen besteht, 
begleitenden und vorbereitenden Umstände handeln, sodann aber auch um 
die Verschiedenheit zwischen den beiden Gameten. 


— 16 — 


regelmässigen Generationswechsel stehen in dieser Hinsicht über 
den Algen. Im Einzelnen aber ist keine solche Harmonie zwischen 
dem complicirteren Bau des Pflanzenkörpers und dem der Sexual- 
organe vorhanden. Bei den Angiospermen sind die eigent- 
lichen Befruchtungsorgane ja im Wesentlichen überall die 
gleichen, die Complication liegt in den Bestäubungseinrichtungen 
und diese sind ganz unabhängig von der einfacheren oder 
höheren Organisation der Pflanze, wie sich z. B. aus dem Ver- 
gleich einer kleinen krautigen Orchidee mit einer Palme oder 
Eiche ergibt. Aehnlich verhält es sich in der Classe der Ge- 
fässkryptogamen, wo eine der einfachsten, die Azolla, den 
complicirtesten Befruchtungsapparat ausbildet. Die. grossen 
Brauntange des Meeres aber können, was ihren morphologischen 
Aufbau und ihre Structur betrifft, gewiss auf eine Stufe mit 
einfacheren Farnen, ja auf eine höhere Stufe als die meisten 
Moose gestellt werden; dem entspricht aber keineswegs die 
Entwicklung des Fortpflanzungsapparates. Während wir es 
von den Moosen an aufwärts stets mit sexueller Fortpflanzung 
zu thun haben, so zeigen sich bei den Algen alle Stufen von 
der asexuellen zur sexuellen Keimbildung und wir können hier 
viel eher von einer Vervollkommnung in dieser Beziehung im 
Vergleich mit der in der übrigen Organisation des Körpers 
sprechen. Da treffen wir nun gerade bei den erwähnten Braun- 
tangen das Merkwürdigste: eine Abtheilung derselben, die 
Fucaceen, besitzt einen hoch organisirten Thallus und zu- 
gleich geschlechtliche Fortpflanzung mit grosser Verschiedenheit 
zwischen männlichen und weiblichen Gameten, die Lami- 
nariaceen aber, welche mindestens eine ebenso complicirte 
Organisation ihres Thallus aufweisen können wie die Fuca- 
ceen, stehen noch auf der untersten Stufe der Fortpflanzung, 
wie sie bei Brauntangen gefunden wird, indem ihre Keime sich 
als einfache Schwärmsporen gänzlich ungeschlechtlich ent- 
wickeln. Die Algen überhaupt, untereinander verglichen, zeigen, 


3 167 et 


dass die Ausbildung der Sexualität wenig mit der der übrigen 
Organisation zu thun hat. So hat es unter den Siphoneen 
nur die äusserst einfach gebaute Vaucheria zur oogamen Fort- 
pflanzung gebracht, nicht aber die Gruppe der: im Aufbau 
des Thallus am höchsten stehenden Dasycladaceen. Die 
höchste Stufe in den Verhältnissen der Fortpflanzung nehmen 
— wenn wir von den Florideen absehen — unter den Algen 
kleine, einfache oder verzweigte Fadenalgen, die DOedogonia- 
ceen, ein. Bei ihnen findet sich nicht nur ein deutlicher 
Unterschied zwischen den männlichen und den weiblichen 
Gameten, sondern bei einigen Oedogonium- und bei den Bulbo- 
chaete-Arten ein höchst merkwürdiger Generationswechsel bei 
der Entstehung der männlichen Sexualorgane, indem aus einer 
Schwärmspore eine kleine männliche Pflanze, eigentlich nur ein 
Antheridium (Zwergmännchen genannt) entsteht, das dann die 
männlichen Gameten producirt. So hält denn bei den Algen 
die Steigerung in der Ausbildung der Sexualität keineswegs 
gleichen Schritt mit der in der Vervollkommnung der Organi- 
sation der vegetativen Theile, wofür noch mehrere Belege an- 
zuführen nicht schwer sein würde. Es würde dies in mancher 
Hinsicht die von Sachs ausgesprochene Anschauung !) be- 
stätigen, dass die Chlorophyceen keine einheitliche Classe 
bilden, sondern verschiedene „Architypen“ enthalten, von denen 
z. B. die Dedogoniaceen einen bilden. Jedoch auch von 
diesem Standpunkte aus würde unsere Betrachtung nicht über- 
flüssig sein, denn es handelt sich hier um einen Vergleich 
der Fortpflanzungsverhältnisse mit den übrigen Organisations- 
verhältnissen überhaupt und zudem können wir unter den 
Brauntangen und Siphoneen wirklich die Glieder einer Familie, 
eines „Architypus“ mit einander vergleichen. Wenn also 
auch unzweifelhaft die Sexualität mit der Einführung eines 


ı) Physiologische Notizen. No. X. Flora 1896, p. 201. 


— 18 — 


neuen Bedürfnisses neue Ansprüche an die Organisation stellt, 
so kann doch bei den Algen wegen ihrer aquatischen Lebens- 
weise dieses Bedürfniss auf so einfache Weise befriedigt werden, 
dass vielleicht nur der Bau der eigentlichen Sexualorgane, 
nicht aber die übrigen Theile des Pflanzenkörpers, davon be- 
einflusst werden. Mit der Schwierigkeit, die sexuellen Zellen 
zu vereinigen, wird auch das Bedürfniss besonderer Organi- 
sationsverhältnisse gegeben, wie wir theils schon zu schildern 
versucht haben, theils noch sehen werden. 


Jetzt wollen wir, um die Entwicklung der Sexualität ge- 
nauer kennen zu lernen, von unten anfangend, die verschiedenen 
Gruppen des Pflanzenreichs an uns vorüber ziehen lassen und 
sie auf die Verhältnisse ihrer Fortpflanzung hin untersuchen. 
Es kommt uns dabei nicht bloss auf die äussere Form der 
letzteren an, sondern auch auf die subtileren Vorgänge in den 
Veränderungen der Fortpflanzungszellen, welchen Vorgängen 
in letzter Zeit gerade eine besondere Beachtung zu Theil ge- 
worden ist. 


Sachs!) hat sehr treffend gesagt, dass man den sog. 
Stammbaum des Pflanzenreichs besser als mit einem Baume mit 
einer Pflanze vergleicht, deren kriechendes Rhizom eine Anzahl 
aufrechter Sprosse von verschiedener Grösse neben einander 
entwickelt. Dieses Rhizom nun bilden wahrscheinlicher Weise 
kleine Flagellaten-artige Organismen, die sich lediglich durch 
Theilung vermehren ?). Von ihm gehen die einfachsten grünen 
Algen aus, die, sich weiter entwickelnd, den Hauptspross liefern, 
dessen oberste Aeste die Angiospermen und Gymnospermen 
darstellen. 


Direct von den Urformen abzuleiten sind wohl ferner die 


I) In der eben citirten physiolögischen Notiz. 
2) Conf. Klebs, Flagellatenstudien, in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 
1892. Bd. LV, p. 428. 


un 169 en 


Conjugaten, die Diatomeen und Dinoflagellaten und 
jedenfalls auch die Cyanophyceen. Die Phaeophbyceen 
können vielleicht auch vermittelst einfachster brauner Algen 
direct auf die Urformen zurückgeführt werden, sie schliessen 
sich aber in der Entwicklung ihrer Fortpflanzungsverhältnisse 
an die grünen Algen an. Die Florid.een zeigen manche Be- 
ziehungen zu den blaugrünen Algen, vielleicht aber auch leiten 
sie sich von einfachen Chlorophyceen ab: diese Frage 
kann meiner Meinung nach bis jetzt noch nicht mit Sicher- 
heit entschieden werden; wir müssen, was die Fortpflanzungs- 
verhältnisse betrifft, die Florideen für sich betrachten. 
Beginnen wir nun unsere Uebersicht mit den blaugrünen 
Algen oder Cyanophyceen, die auf einer ziemlich tiefen 
Stufe der Entwicklung stehen geblieben sind. Sie vermehren 
sich hauptsächlich durch Zelltheilung und durch unbewegliche 
Sporen. Von letzteren nahm man bisher allgemein an, dass sie 
durch Umwandlung einer gewöhnlichen vegetativen Zelle in 
eine Dauerzelle entstehen. Bei einigen Anabaena-Arten aber 
hat Borzi beobachtet, „dass die sich zur Spore umwandelnde 
Zelle stets erst durch eine Wand in zwei Zellen zerlegt wird. 
Diese beiden Zellen trennen sich aber nicht von einander, 
sondern es findet vielmehr später eine Auflösung der trennenden 
Querwand und eine abermalige Vereinigung zu einer Zelle, die 
sich eben zur Spore ausbildet, statt. Ob dieser Process als 
Sexualact aufzufassen ist, lässt Borzi unentschieden“!). Ich 
glaube, dass wir hier nicht von einem Sexualact sprechen 
können, weil es ja doch von vornherein nur eine Zelle ist, die 
zur Spore wird; dass diese Zelle sich vorher nochmals theilt 
und die Tochterzellen wieder verschmelzen, ist nur eine Com- 
plication des Vorganges, deren Bedeutung uns vorläufig un- 


ı) Nach Referat im botan. Centralblatt, Beihefte, Bd. VI, p. 87; Bor- 
zi’s Arbeit: Probabili accenni di conjugazione presso. alcune Nostochinee 
findet sich in Boll. della Societä botanica italiana, 1895, p. 208—21O0. 


verständlich bleibt. Das Fehlen der Sexualität bei diesen Algen 
hat man, wohl nicht mit Unrecht, in Verbindung gebracht mit 
der Constitution der Zellkerne, welche abweichend von denen 
der anderen Pflanzen gebaut sind und keine karyokinetischen 
Figuren bilden. Dies ist wenigstens die allgemeine Annahme 
und auch Bütschli in seinem letzten Werke über die Cya- 
nophyceen !) schreibt den Zellkernen derselben eine einfache 
und directe, nicht an Karyokinese erinnernde Theilung zu; 
Hegler hat auf der Naturforscherversammlung in Lübeck 1895 
zwar Präparate demonstrirt, welche die karyokinetische Kern- 
theilung bei mehreren Spaltalgen zeigen sollen, aber nichts 
darüber publicirt. 

Bei den Diatomeen erfolgt die Bildung der Auxosporen 
nicht immer, aber in manchen Arten, durch die Verschmelzung 
der Plasmakörper zweier Zellen. Eine dabei eintretende Ver- 
schmelzung der Zellkerne ist neuerdings bei Epithemia be- 
obachtet worden ?), bei welcher Form die copulirenden Plasma- 
körper sich erst theilen und die Theile, welche nicht aus einer 
Zelle entstanden sind, paarweise mit einander verschmelzen. 
Zwar sind die Auxosporen weder Vermehrungsorgane noch 
Ruhezustände der Diatomeen, sondern nur Gebilde, deren Ent- 
stehung durch die Theilungs- und Wachsthumsverhältnisse der 
Zellen bedingt wird, aber sie müssen doch mit anderen Sporen 
verglichen werden und ihre Bildung ist, so weit sie durch 
Zellverschmelzung erfolgt, entschieden analog derjenigen der 
Zygosporen bei den Conjugaten. Die Diatomeen haben echte 
Zellkerne, die sich karyokinetisch, aber unter einer eigen- 
thümlichen Modification dieses Processes theilen?). Wir sehen 


I) Weitere Ausführungen über den Bau der Cyanophyceen und Bak- 
erien. Leipzig (Engelmann) 1896. 

2) Klebahn, Ueber das Verhalten der Zellkerne bei der Auxosporen- 
bildung von Epithemia. (Vortrag auf der Naturforscherversammlung in 
Lübeck, 1895.) 

3) Lauterborn, Ueber Bau und Kerntheilung der Diatomeen. 
(Verhdlg. des naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg, N. F., Bd. V, 1893.) 


— WI — 


also, dass bei den Diatomeen die Copulation gewissermaassen 
erst als etwas Nebensächliches auftritt, indem die Auxosporen 
sich auch auf andere Weise bilden können, dass sie aber hier 
zuerst auftritt gleichzeitig mit dem Auftreten echter Zellkerne 
und karyokinetischer Theilungen. 

Bei den Conjugaten muss nun immer eine Verschmel- 
zung zweier Zellinhaltskörper eintreten, wenn eine Spore ge- 
bildet werden soll, aber sehr eigenthümlich ist es, dass die 
Verschmelzung der Plasmamassen nicht immer mit der Kern- 
verschmelzung verbunden ist, sondern dass letztere viel später, 
erst vor der Keimung der Zygospore, eintreten kann (Fig. 24). 


‚Fig. 24. Closterium. A Reife Zygospore mit 2 Chromatophoren und 
2 Kernen. B Zygospore kurz vor der Keimung. C Zygospore im Begriffe 
zu keimen. D 2 von der gemeinsamen Haut noch umschlossene Keimzellen, 
deren jede einen Grosskern und einen Kleinkern enthält. (Nach Klebahn.) 


Dieses ist der Fall bei Desmidiaceen, wie Closterium- und 
Cosmarium-Arten, nach Klebahn'). Unter den fadenförmigen 
erhalten sich bei den ‚Spirogyra-Arten die zwei Kerne in der 
jungen Zygote tagelang getrennt neben einander, erst völlig 
ausgereifte Zygoten zeigen nur einen Kern, auch bei Meso- 
carpus sieht man in den jungen Zygoten noch längere Zeit die 
getrennt bleibenden Kerne, bei Zygnema dagegen scheinen sich 


I) Klebahn, Studien über Zygoten I. (Pringsheim’s Jahrb., Bd. 
XXI, Heft 3.) Auf die merkwürdigen Kerntheilungen und die Bildung von 
Gross- und Kleinkernen bei der Keimung der Zygosporen sei nur in der 
Anmerkung hingewiesen, diese Erscheinungen gehören nicht in die oben 
ausgeführte Betrachtung. Dies gilt auch für die Bildung von Gross- und 
Kleinkernen bei der Entstehung der Auxosporen von Epithemia. 


— 172 — 


die Kerne rasch zu einem einzigen zu vereinigen!). Es hat 
also den Anschein, als spielten die Kerne hier noch nicht die 

| Hauptrolle bei der Copulation, sondern 
als ob eszunächst nur auf die Vereinigung 
zweier Plasmamassen ankäme. Dieselben, 


I} sowie die ganzen copulirenden Zellen 
| ) # sind hier noch einander gleich oder doch 
EA sehr ähnlich. Bei den einzelligen Con- 


jugaten, den Desmidiaceen, sind die 
copulirenden Zellen äusserlich nicht zu 
unterscheiden. Für die fadenförmigen 
hat Verf. einen Modus der Copulation, 
der wohl als der einfachste angesehen 


werden kann, vor Kurzem beschrieben ?): 
es vereinigen sich zwei benachbarte 
Zellen eines Fadens, die vorher von 
grösseren Zellen abgetrennt worden 
sind, dadurch, dass die trennende Quer- 
wand resorbirt wird, worauf natürlich 


die vereinigten Plasmakörper noch mit 


ee 


Fig. 25. Mougeotia 
Dleana. A Theil eines Ä j h N 
Fadens mit 2 copuliren- (Fig. 25). Die beiden copulirenden Zellen 


den Zellen, b ist vona, dundbsind also nicht Theile einer Zelle, 
d von e abgetrennt wor- 
den. Bund (’ Vereinigung 
der Zellen 5b undd. D Zellen, a undc, ab. Wir sehen dann bei 
Reife Zygospore. 


einer gemeinsamen Haut umgeben wer- 
den und so die Zygospore gebildet wird 


sondern stammen von verschiedenen 


anderen Arten, wie die copulirenden Zellen 
erst eine Verbindung zwischen sich herstellen müssen, den 
Copulationskanal; die Plasmakörper der zwei Zellen können 
sich in demselben vereinigen oder es wandert, auf der nächsten 


I) Klebahn, Ueber die Zygosporen einiger Conjugaten. (Berichte 
der deutschen botanischen Gesellschaft, Bd. VI, p. 160, 1888.) 
2) In: Hedwigia 1895. 


Stufe, der Inhalt der einen Zelle durch den Copulationskanal 
zu dem der zweiten Zelle hinüber, um hier mit ihm zu ver- 
schmelzen: in diesem Falle können wir schon den ersteren als 
das männliche, den letzteren als das weibliche Element ansehen. 

Für den sich hinüber bewegenden, männlichen Plasma- 
körper ist es vortheilhaft, wenn er kleiner ist, denn dann ist 
er offenbar leichter beweglich: dementsprechend theilen sich: 
bei Sirogonium die Mutterzellen der männlichen und weiblichen 
Zellen ungleich. Sie sind Anfangs ziemlich gleich an Grösse, 
in der einen aber wird eine kleine von einer grösseren Zelle 
getrennt und letztere gibt die weibliche, in der anderen da- 
gegen entstehen drei Zellen und die mittlere, kleine, gibt die 
männliche Zelle. Dies ist die höchste Differenzirung in den 
copulirenden Zellen, die wir bei den Conjugaten kennen; diese 
Art der Befruchtung wird bei den Algen nicht weiter ausge- 
bildet, sondern es ist die Copulation der Schwärmsporen, welche 
später zur Unterscheidung zwischen ruhenden Eiern und be- 
weglichen Spermatozoidien führt. Die Conjugaten sind eben 
ein kleiner selbständiger Spross, der, von dem Hauptspross der 
einfachen flagellatenartigen Organismen sich erhebend, nicht 
weiter gewachsen ist. Wir können uns vorstellen, dass eine 
Verschmelzung zweier ursprünglich beweglicher Zellen in der 
Weise, wie wir sie heute noch bei Chlamydomonas finden 
(Fig. 26), zu der eben geschilderten Zygosporenbildung der 


Fig. 26. Chlamydomonas Braunii. A Makrogamet, B Mikrogamet, 
C—H Aufeinanderfolgende Zustände bei der Copulation von A und B. 
in F Kernverschmelzung. H Junge Zygote. (Nach Goroschankin.) 


— 174 — 


Conjugaten geführt hat. Jedenfalls bildet die genannte Alge 
eine Zwischenstufe in dieser Hinsicht zwischen den Algen, 
bei welchen sich nicht bewegliche Zellen und denen, bei welchen 
sich nackte Schwärmzellen zur Keimbildung vereinigen. 

Als Pringsheim im Jahre 1869 die Paarung der Schwärm- 
sporen von Pandorina entdeckt hatte, erkannte er auch sogleich 
die Bedeutung, welche diese Entdeckung für das Verständ- 
niss der sexuellen Fortpflanzung besitzt, indem die Paarung der 
Schwärmsporen sich als die einfachste Form der Paarung über- 
haupt darstellt. Ausser für Pandorina kennt man diese Schwärm- 
sporencopulation jetzt für eine ziemlich grosse Anzahl grüner 
und für einige braune Algen; da man aber gefunden hat, dass 
die Schwärmsporen sich in anderen Fällen selbständig, ohne 
Copulation, entwickeln können, so hat man mit Recht den 
Namen für diese, also für die asexuellen Schwärmer, reservirt, 
und die sich paarenden Schwärmer, die ja noch keine Sporen 
sind, als Planogameten bezeichnet. Selbstverständlich ist diese 
Benennung etwas Nebensächliches, da eine Verwirrung der 
Begriffe nicht zu befürchten ist. Ausserdem gibt es kein 
Merkmal, nach welchem wir einer solchen Schwärmzelle an- 
sehen könnten, ob sie eine Schwärmspore oder ein Planogamet 
ist; selbst wenn wir die Entwicklung der einzelnen verfolgen, 
erlangen wir nicht immer Sicherheit, denn in einigen Fällen 
(Ulothrix zonota, Ectocarpus siliculosus) sterben die einzeln 
bleibenden Planogameten nicht ab, sondern keimen und werden 
zu Pflänzchen, die sich allerdings schlechter als die aus der 
Zygote, dem Copulationsproduct der Planogameten, entstehen- 
den zu entwickeln scheinen. Klebs!) hat es sogar fertig ge- 
bracht, die Copulation der dazu schon bereiten Gameten bei 
einigen Algen durch äussere Einflüsse zu verhindern und da- 
durch die Gameten, bei denen kein äusserlicher Unterschied 


I) Ueber einige Probleme der Physiologie der Fortpflanzung, Jena 1895, 
p- 24. 


ee 


zwischen männlichen und weiblichen zu bemerken ist, wie bei 
Ulothrix und Hydrodictyon (und auch bei Spirogyra unter den 
Conjugaten) zur Keimung und selbständigen Entwicklung zu 
bringen. 

Was die Planogameten veranlasst, mit einander zu copu- 
liren und zu verschmelzen, das wissen wir nicht; welchen Vor- 
theil diese Paarung für die Entwicklung der Pflanzen mit sich 
bringt, das werden wir später untersuchen. Wir gehen jetzt 
zunächst von der Erscheinung selbst aus, welche also darin 
besteht, dass sich zwei gleichartige Zellen, jede mit einem 
Kern, so vereinigen, dass eine neue Zelle wieder mit einem 
Kern entsteht. Aus den Befruchtungsverhältnissen der Pflanzen 
und auch der Thiere können wir schliessen, dass die Kernver- 
schmelzung der wichtigste Vorgang bei der Paarung ist, und 
aus diesem Umstande wiederum verstehen wir, wie aus den 
gleichen Planogameten die verschiedenen Gameten entstanden 
sind. Von dem Protoplasma, welches bei den sich paarenden 
Planogameten verschmilzt, können wir annehmen, dass es mehr 
die Rolle eines Nahrungsstoffes spielt. Es ist darum nicht von 
Bedeutung, ob an die beiden Kerne gleiche Mengen von Proto- 
plasma gebunden sind, oder ob das Protoplasma mehr zu dem 
einen Kerne gehört, jedenfalls aber ist es vortheilhaft, dass die 
keimfähige Zelle gleich mit einer grösseren Menge von Proto- 
plasma ausgestattet ist. Es erscheint nun als eine zweckmässige 
Einrichtung die Theilung der Arbeit in der Weise, dass dem 
einen Kerne die Hauptmenge des ernährenden Plasmas beige- 
geben wird, dem anderen die Aufgabe zufällt, jene Zelle aufzu- 
suchen, und dass dieser zur Erhöhung der Beweglichkeit möglichst 
vom Plasma entlastet wird: wir nennen die kleine bewegliche 
Zelle die männliche und die grössere die weibliche. Wie 
sich ein solcher Unterschied aus der Gleichheit der sich paarenden 
Schwärmer entwickelt und wie er immer grösser wird, können 
wir bei den grünen und braunen Algen sehr schön verfolgen. 


u 176 ut 


Wenn die sich paarenden Schwärmsporen, die Planoga- 


meten, einander gleich sind, haben sie meistens eine sehr ge- 
ringe absolute Grösse, bei Chaetopeltis minor z. B. fand ich 


Fig. 27. 4A Chaetopeltis minor, 
zwei Planogameten. BD Aphanochaete 
repens: a Spermatozoid, 5b Schwärm- 
spore, e weiblicher Planogamet. C 
Coleochaete pulvinata: a Spermatozoid, 
b Schwärmspore, e Oogonium mit Ei 
und geöffnetem Hals. Bnach Huber, 
C nach Pringsheim. 

Alle Figuren bei gleicher 
Vergrösserung. 


sie 8—Io u lang. Bei einer 
mit dieser Alge nahe ver- 
wandten, bei Aphanochaete re- 
eine 
kleinere Schwärmzelle mit einer 


pens!) copulirt immer 
grösseren: die erstere ist noch 
nicht Io u lang und ca. 4 u 
dick, die letztere ist kugelig 
und hat einen Durchmesser von 
18—20 u. Die erstere entsteht 
einzeln oder zu zweien in 
einer Zelle, die kleiner als 
die vegetativen Zellen ist, die 
entsteht einzeln in 
die beträchtlich 
grösser als die vegetativen 
Zellen ist. In Beziehung auf 
das letztere Verhältniss finden 


wir ganz Aehnliches beiden For- 


letztere 
einer Zelle, 


men der folgenden Stufen, bei 
welchen ein im Oogonium ver- 


bleibendes Ei, das der grossen Schwärmzelle von Aphanochaete 
entspricht, von einer kleinen männlichen Schwärmzelle aufge- 
sucht und befruchtet wird. Das Ei hat eben seine Beweglich- 
keit ganz eingebüsst und desshalb muss der andere, männliche 
Gamet bis in das Oogonium eindringen, wie es der Fall ist 


bei Oedogonium, Coleochaete u. a. (Fig. 27). 


I) Dieses interessante, bei den Confervoideen vereinzelt dastehende 


Verhältniss ist von Huber entdeckt worden. 


nique de France, Paris 1894.) 


(Bulletin de la Societe bota- 


Auch unter den Siphoneen haben wir solche verschiedene 
Stufen in der Ausbildung der Sexualität: bei Acetabularia copu- 
liren zwei gleichartige kleine Planogameten, bei Bryopsis ist 
der eine etwa doppelt so gross wie der andere, bei Vaucheria 
schliesslich wird ein grosses Ei im Oogonium von einer winzig 
kleinen Schwärmzelle befruchtet. Es kommt auch vor, dass 
zahlreiche Eier im Oogonium gebildet werden, wie bei Sphaero- 
plea,; allein die Zahl der männlichen Schwärmzellen, die in 
einem Antheridium entstehen, ist noch viel grösser und die 
letzteren sind. so schmal, dass sie durch die engen Oeffnungen 
der Membran in den Antheridien und Oogonien heraus- und 
bereinschlüpfen können, während die Eier kugelig und etwa 
doppelt so dick, wie die Spermatozoidien lang, sind. 

Neben der sexuellen Reproduction kommt nun häufig 
noch eine asexuelle durch Schwärmsporen vor!). Wenn die 
erstere in einer Copulation gleicher Gameten besteht, so 
sind diese kleiner als die Schwärmsporen, z. B. bei den Hy- 
drodictyeen, einigen Ulvaceen, Ulotrichaceen und 
Chaetophoraceen; ausserdem haben die Schwärmsporen 
bisweilen 4 Cilien, während die Gameten nur zwei besitzen, so 
dass die sich paarenden Gameten gewissermaassen die Hälften 
einer Schwärmspore darstellen, die sich bei der Copulation 
wieder vereinigen. Wenn sich aber männliche und weibliche 
Gameten deutlich unterscheiden lassen, dann stehen die 
Schwärmsporen in ihrer Grösse meistens in der Mitte zwischen 
ihnen, wie es Aphanochaete zeigt, welche also dreierlei vier- 
cilige Schwärmzellen besitzt: die kleinsten sind die männlichen 
Gameten, die mittleren die Schwärmsporen, die grössten die 


ı) Man vergleiche hierzu die Arbeit von Strasburger, Schwärm- 
sporen, Gameten, pflanzliche Spermatözoiden und das Wesen der Befruchtung. 
(Histologische Beiträge, Heft IV, 2. Theil, Jena 1892.) Man vergleiche ferner 
die Untersuchungen von Klebs (l. c.) über den Einfluss, den äussere Ver- 
hältnisse darauf ausüben, ob die eine oder die andere Vermehrungsweise 
eintritt: 

Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. I2 


— 735 — 


weiblichen Gameten. Auch die Arten, welche ruhende Eier 
bilden, wie Oedogonium und Coleochaete, haben Schwärmsporen, 
welche etwas kleiner als die Eier, aber grösser als die Sper- 
matozoidien sind (Fig. 27). Warum die männlichen Gameten 
kleiner, die weiblichen aber grösser werden, wurde oben er- 
Jäutert. Freilich ist dabei nur auf die äusserlichen Verhältnisse, 
nicht auf das Verhalten der Kernsubstanz Rücksicht genommen 
und es liegen noch keine Beobachtungen vor, ob vielleicht eine 
Reduction der Chromosomen bei den Gameten gegenüber den 
Schwärmsporen stattfindet. Jedenfalls aber können wir aus dem 
bis jetzt Bekannten schon erklären, warum die kleinen männ- 
lichen Gameten nicht im Stande sind, sich selbständig weiter 
zu entwickeln: enthalten sie doch neben dem Kern nur sehr 
wenig Plasma, ja, wenn wir gleich auf die höher stehenden 
Pflanzen einen Blick werfen, bei den Characeen z. B. so 
wenig, dass es nur schwer nachzuweisen ist und einige Forscher 
behaupten konnten, dass hier die Spermatozoidien nur aus 
Kernsubstanz beständen. Die Eier dagegen sind viel eher im 
Stande, sich ohne Befruchtung zu entwickeln, weil ihnen eine 
genügende Menge von Plasma mitgegeben ist, und so ist denn 
die Parthenogenese eine nicht selten zu beobachtende Er- 
scheinung bei den Algen (Sphaeroplea, Oedogonium, Cylindro- 
capsa). 

Interessante Uebergänge von der Schwärmsporenpaarung 
zur Eibefruchtung können wir nun auch bei den braunen Algen 
beobachten. Der weitaus grösste Theil der hierher gehörenden 
Formen pflanzt sich, wie die schon erwähnten Laminaria- 
ceen, durch ungeschlechtliche Schwärmsporen fort. Nur. bei 
einigen wenigen, wie Ectocarpus siliculosus und Scytosiphon 
lomentarius ist es nachgewiesen, dass eine Copulation der 
Schwärmzellen stattfindet. Diese Schwärmzellen sehen Anfangs 
ganz gleich aus, aber schon vor der Copulation tritt eine Ver- 
schiedenheit auf, indem sich die eine, die somit als weibliche 


zu bezeichnen ist, festsetzt und die andere, die männliche, jene 
aufsucht, sich ihr anlegt und schliesslich mit ihr verschmilzt. 
Sind hier die Planogameten nur in ihrem Verhalten, nicht aber 
in der Gestalt und Grösse verschieden, so finden wir auf der 
nächsten Stufe die Copulation eines kleinen männlichen mit 
einem grossen weiblichen Planogameten. Auf dieser Stufe 
stehen die Cutleriaceen, bei welchen ausserdem noch un- 
 geschlechtliche Schwärmer gebildet werden; eine partheno- 
genetische Entwicklung der unbefruchtet bleibenden Eier kommt 
bei ihnen auch vor. Auf der dritten und höchsten Stufe stehen 
die Fucaceen, deren weibliche Gameten als Schwärmzellen 
ohne Cilien aufgefasst werden müssen. Denn nur so lässt es 
sich verstehen, dass die grossen kugeligen Eier vor der Be- 
fruchtung ausgestossen werden, während ihre Grösse uns den 
Mangel der Cilien erklärt, die nicht im Stande wären, das 


Fig. 28. A Zwei Planogameten von Eetocarpus silieulosus. B Zanar- 
dinia collarıs: a Spermatozoid, 5 Ei (oder Schwärmspore), e Copulation von 
a und b. CO Fucus serratus: a Spermatozoid, 5b Ei. Alle Figuren bei 
gleicher Vergrösserung. 


12% 


— 1 — 


schwere Ei zu bewegen. Die männlichen Gameten sind sehr 
kleine zweicilige Schwärmzellen und der Unterschied zwischen 
der Grösse der männlichen und weiblichen Gameten ist bei 
den Fucaceen am bedeutendsten (Fig. 28). Was die absoluten 
Maasse betrifft, so sind bei Ecfocarpus siliculosus die Plano- 
gameten ca. 6 u lang!), bei Zanardinia collaris, einer Cut- 
leriacee, sind die Spermatozoidien 2—3 u lang, die Eier II—I4 u 
lang und die Schwärmsporen sind hier von derselben Grösse 
und Gestalt wie die Eier. Bei Fucus serratus sind die 
Spermatozoidien ca. 5 u lang, die Eier aber S0—I00 u dick, so 
dass sie die ersteren um das 30000- bis 60000fache an Masse 
übertreffen ?). Die weiblichen Gameten nehmen also von der 
ersten zur dritten Stufe um das 13—ı7fache an Grösse zu, 
während die männlichen Gameten in der zweiten Stufe am 
kleinsten, in der dritten Stufe auch noch etwas kleiner als die 
Planogameten der ersten Stufe sind. Bei den Fucaceen 
existiren keine Schwärmsporen, die wir zur Vergleichung heran- 
ziehen könnten; vielleicht sind die sog. Fasergrübchen der 
Fucaceen die Rudimente von Conceptakeln mit ungeschlecht- 
lichen Sporen. 
Bei den grünen Algen haben wir gesehen, dass die grossen 
Eier gewöhnlich einzeln im Oogonium, die kleinen Spermato- 
zoidien aber zu mehreren im Antheridium gebildet werden. 
Bei den braunen Algen tritt dies noch mehr hervor: bei Zanar- 
dinia z. B. entsteht aus jeder Zelle des wenigzelligen Oogoni- 
ums ein Ei, aus jeder Zelle des vielzelligen Antheridiums aber 
entstehen 8 Antherozoidien. Bei den Fucaceen entstehen die 
Antherozoidien in grosser Anzahl in dem sackförmigen ein- 
fächerigen Antheridium, die Eier aber entstehen zu I—8 in 
einem Oogonium. Sehr interessant ist es nun, dass im Oogo- 


ı) Berechnet nach der Abbildung von Thuret in Ann. scienc. nat. 
3ot. III. Ser, T. XIV, Tab. 24. 
2) Nach Thuret et Bornet, Etudes phycologiques, p. 29. 


— 180 


nium anfangs immer 8 Kerne vorhanden sind!). Von diesen 
werden bei Fucus alle zu Eiern, bei Ascophyllum wandern 4 
nach der Peripherie und werden zu Eiern, 4 gehen nach der 
Mitte und bleiben unentwickelt zurück, bei Pelvetia werden 6, 
bei Himanthallia 7 Kerne ausgeschieden, da dort nur 2 Eier, 
hier nur ein Ei gebildet wird (Fig. 29). Es wird durch diese 


Fig. 29. 4 Oogo- REN 
nium von Ascophyllum 
nodosum im Querschnitt: 
3 Eier und 3 ausge- 
stossene Kerne in der 
Mitte sichtbar. B Oogo- 
nium von Pelvetia im 
Längsschnitt mit 2 Eiern, 
von den ausgestossenen 
Kernen sind 2 sichtbar. 
C Oogonium von Himanthallia mit ı Ei und 4 (sichtbaren) ausgestossenen 
Kernen. (Nach Oltmanns.) 


N 7 HM N 
HAN HN N 


N MN 
HR 
z 


Vergleichung ganz deutlich, dass bei Himanthallia die 7 Kerne, 
welche, jeder mit einer geringen Plasmamasse umgeben, neben 
dem einen grossen Ei vorhanden sind, als reducirte Eier auf- 
gefasst werden müssen. Sie erinnern uns aber auch an die 
sog. Richtungskörperchen bei den thierischen Eiern und sie 
sind denselben offenbar homolog und analog. Denn wenn auch 
die letzteren erst nachträglich abgeschieden werden, nachdem 
das Ei schon gebildet ist, so sind sie doch nichts anderes als 
reducirte Eier oder vielmehr Eier, die in der ersten Entwicklung 
stehen geblieben sind. Fasst man sie in dieser Weise auf, so 
erklärt es sich, warum sie nicht immer in einer solchen Anzahl 
gebildet werden, welche den Anforderungen einer Hypothese 
entsprechen würde, nach der die Richtungskörperchen die Aus- 
scheidung des männlichen Elementes aus den Anfangs neutralen 


I) F. Oltmanns, Beiträge zur Kenntniss der Fucaceen. (Biblio- 
theca botanica, Heft 14, 1889.) 


— I2 — 


Eiern u. dergl. bedeuten sollen. Wenn wir nämlich von einer 
solchen Anschauung ausgehen, nach der es sich bei der Bildung 
der Richtungskörperchen um die nothwendige Ausscheidung 
gewisser Elemente aus dem Ei und ihre Beziehung zu dem 
Eintreten der Befruchtung handelte, so müssten ganz gewiss 
auch bei den Pflanzen homologe Vorgänge auftreten, da die 
Befruchtungsverhältnisse bei Pflanzen und Thieren sonst ganz 
gleichartig sind. Allein nirgends, soviel man auch danach ge- 
sucht hat, sind wirkliche Richtungskörperchen bei pflanzlichen 
Eiern gefunden worden, und alles, was man in solcher Weise 
zu deuten gesucht hat, ist in Wirklichkeit ganz anders zu er- 
klären, während uns andererseits die Fucaceen durch die 
geschilderten Vorgänge bei der Eientwicklung zu der richtigen 
Auffassung führen. Warum nun bei einigen Fucaceen nicht 
alle durch die vorhandenen Kerne angedeuteten Eier zur Ent- 
wicklung gelangen, dass lässt sich nicht weiter erklären, als dass 
wir sagen, dass das eine oder die zwei oder vier Eier so gross 
werden, dass sie alles vorhandene Protoplasma aufbrauchen. 
Wir finden etwas Aehnliches bei der Entstehung mancher Sporen, 
z. B. in den Makrosporangien von Salvinia, in denen 8 Sporen- 
tetraden angelegt werden, aber nur eine Spore zur Entwicklung 
kommt und diese dann das ganze Makrosporangium ausfüllt '); 
bei der Ausbildung des Eies dagegen ist so etwas für andere 
Pflanzengruppen nicht bekannt. 

Bei allen braunen Algen oder Phaeophyceen zeigt sich 
deutlich, dass die Befruchtung auf Planogametencopulation 
zurückzuführen ist, denn auch bei den Tilopterideen und 
Dictyoteen, bei denen die Fortpflanzungsverhältnisse noch 
nicht genau genug bekannt sind, wird aus den als Oogonien 


ı) Nach Heinricher (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien 
1882, Bd. LXXXV, I. Abth., p. 494.) Ich hatte diese Arbeit in meiner ersten 
Veröffentlichung (1895) leider übersehen und angegeben, dass im Makro- 
sporangium von Salvinia 4 X. 16 Sporen angelegt worden, 


a: 183 ze 


gedeuteten Organen das vermuthliche Ei vor der Befruchtung 
als eine nackte Zelle ausgestossen, die aber keine Cilien besitzt. 
Sie ist auch hier vielmals grösser als die als männliche Gameten 
zu deutenden Zellen, welche bei den Tilopterideen noch 
mit Cilien versehen sind, bei den Dictyoteen aber der Cilien 
entbehren. Diese letztere Erscheinung sowie das Fehlen der 
Cilien bei den asexuellen Sporen der beiden genannten Fa- 
milien !) ist wohl als eine Anpassung an die Lebensweise zu 
erklären, indem bei ihnen das bewegte Wasser des Meeres, in 
dem sie leben, den Pflanzen erlaubt, sich die Cilienbildung zu 
ersparen. Auch die Florideen haben sozusagen von dieser 
Erlaubniss Gebrauch gemacht und erzeugen niemals Schwärm- 
zellen mit Cilien: die Bewegung des Wassers sorgt schon 
dafür, dass die Sporen verbreitet werden und dass die Sper- 
matien zu den Trichogynen, den weiblichen Empfängniss- 
organen, gelangen ?). Warum die unter gleichen oder ähnlichen 
Verhältnissen lebenden Phaeozoosporeen und Fucaceen die 
Cilien beibehalten haben, das entzieht sich vorläufig unserer 
Erklärung in biologischer Hinsicht, wir können nur auf die 
phylogenetischen Beziehungen hinweisen, welche offenbar engere 
sind zwischen den Schwärmsporen bildenden Chlorophyceen 
und den Phaeophyceen als zwischen ersteren und den 
Florideen. Auf die oft sehr complicirten Verhältnisse der 
Entstehung der Sporenfrüchte nach der Befruchtung bei den 
Florideen braucht hier nicht eingegangen zu werden; es sei 
nur daran erinnert, dass die weibliche Zelle nach ihrer Ver- 


I) Nur bei Haplospora Vidovichii hat Kuckuck Zoosporen gefunden, 
die etwas anders gebaut sind als die meisten Schwärmzellen der Phaeo- 
phyceen und zu 24-36 in einem einfächerigen Sporangium gebildet 
werden. (Pringsheim’s Jahrbücher, Bd. XXVIII, p. 290—322); er erhebt 
desswegen diese Alge zur Vertreterin einer neuen Gattung, Heterospora. 

2) Die wenigen Florideen des Süsswassers leben bekanntlich nur in 
rasch fliessenden Gewässern, während bei den im ruhigen Süsswasser lebenden 
grünen Algen die nackten Vermehrungszellen immer mit Cilien versehen sind. 


— I4 — 


einigung mit der männlichen nicht direct zum Keime wird, 
sondern „nun ein selbständiges neues Wachsthum beginnt, das 
im einfachsten Falle zur Herstellung eines kleinen Zweig- 
büschels hinführt; an diesem neuen Sprossungssysteme, dem 
Gonimoblasten, bilden dann die Faden-Endzellen, öfters auch 
noch die oberen Faden-Gliederzellen, die Sporen, Carposporen, 
aus, zumeist so, dass sie ihren „Zellinhalt“ zu einer anfangs 
nackten, früher oder später umwandeten Carpospore umge- 
stalten!)“. Es scheint mir, dass, entgegen der Ansicht von 
Schmitz, diese Entwicklungsweise doch aus den einfacheren 
Fortpflanzungsverhältnissen der Bangiaceen abgeleitet werden 
kann. Bei einigen Formen dieser Familie wird noch der ge- 
sammte Zellleib der Zygote, dem Verschmelzungsproduct aus 
Spermatium und Ei, direct zur Spore, die, unter Zurück- 
lassung der alten Zellhaut, als nackte Zelle heraustritt; bei 
anderen aber „behält diese Zygote zunächst die alte Zellhaut der 
weiblichen Zelle noch bei, fächert sich ein oder mehrere Male 
und dann wandern aus 
den Theilzellen derselben 
die Protoplasten als nackte 


R 


Sporen nach aussen her- 
vor?)“. Kann nun hier 
nicht leicht ein Ueber- 
gang gedacht werden in 
der Art, dass sich die 


Fig. 30. A Erythrotrichia obseura (Ban- durch Fächerung ent- 


giacee). Stück eines Fadens mit Procarpien stehenden Theilzellen erst 
und ansitzenden Spermatien (s).. (Nach " e 

Berthold.) B, C Lejolisia mediterranea Zu Fäden entwickeln, 
(Floridee). B jüngeres Procarp, Creifesim deren Endzellen zu den 
Zustand der Befruchtung durch das Sper- 
matium (s). £ Trichogyne. (Nach Thuret.) 


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Sporen werden? (Fig. 30.) 
Die Entstehung und Ge- 


I) Schmitz, Kleinere Beiträge zur Kenntniss der Florideen, Il. 
Nuova Notarisia 1893. Ser. IV, p. Iou. Iı. Hier hebt Verf. die Unterschiede 
zwischen Bangiaceen und Florideen hervor. 

D)ALEC, 


zen, 185 gr 


stalt der Spermatien ist, wie auch Schmitz zugibt, bei 
den Bangiaceen und Florideen sehr ähnlich, die Einschrän- 
kung ihres Entstehungsortes auf die Endglieder von Zellreihen 
oder auf oberflächlich gelegene Zellen ist das Wesentlichste, 
was in dieser Beziehung die Florideen von den Bangiaceen 
unterscheidet. Wir können hinzufügen, dass von den Tetraden 
der ungeschlechtlichen Sporen von Porphyra zu den Tetra- 
sporen der Florideen auch nur ein Schritt führt: das Ausbleiben 
der Trennungswände zwischen den vier Sporenzellen der ersteren. 
Da nun aber die Bangiaceen sich unzweifelhaft an gewisse 
Chlorophyceen anschliessen — Schmitz stellt sie in der Nähe 
der Ulvaceen —, also wie deren oogame Formen sich von denen 
ableiten lassen, bei denen die Befruchtung in der Paarung der 
Schwärmsporen besteht, so können wir, 
wenn wir die Florideen von den Bangia- 
ceen ableiten, mit dem Zugeständniss, 
dass wir die Zwischenformen uns nur 
vorstellen können, aber nicht kennen, 
den Ursprung der Befruchtung und 
Keimbildung bei den Florideen auch in 
der Paarung der Schwärmsporen sehen. 

Was nun die übrigen Klassen des 
Pflanzenreiches betrifft, so haben wir 
von den Moosen an aufwärts einen 


regelmässigen Generationswechsel, also 


en! 


auch eine sexuelle Fortpflanzung. Bei 


den Moosen und Farnen erinnert das £ 
Fig. 31. Befruchtungs- 


Antherozoid, welches eine kleine, mit 
Cilien versehene und wesentlich aus dem 
Zellkern bestehende freibewegliche Zelle 
ist, noch an die Planogameten der Algen; 
immer eine un- 


das Ei dagegen ist 


bewegliche, nackte, kugelige Zelle, die 


reifes Archegonium von 
Marchantia (Lebermoos): 
im Grunde des Arche- 
goniums liegt das Ei, 
unten an der Oeffnung 
des Halses tritt ein An- 
therozoid ein. (Nach 
Strasburger.) 


— 186 — 


in dem Archegonium liegen bleibt und hier das Antherozoid 
erwartet (Fig. 31). 

Bei den Phanerogamen sind Schwärmzellen über- 
haupt nicht mehr vorhanden und die Vereinigung der männ- 
lichen und weiblichen Elemente erfolgt auf eine Weise, die 
mehr an die oben erwähnten Verhältnisse bei den Conjugaten 
erinnert, freilich ohne zu diesen in näherer Beziehung zu stehen. 
Es ist erst ziemlich spät gelungen, nachzuweisen, dass auch hier 
die Befruchtung auf der wirklichen Verschmelzung geformter 
plasmatischer Bestandtheile beruht. Das Eindringen des An- 
therozoids in das Archegonium bei Moosen und Farnen hatte 
man schon vorher beobachtet und man -konnte somit auch 
für die höheren Kryptogamen eine Gametencopulation als sicher 
annehmen. Es gab also eine Zeit, in der man sagen konnte, 
dass eigentlich die Kryptogamen die Pflanzen seien, die eine 
deutliche Befruchtung zeigen, während bei den Phanerogamen 
der Befruchtungsvorgang noch verborgen sei. Jetzt ist nun 
durch die wichtigen Arbeiten Strasburger’s, Guignard’s 
u. a. nachgewiesen, dass auch bei den Phanerogamen im Be- 
fruchtungsact zwei Zellen mit einander verschmelzen, die als 
kleiner männlicher und grosser weiblicher Gamet unterschieden 
sind. Da sich nun die Geschlechtsorgane der Phanerogamen 
als ganz homolog denjenigen der höheren Gefässkryptogamen 
gezeigt haben (wesswegen wir eben auch bei ersteren von einem 
Generationswechsel sprechen können) und da wir die Befruch- 
tung bei den Gefässkryptogamen ohne Schwierigkeiten von 
derjenigen bei den Algen ableiten können, so geht auch der 
Befruchtungsact der Phanerogamen in letzter Instanz auf die 
Planogametencopulation zurück: die Planogameten sind hier in 
das Ei und den generativen Kern des Pollenschlauches umge- 
wandelt. 

Der weibliche Gamet hat überall dieselbe Gestalt von 
der Stufe an, wo er die Cilien verloren hat: das Ei ist überall 


ui 187 ge 


eine nackte Zelle von annähernd kugeliger Form, die Unter- 
schiede bestehen besonders in der Grösse und in dem Auftreten 
der im Protoplasma eingebetteten Körper, wie Chromatophoren, 
Oeltropfen u. dergl. Die von den männlichen Gameten ge- 
forderte Beweglichkeit hat dagegen eine verhältnissmässig 
grosse Mannichfaltigkeit in ihrer Gestalt hervorgerufen, wovon 
die in Fig. 32 dargestellten Beispiele Zeugniss ablegen. 
Ausserdem unterscheiden sich die männlichen Gameten durch 
die Grösse, die Cilien, den Besitz von Chromatophoren u. dergl. 


Fig. 32. Spermatozoidien und Spermatien, alle bei gleicher Vergrösserung, 
so dass ein Millimeter einem Mikron entspricht. (Nach verschiedenen 
Autoren.) I Volvo aureus, 2 Aphanochaete repens, 3 Coleochaete pulvinata, 
4 Oylindrocapsa involuta, 5 Sphaeroplea \annulina, 6 Oedogonium Boscii 
7 Vaucheria synandra, 8 Chara fragilis, 9 Zanardinia eollaris, 10 Fueus 
serratus, 11 Dietyota dichotoma, 12 Batrachospermum moniliforme, 13 Griffithsia 
setacea, 14 Corallina virgata, 15 Monoblepharis sphaerica, 16 Pellia calycina, 
17 Marchantia polymorpha, 18 Polytrichum commune, 19 Aspidium Filix mas., 
20 Osmunda Claytoniana, 21 Equisetum Telmateja, 22 Lycopodium phlegmaria, 
23 Selaginella euspidata, 24 Isoetes Malinerviana, 25 Marsilia vestita. 


— I — 


Die morphologischen Verhältnisse der Fortpflanzung sind 
also für die Pflanzen heutzutage ziemlich verständlich und wir 
haben versucht, im Vorstehenden einen Ueberblick über die- 
selben zu geben. Wenn man sich aber früher begnügte, das 
Zusammenkommen zweier Zellen bei der Befruchtung nachzu- 
weisen, so gebt man jetzt auch darauf aus, das Verhalten der 
einzelnen Bestandtheile dieser Zellen bei der Befruchtung zu 
untersuchen. Aus allen zur Zeit vorliegenden Untersuchungen 
zieht nun schon Strasburger (1892 1. c.) den Schluss, „dass 
an dem Befruchtungsvorgang bei den’ Pflanzen drei Bestand- 
theile des Protoplasmas betheiligt sind: der Zellkern, die Cen- 
trosphären und das Kinoplasma“'!). Am deutlichsten sieht 
man dies bei der Befruchtung der Phanerogamen, welche durch 
die untenstehende Abbildung, eine Wiedergabe einiger Figuren 
aus Guignard’s Arbeit ?), erläutert werden soll: sehr gut 
sieht man besonders auch, dass die 2 Paare von Centrosomen 
sich zu zwei Centrosomen vereinigen, während die Kerne selbst 
noch getrennt sind, die dann bei ihrer Vereinigung sogleich 
eine Theilungsfigur bilden. Wir sind noch nicht so weit, bei 
den übrigen Pflanzen das Verhalten der einzelnen Theile der 
Gameten bei der Copulation so genau zu kennen; man ist zu- 
nächst noch bemüht, wenigstens die Kernverschmelzung nach- 
zuweisen und inwieweit dies gelungen ist, soll in kurzer Zu- 
sammenfassung gezeigt werden. Wir wollen aber dabei be- 
rücksichtigen, dass bei der Befruchtung nicht überhaupt eine 
Kernverschmelzung eintritt, sondern dass der eine Kern des 
männlichen Gameten zu dem Kerne des Eies gelangen und 


ı) Auf die von Strasburger aufgestellte Unterscheidung von Kino- 
plasma und Trophoplasma bin ich hier nicht eingegangen und spreche dess- 
halb nur von Plasma oder Protoplasma. 

2) Ann. d. scienc. nat. Bot., Ser. VII, T. VII, Tab. 15 u. 16. Ob sich 
die Centrosomen wirklich und überall so verhalten, erscheint nach neueren 
Untersuchungen fraglich; doch habe ich dies hier noch so dargestellt, wie 
es die Figuren Guignard’s zeigen. 


Fig. 33. Befruchtung von Lilium Martagon. 


A Der Pollenschlauch erreicht das Ei: ns generativer Kern mit 2 Centro- 
somen, no Eikern mit 2 Centrosomen, s Synergide. Bu. € Das befruchtete Ei 
mit den beiden Synergiden s, p in B der Pollenschlauch; die Kerne no und 
ns liegen neben einander, in C sind aus den 4 Centrosomen 2 geworden, ent- 
sprechend den Zahlen &,, 3, 3» .. D Das Ei, in dem die beiden Kerne zu 
einer karyokinetischen Figur mit 24 Chromosomen verschmolzen sind. (Nach 
Guignard.) 


dass dieser auch nur mit diesem einen Kern verschmelzen 
muss: was das zu bedeuten hat, wird sich bei der Betrachtung 
der einzelnen Fälle besser verstehen lassen als in der allge- 
meinen Fassung. Am einfachsten liegen in dieser Beziehung 
die Verhältnisse bei den Angiospermen, bei denen nur 
ein Pollenschlauch in eine Samenknospe hineinwächst. Letztere 
enthält nur ein empfängnissfähiges Ei, der Pollenschlauch ent- 
hält zwar zwei generative Kerne, welche aber nicht gleich- 
zeitig zu dem Ei kommen, da sie hinter einander liegen: der 
vordere verschmilzt dann mit dem Eikern, der zweite kann 
auch sogar bis in das Ei hinein gelangen, wird dann aber in 
demselben, ohne eintretende Kernverschmelzung (nach Guig- 
nard) aufgelöst. Bei den Coniferen enthält die Samen- 


knospe mehrere Archegonien und somit auch mehrere Eier. 
Wenn die Archegonien ganz dicht bei einander liegen, wie bei 
Juniperus, so werden alle nur durch einen Pollenschlauch be- 
fruchtet, dessen generativer Kern sich aber so oft theilt, wie 
es nöthig ist, damit jedes Ei von einem männlichen Gameten 
befruchtet werden kann. Bei anderen, wie bei der Tanne, 
liegen die Archegonien nicht so dicht beisammen und hier 
werden sie von ebenso vielen Pollenschläuchen, deren jeder 
einen generativen Kern enthält, aufgesucht, als Archegonien 
vorhanden sind. Damit ist nun freilich nicht gesagt, dass 
jedes Ei, resp. jede Samenknospe befruchtet werden muss: 
im Gegentheil bleibt es oder sie natürlich oft genug unbe- 
fruchtet und dann tritt in den meisten Fällen keine Weiterent- 
wicklung des Eies ein; eine wirkliche Parthenogenese ist bei 
den Phanerogamen noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen. 
Bei den Kryptogamen ist, wenn die Eier nicht ganz 
unbefruchtet bleiben und wenn überhaupt die Verhältnisse 
dafür günstig sind, dass die männlichen Gameten zu den weib- 
lichen kommen können, eher die Gefahr vorhanden, dass mehr 
als ein männlicher Gamet in das Ei eindringe. So bei den 
Farnen und Moosen, bei denen wohl immer gleich mehrere 
Spermatozoidien in den Hals des Archegoniums eindringen: 
sobald aber das erste mit dem Ei verschmolzen ist, umgibt 
sich dieses sofort mit einer Membran und ist für die folgenden 
Spermatozoidien, die sich in dem engen Halskanal einzeln 
hinter einander bewegen, nicht mehr zu sprechen. Diese Aus- 
scheidung einer Membran um die vor der Befruchtung nackte 
Oosphäre ist ein ganz allgemeiner Vorgang und damit werden 
auch bei den Algen die weiteren Spermatozoiden abgehalten, 
wenn sie hinter einander in das Oogonium eindringen. Nicht 
so ist es bei den grossen kugeligen Eiern von Fucus, die von 
zahlreichen Spermatozoiden umschwärmt werden: ein beson- 
derer Empfängnissfleck scheint nicht vorhanden zu sein und 


man sieht nicht ein, warum nicht mehrere Spermatozoidien 
gleichzeitig in das Ei eindringen können. Es ist dies ja auch 
möglich, aber es wird dann doch eines zuerst den Kern er- 
reichen und seinen Kern mit ihm verschmelzen, während die 
anderen, die gleichzeitig eingedrungen sind, sich vermuthlich 
im Eiplasma auflösen wie der zweite generative Kern im Ei 
der Angiospermen. Nach dem Eindringen des Spermatozoids 
und der Verschmelzung der beiden Kerne, was bei Fucus vesi- 
culosus schon 1886 von Behrens beobachtet worden ist !), 
umgibt sich das Ei auch sogleich mit einer Haut. Bei den- 
jenigen weiblichen Gameten, die noch die Gestalt der Schwärm- 
 spore bewahrt haben, erfolgt eine Copulation mit dem männ- 
lichen Gameten in 
der Regel nur, wenn 
sich beide mit ihren 
cilientragenden 
Spitzen berühren. 
Hier ergeben dann 


schon die Grössen- 4 
verhältnisse, dass nur Fig. 34. Oedogonium Boseii. A Junges Oogo- 
einmännlicherGamet Nium, welches sich öffnen will; vor der Mündung 


2 ER h ein Spermatozoid. B Oogonium mit befruchtetem 
sich mit einem weib- Ei, das die beiden Kerne enthält und sich mit 

lichen vereinigen einer Membran umgeben hat. (C, D, E oberer 
Theil des befruchteten Eies, in dem der Kern des 
Spermatozoids mit dem Eikern verschmilzt. (Nach 
der Verschmelzung Klebahn.) 


wird, wie auch bei 


der Schwärmsporen 

dieselbe fast immer paarweise erfolgt. Allerdings kommt es 

auch vor, dass mehr als zwei Schwärmsporen mit einander 

kopuliren, nämlich drei oder vier bei Acetabularia. | 
Dass eine wirkliche Verschmelzung der Kerne bei der Be- 

fruchtung eintritt, ist erst für wenige Algen nachgewiesen : 


ı) Berichte der deutschen botan. Gesellschaft, Bd. IV, p. 92. 


zunächst für den schon erwähnten Pucus vesiculosus, dann für 
Oedogonium Boscii!) (Fig. 34) und zuletzt für Vaucheria*?). Bei 
Vaucheria ist die Sache insofern besonders interessant, als wir 
es hier mit einer Siphonee zu thun haben, also einer Alge, 
in deren schlauchförmigem, ungegliedertem Thallus zahlreiche 
Zellkerne gleichförmig durch das ganze Plasma vertheilt sind. 
Das junge Oogonium wird Anfangs auch von einem Plasma mit 
zahlreichen Zellkernen erfüllt, aber bei der Reifung wandern 
alle diese Kerne wieder aus bis auf einen, der dann den Kern 
des Eies bildet (Fig. 35). Die winzig kleinen Spermatozoidien 


Fig. 35. Vaucheria. A, B, C junge Oogonien im Längsschnitt: A ’mit 
vielen Kernen, B die Kerne wandern wieder aus bis auf einen, C im Oogo. 
nium nur noch ein Kern, der Eikern. a—d Die aufeinander folgenden Sta- 
dien der Verschmelzung der Kerne von Ei und Spermatozoid. (Nach Olt- 
manns.) / 


bekommen gleich bei ihrer Entstehung nur einen Kern mit. 
Als bemerkenswerthe Entdeckung ist noch hervorzuheben, dass 
auch bei den Florideen die Kernverschmelzung bei der 
Vereinigung des Inhalts des Spermatiums mit dem der Carpo- 
sphäre für eine Art, Nemalion multifidum, nachgewiesen ist ?), 

ı) H. Klebahn, Studien über Zygoten, II. (Pringsheim’s Jahr- 
bücher, Bd. XXV, p. 235, 1892.) 

2) F. Oltmanns, Ueber die Entwicklung der Sexualorgane bei Vau- 
cheria. (Flora 1895, p. 388.) 


3) N. Wille, Ueber die Befruchtung bei Nemalion multifidum. (Be- 
richte der deutschen bot. Gesellschaft, 1894, Bd. XII, p. 57.) 


eine um so interessantere Entdeckung, als man bisher noch nicht 
die Wanderung des Inhaltes des Spermatiums durch die Tri- 
chogyne hindurch nach der Carposphäre hatte verfolgen 
können. Ist die Kernverschmelzung hier erfolgt, so wird die 
verengte Stelle, welche die Carposphäre mit dem unteren 
Theile der Trichogyne verbindet, durch eine Zellwandver- 
dickung geschlossen und so ist die Car- 
posphäre gegen das Eindringen anderer 
männlicher Gameten auch hier geschützt 
(Fig. 36). Schliesslich sei auf das hin- 
gewiesen, was oben über die eigenthüm- 
lichen Verhältnisse der oft erst nach- 
träglich eintretenden Kernverschmelzung 
bei den Conjugaten gesagt wurde, 
was aber gleich an jener Stelle zu er- 
wähnen zweckmässiger schien. Es kann 
hier noch hinzugefügt werden, dass bei 
den Conjugaten dadurch, dass zwei ab- 


{ R Fig. 36.  Nemalion 
geschlossene Zellen mit einander copu- multifichum A Befruch- 
liren, dafür gesorgt ist, dass auch immer tetes Procarp: sp Sper- 
matium, ? Trichogyne, 
n.s. Kern des Sperma- 
freilich findet man zuweilen drei Zellen tiums, n.o. Eikern. B 
mit einander in Copulation, indem Ein folgendes Stadium, 
in dem in der Carposphäre 
n.o. und n.s. verschmelzen. 


Zellen ihre Copulationsfortsätze auf eine (Nach Wille.) 


nur 2 Kerne mit einander verschmelzen, 


z. B. bei Spirogyra oder Zygnema zwei 


andere hintreiben, die zwei Fortsätze 
bildet: ob dann auch eine Zygote gebildet werden kann, weiss 
ich nicht. 

Die Erscheinungen der Kernverschmelzung sind, soweit 
genauere Angaben darüber vorliegen, einfach. Bei Oedogonium 
und Vaucheria, bei denen das Product der Befruchtung eine 
ruhende Zygote ist, schwellen die Kerne des männlichen und 


weiblichen Gameten bei ihrer Annäherung etwas an, sie legen 
Möbius, Fortpflanzung der Gewächse. 13 


sich aneinander, die Kernmembranen werden aufgelöst und die 
Kerne verschmelzen zu einem, der sich jetzt wieder etwas con- 
trahirt und bald auch wieder einen Nucleolus zeigt; Centro- 
somen hat man dabei nicht nachweisen können. - Bei den 
Phanerogamen (Lilium) lässt sich ebenfalls die Anschwel- 
lung vom Ei- und Pollenschlauchkern beobachten, da aber das be- 
fruchtete Ei nicht in einen Ruhezustand übergeht, so sind die fol- 
genden Vorgänge etwas anders. Zwischen den Kernen nämlich, 
die dicht aneinander liegen, lässt sich bis zuletzt noch eine 
trennende Membran beobachten; nur die zwei Paare von Centro- 
somen, deren je eines vom männlichen und weiblichen Gameten 
stammt, sind zu zwei Centrosomen verschmolzen, die sich 
gegenüber liegen auf zwei verschiedenen Seiten des Kernpaares 
und zwar enthält jedes dieser neuen Centrosomen eines vom 
männlichen und eines vom weiblichen Gameten. Dann tritt 
sogleich eine einheitliche Kerntheilungsfigur auf mit 24 Chro- 
mosomen, die sich in 48 spalten, unter gleichzeitiger Theilung 
der zwei Centrosomen in vier (Fig. 33) }). 

Die Zahl der Chromosomen bei der Karyokinese scheint 
bei der Befruchtung eine gewisse Rolle zu spielen, wenigstens 
was die Angiospermen betrifft. Bei den Zell- und Kern- 
theilungen, welche zur Bildung der Samenknospe und des 
Embryosacks führen, ist z. B. bei Lilium und Fritillaria die 
Zahl der Chromosomen in der Regel 24, in den weiteren Thei- 
lungen, welche zur Bildung des Eies und seiner Synergiden 
führen, ist ihre Zahl hier 12. Ebenso wird die Zahl der Chromo- 
somen von 24 auf 12 herabgesetzt, wenn in den Antheren die 
Theilung der Pollenmutterzellen beginnt: in den weiteren 
Theilungen bleiben es immer ı2 Chromosomen. Aber die 
erste Theilung des Eies zeigt wieder, wie schon erwähnt, 24 
Chromosomen. Ueber diese als Reduction der Chromosomen 


ı) Dass die Sache mit den Centrosomen etwas zweifelhaft geworden 
ist, wurde in der Anmerkung 2 auf p. 188 angedeutet. 


bekannte Erscheinung kann ich mich kurz fassen, da sie von 
Strasburger zum Gegenstande einer ausführlichen Abhand- 
lung!) gemacht worden ist und da ihr von Strasburger 
dieselbe Bedeutung zugeschrieben wird, welche mir auch 
schon, ehe ich jene Abhandlung kannte, als die wahrschein- 
lichste erschienen ist. Nach dieser Auffassung ist die Re- 
duction der Chromosomen eigentlich nicht auf einen physio- 
Jogischen, sondern einen phylogenetischen Grund zurückzu- 
führen, nämlich darauf, dass bei den, einen regelmässigen Gene- 
rationswechsel besitzenden Pflanzen die Kerne der ungeschlecht- 
lichen Generation eine doppelt so grosse Anzahl von Chromo- 
somen bei der Karyokinese zeigen, als die der geschlechtlichen 
Generation. Die letztere beginnt nun bei den Phanerogamen 
eigentlich mit den Theilungen innerhalb des Embryosackes 
und innerhalb des Pollenkornes und -schlauches, während mit 
der Theilung des Eies wieder die ungeschlechtliche Generation 
anfängt. Embryosack und Pollenkorn sind als Sporen anzu- 
sehen; dass schon bei der Theilung ihrer Mutterzellen ?) die 
Reduction der Chromosomen eintritt, scheint gegen die Rich- 
tigkeit der gegebenen Erklärung zu sprechen, allein wenn wir 
die Gefässkryptogamen und Moose betrachten, so finden wir 
auch da schon von der Theilung der Sporenmutterzellen an 
die Reduction der Chromosomen. Andererseits liefern aber 
diese Pflanzen den Beweis für die Richtigkeit unserer Fr- 
klärung, indem aus den bisher vorliegenden, von Strasburger 
mitgetheilten Beobachtungen hervorgeht, dass die Kerne der 
geschlechtlichen Generation (Moospflanze und Prothallium) bei 
der Karyokinese halb so viel Chromosomen bilden als die 
- Kerne der ungeschlechtlichen Generation (Mooskapsel und 
Farnpflanze). Zur Erklärung der anologen Verhältnisse bei 


I) Biologisches Centralblatt, Bd. XIV, p. 817. 
2) Bei einigen Angiospermen entsteht nämlich der Embryosack aus 
einer besonderen Embryosackmutterzelle durch deren Theilungen. 


13, 


—e: 196 re 


den Thieren nimmt Strasburger auch einen, allerdings sehr 
reducirten Generationswechsel bei ihnen an. 

Eine physiologische Bedeutung der Reduction der Chro- 
mosomen scheint mir für unsere bis jetzt erlangte Kenntniss 
dieser Verhältnisse nur unter der Annahme zu finden zu sein, 
dass die Chromosomen ihre Selbständigkeit auch im ruhenden 
Kerne bewahren, trotzdem sie hier äusserlich verloren geht. 
Auch Strasburger sieht sich zu dieser Annahme genöthisgt, 
obgleich einige Erscheinungen in der Entwicklung der pflanz- 
lichen Generationsorgane dagegen sprechen. So theilt sich, 
wie Guignard angibt, von den beiden aus der ersten Kern- 
theilung im Embryosack entstehenden, also ganz gleich- 
werthigen Kernen der eine unter Bildung von I2 Chromo- 
somen, wie sein Mutterkern, der andere unter Bildung von 
mehr als 12, sogar bisweilen 24 Chromosomen, wie die vorletzte 
Kerngeneration. Dagegen erhalten ganz deutlich ihre Selb- 
ständigkeit die Chromosomen in den Kernen des männlichen 
und weiblichen Gameten der Angiospermen, denn es treten 
nach dem Verschwinden der die Kerne trennenden Membran 
sogleich 2 X I2 Chromosomen auf ohne vorhergehende Ver- 
"schmelzung der Kerne zu einem. Noch deutlicher wird die 
Selbständigkeit der Chromosomen bei der Entwicklung des 
thierischen Eies und bei seiner Befruchtung bewahrt. Darauf 
beruht nun auch die Erklärung, welche Weismann für die 
Vorgänge der Verdoppelung und der Reduction der Chromo- 
somen oder, wie er sie nennt, Idanten aufstellt. Es scheint 
mir, dass sich seine Auffassung der Richtungskörperchen, deren 
Bedeutung nach ihm in der Reduction der Idanten des Eies 
liegt, mit unserer oben ausgesprochenen Meinung vertragen 
kann, nach welcher die Richtungskörperchen nur unentwickelte 
Eier sind, was ja auch von manchen Zoologen angenommen 
wird. 


Es ist hier nicht am Platze, sich länger auf diesem so 


vielfach discutirten Gebiete aufzuhalten, es soll in dieser Be- 
ziehung nur noch auf einen Punkt hingewiesen werden. Nach 
Weismann nämlich kommt es nur darauf an, dass das Ei 
eine gewisse Menge derjenigen Substanz enthält, die als Träger 
der Vererbung fungirt und in diesem Sinne können wir ihm 
sehr wohl beistimmen, entgegen jener sonderbaren Auffassung, 
nach welcher bei der Reduction der Chromosomen gewisse 
männliche Elemente hinausgeschafft würden, damit das Ei 
„rein weiblich“ sei. Sonderbar erscheint mir diese Meinung 
desshalb, weil sie annimmt, dass die Unterscheidung des männ- 
lichen und weiblichen Geschlechtes etwas ursprünglich Vor- 
handenes sei!). Wir haben aber gezeigt, dass sich eine 
Unterscheidung von Geschlechtern, weil vortheilhaft, allmählich 
herausgebildet hat, dass es aber eigentlich nur darauf ankommt, 
zwei vorher getrennte Zellen oder Kerne. zu vereinigen. 
Das befruchtungsreife Ei ist einfach eine Zelle, welcher die 
Eigenschaften des einen Individuums anhaften, wie das Sperma- 
tozoid eine andere Zelle ist, welcher die Eigenschaften des 
anderen Individuums anhaften. 

Die vererbbaren Eigenschaften denkt sich Weismann 
speciell an die Chromosomen gebunden, eben weil man aus 
der Reduction der Chromosomen und den karyokinetischen 
Vorgängen sieht, dass bei der Vereinigung der beiden Kerne 
im Befruchtungsact eine möglichst gleichartige Mischung aus 
den beiden Eltern erzielt wird. Wäre das Protoplasma der 
Träger der vererbbaren Eigenschaften, so müsste bei jeder- 
sexuellen Fortpflanzung, die durch Eibefruchtung erfolgt, der 
mütterliche Einfluss der vorwiegende sein. Dass der männ- 


I) So sagt auch Hanstein (Parthenogenese der Caelobogyne ilieifolia 
p- 48): „Es muss die Veranlassung fallen, die Sexualität... als geheimniss- 
volles Naturgesetz anzusehen und in der Befruchtung die Wiedervereinigung 
gewisser unbekannter, aus einander getretener männlicher und weiblicher 
Triebkräfte zu erblicken.“ Vergl. auch l. c. p. 51. 


en 198 au 


liche Gamet überhaupt mit Protoplasma versehen ist, erklärt 
sich daraus, dass ein Kern für sich allein offenbar nicht im 
Stande ist, zu existiren. Es kämen dann aber noch die Cen- 
trosomen in Frage, die ja auch bei den männlichen und weib- 
lichen Gameten gleich gross sind und wahrscheinlich überall 
vorhanden und nur wegen der Schwierigkeit, sie sichtbar zu 
machen, nicht überall nachgewiesen sind. Es dürfte wohl am 
besten sein, Kern und Centrosomen als ein gemeinsames Ganze 
anzusehen und uns nicht jede einzelne Eigenschaft, die von 
den Organismen vererbt wird, an ein bestimmtes Theilchen 
der Kern- oder Zellsubstanz überhaupt gebunden zu denken. 
So können wir auch ein besonderes Keimplasma und besondere 
Bahnen für dasselbe im Weismann'schen Sinne nicht aner- 
kennen !). Ueberhaupt wird schwerlich je ein Botaniker sich 
zu dieser Anschauung bewegen lassen, da er ja sieht, dass, 
z. B. bei einem Lebermoos, fast jede Zelle der Pflanze im 
Stande ist, die ganze Pflanze zu reproduciren. Sagt man aber, 
dass bei dieser Pflanze das Keimplasma auf alle Zellen ver- 
theilt ist, so würde dies nur ein anderer Ausdruck für die zu 
beobachtende Erscheinung sein, ohne dass wir damit eine 
genauere Kenntniss der Sache erworben hätten. Doch wir 
würden uns mit solchen Erörterungen zu weit von unserem 
Wege entfernen und wollen uns deshalb daran erinnern, dass 
wir zunächst die morphologische Seite der geschlechtlichen 
Fortpflanzung, dann, wenn man so sagen darf, ihre anatomisch- 
physiologische betrachtet haben, dass uns jetzt also noch ihre 
biologische Bedeutung zu erörtern bleibt ?). 


1) Die Continuität des Keimplasmas im Sinne Sachs’ ist freilich etwas 
anderes, es ist eine Thatsache, eine Erscheinung in der Entwicklung der 
Pflanzen, welche in das rechte Licht gesetzt zu haben, ein grosses Verdienst 
unseres genialen Physiologen ist. 

2) Es ist auch der Versuch gemacht worden, die Entstehung der ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung mit Hülfe der Selectionstheorie zu erklären: 


Da die Beobachtung des Copulations- und Befruchtungs- 
vorganges auf die Vereinigung gleichartiger Schwärmsporen 
als Ausgangspunct aller weiteren Erscheinungen führt, so ent- 
steht zunächst die Frage, was die Schwärmsporen veranlasst 
habe, mit einander zu copuliren? Man könnte annehmen, wie 
schon oben angedeutet, bei der Entstehung derselben sei die 
Theilung so weit gegangen, dass die entstehenden Schwärm- 
sporen zu klein geworden seien, um sich selbständig weiter 
zu entwickeln und dass erst aus zweien wieder eine Zelle ent- 
standen sei, welche diese Fähigkeit besitzt. Viel wäre damit 
natürlich nicht gewonnen, denn es bleibt nicht nur unerklärt, 
was nun die getrennten Producte wieder zusammenführt, sondern 
es wird auch nur als Grund der Erscheinung ein Vorgang an- 
gegeben, für den wir gar keinen Grund. wissen. Auch haben 
wir oben gesehen, dass in manchen Fällen solche Gameten 
ohne Copulation keimen können. Von dieser Seite her werden 
wir also die Sache nicht erklären können, wir werden uns 
darauf beschränken müssen, die biologische Bedeutung der 
Erscheinung zu verstehen. Die Frage nach der Bedeutung der 
Sexualität ist ja schon wiederholt discutirt worden; auch ist 
schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Noth- 
wendigkeit der Sexualität zur Erhaltung der Art keineswegs 
von vornherein klar ist: im Gegentheil sehen wir, dass viele 
Arten sich sehr gut und dabei unverändert erhalten, ohne je 
sich sexuell zu vermehren, sei es, dass sie überhaupt keine 
Geschlechtsorgane besitzen wie die grosse Menge der Asco- 
und Basidiomyceten, sei es, dass sie solche besitzen, diese 
aber functionslos sind, und dass sie sich nur durch Propagation 
vermehren und erhalten. 

Es ist nun früher die Ansicht vertheidigt worden, dass es 


Dr. W. Breitenbach, Die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung, 
eine phylogenetische Studie (Kosmos, 1880, Bd. VIII, p. 248). Was hat man 
nicht alles schon mit der Selectionstheorie erklären gewollt! 


m AQORL — 


bei der geschlechtlichen Fortpflanzung nicht nur auf das Be- 
stehen der Art, auf das Verhüten ihres Aussterbens, sondern 
auf die Erhaltung der specifischen Eigenschaften, auf das Ver- 
hüten von Ausartung abgesehen sei, d. h. dass dieses Ziel 
durch die Fortpflanzung auf geschlechtlichem Wege besser er- 
reicht werde als auf ungeschlechtlichem. Grisebach') und 
die anderen Anhänger einer solchen Ansicht gehen von der 
Annahme aus, dass individuelle Abänderungen, die durch Ver- 
änderung der äusseren Lebensbedingungen entstanden sind, bei 
der ungeschlechtlichen Fortpflanzung erhalten werden und dass 
sich unter solchen Verhältnissen die einheitliche Species in 
eine Menge einzelner Varietäten auflösen würde, wie es in 
einigen Fällen bei Culturpflanzen unter der Hand des Menschen 
geschehen ist. 

„Dieser Folgerung“, sagt Askenasy?), „entsprechen die 
Thatsachen keineswegs. Im Allgemeinen führt eine lebhafte 
ungeschlechtliche Vermehrung weder bei wildwachsenden noch 
bei cultivirten Pflanzen nothwendiger Weise zu einer grossen 
Mannichfaltigkeit der Formen. Wohl aber muss zugegeben 
werden, dass eine reichliche ungeschlechtliche Vermehrung die 
Fixirung von Abänderungen, die auf irgend eine Art entstanden 
sind, sehr erleichtert. So befördert dieselbe bei sehr variabeln 
wildwachsenden Pflanzen die Zersplitterung der Formen und 
gestattet der künstlichen Auswahl, mit Leichtigkeit zahlreiche 
Abänderungen verschiedener Culturpflanzen festzuhalten. Man 
verfährt überhaupt inconsequent, wenn man die Gleichförmig- 
keit einer Art auf Rechnung der Kreuzung setzt, denn man 
weiss sehr wohl, dass viele Eigenschaften schon an und für 
sich constant sind, dass Veränderungen derselben bei indivi- 
duellen Variationen gar nicht vorkommen.“ Der citirte Autor 


I) Göttinger Nachrichten, 1878, No. 9. 
2) Beiträge zur Kritik der Darwin’schen Lehre. Leipzig 1872, 
P- 54-55- 


ROTE — 


fährt nun fort: „Die grosse Bedeutung der Kreuzung liegt 
meiner Ansicht nach darin, dass sie alle vereinzelten seltenen 
Variationen, die sonst zur Bildung constanter Formen führen 
könnten, absorbirt, indem sie deren Nachkommen wiederholt 
mit Individuen paart, die von dem ursprünglichen Typus nicht 
abgewichen sind.“ Wie leicht ersichtlich, wird bei der sexu- 
ellen Verbindung von zwei Individuen derselben Art die Ver- 
einigung der Gameten in der Weise wirken, dass die Eigen- 
schaften des einen Gameten nicht allein zur Geltung kommen 
könne, sondern durch die des anderen modificirt werden: es 
werden also die erhaltenen Mittelwerthe sich vıel weniger leicht 
vom Typus der Art entfernen, als wenn die Eigenschaften nur 
von einer Seite aus vererbt werden. Das ist also die Anschau- 
ung, nach welcher die Kreuzung und sexuelle Reproduction zur 
Erhaltung der specifischen Eigenthümlichkeiten dient. Es ist 
- nun merkwürdig, zu sehen, wie die anderen Autoren durch die 
geschlechtliche Fortpflanzung gerade das herbeigeführt wissen 
wollen, was nach den ersteren durch sie verhindert werden 
soll, nämlich die Erzeugung neuer Varietäten, die dann zu 
neuen Species werden können. 

In diesem Sinne fasst Kerner!) die Sache auf und spricht 
sich dahin aus, dass Fortpflanzung, Vermehrung und Ver- 
breitung der Pflanzen auch durch „Ableger“ (d. i. Organe der 
ungeschlechtlichen Reproduction und Propagation) erfolgen 
können, dass sich aber die Befruchtung nur begreifen lässt, 
wenn man sie als ein Mittel zur Entstehung neuer Arten auf- 
fasst. Nach ihm ist, speciell für die Blüthenpflanzen, das Ziel 
aller jener Einrichtungen, welche zur Befruchtung führen sollen, 
„dass im Beginne des Blühens eine zweiartige Kreuzung 
und erst dann, wenn diese nicht zu Stande kommt, einartige 
Kreuzung, Geitonogamie, Autogamie und Kleistogamie statt- 


ı) Pflanzenleben, Bd. I, p. 581. 


=. 202 7R—— 


finden“. Die Hauptsache wäre also, dass durch die Sexualität 
eine Vermischung zweier Arten und dadurch die Entstehung 
neuer Arten ermöglicht würde; das erstere ist selbstverständlich 
nur auf diesem Wege möglich, für das letztere aber kann es 
nicht bewiesen werden. Doch muss man zugeben, dass die 
Sexualität in dieser Hinsicht eine grosse Bedeutung besitzt und 
ich glaube auch, dass man viel eher durch sprungweise, durch 
die Kreuzung hervorgerufene Veränderungen als durch all- 
mähliche, auf Anpassung beruhende Veränderungen die Ent- 
stehung neuer Arten erklären kann. Es ist aber möglich, dass 
— um ‚mich eines kurzen Ausdruckes zu bedienen — die 
Grisebach’sche Auffassung neben der Kerner’schen be- 
stehen bleibt, denn bei ersterer handelt es sich um die sexuelle 
Vereinigung von Individuen innerhalb einer Art, bei der 
letzteren um die Kreuzung verschiedener Arten. Wenn die 
sexuelle Fortpflanzung nur die Erhaltung der Art sichern sollte, 
so würde dafür gesorgt sein, dass eine zweiartige Kreuzung über- 
haupt nicht stattfinden könnte oder erfolglos wäre; allein die 
Kreuzungnahe verwandter Arten ist wohl viel häufiger erfolgreich 
und liefert vielmehr fruchtbare Bastarte, als viele Naturforscher 
anzunehmen geneigt sind. Wäre aber die wahre Absicht der 
sexuellen Fortpflanzung die Vermischung der Arten, so würde 
nicht die Vereinigung von Individuen derselben Art die Regel 
sein, wie sie es doch wohl ist. Darum ist anzunehmen, dass 
dem Fortbestehen der organischen Welt sowohl aus der ein- 
artigen wie aus der zweiartigen Kreuzung ein Vortheil erwächst. 

Nur ist nicht einzusehen, dass zur Erhaltung des Arttypus 
und zur Entstehung neuer Arten die sexuelle Fortpflanzung 
geradezu nothwendig ist. Denn auch ohne dieselbe könnten 
doch constante Arten existiren und neue aus denselben hervor- 
gehen, wofür die höheren Pilze und die Flechten den Beweis 
liefern. Obgleich bei denselben niemals eine Vermischung 
zweier Individuen zur Erzeugung der Keime eintreten kann, 
verhalten sie sich doch in ihrer Gruppirung zu Arten, Varie- 


täten u. s. w. nicht anders als andere Pflanzen und entstehen 
hier gerade so gut neue Arten, als wie es für diese anderen 
angenommen wird. 

Doch ist zu wiederholen, was in allen solchen Fällen zu 
sagen ist: nämlich wenn wir an einem Organismus eine für den- 
selben offenbar nützliche Einrichtung bemerken, so ist deren 
Nutzen nicht desswegen zu bestreiten, weil ein anderer ähn- 
licher Organismus ohne jenen auskommt. So können wir nicht 
leugnen, dass Dornen und Stacheln den Pflanzen als Schutz 
gegen die Angriffe der Thiere nützlich sind, wenn auch andere 
Pflanzen ohne dieses Schutzmittel den Angriffen der Thiere 
nicht erliegen. Ebenso verhält es sich mit der sexuellen Fort- 
pflanzung: sie ist ein Vortheil, keine Nothwendigkeit, und um 
so grösser ist dieser Vortheil, als derselbe nach zwei Seiten 
hin gerichtet ist: durch die einartige Kreuzung wird der Typus 
der Art leichter erhalten, als bei rein ungeschlechtlicher Ver- 
mehrung, durch die zweiartige Kreuzung wird die Bildung neuer 
Arten zwar nicht erst ermöglicht, aber doch durch Einführung 
dieses neuen Hülfsmittels erleichtert, „die geschlechtliche Fort- 
pflanzung ist daher eine sehr viel mächtiger sprudelnde Quelle 
der Variabilität und hat mit der allmählich höheren Entwick- 
lung der Arten die ungeschlechtliche in den Hintergrund ge- 
drängt und auf engere Kreise beschränkt“ !). 

Der Autor, dessen Worte eben citirt wurden, hat aber in 
erster Linie einen Vortheil der Sexualität darin erblickt, „dass 
durch die Vereinigung zweier Zellen eine grössere Kraftsumme 
zur Verfügung stehe“. Die Bedeutung dieses Ausspruches ist 
mir nicht ganz klar, denn wenn es nur auf die Vereinigung 
von zwei Zellen ankäme, so wäre es doch viel einfacher, wenn 
zwei neben einander liegende Zellen desselben Organismus 
verschmelzen würden und bedürfte es nicht der compli- 


nerketehs,1..c p: 25. 


cirten Einrichtungen, zwei Zellen aus verschiedenen Organismen . 
zusammenzuführen. Hieran schliesst sich noch eine andere 
Betrachtung zur Beseitigung einer einseitigen Auffassung der 
Rolle, die der männliche Gamet bei der Befruchtung spielt, als 
ob er nämlich nur dazu diente, das Ei zur Weiterentwicklung 
anzuregen. In den meisten Fällen kann das Ei sich nicht ohne 
Befruchtung entwickeln, aber man darf nicht glauben, dass es 
an und für sich unfähig wäre, sich zu entwickeln und erst eines 
besonderen Stoffes oder Reizes bedürfe: sehen wir doch aus 
einzelligen ungeschlechtlichen Sporen und vielen Eiern partheno- 
genetisch sich fortpflanzender Organismen, besonders bei 
Thieren, neue Organismen, die aus zahllosen Zellen bestehen, 
hervorgehen: Die Unfähigkeit des Eies, sich zu entwickeln, ist 
nur eine Anpassung an die durch die Sexualität gebotenen 
Vortheile, wie sie eben dargelegt worden sind. Wäre dies 
nicht der Fall, so würde eben das Ei nach seiner Entstehung 
gleich anfangen sich zu theilen und könnte dann nicht mehr 
mit dem männlichen Gameten verschmelzen: eine Befruchtung 
würde nur bei dem glücklichen Umstande eintreten, wenn sofort 
nach der Bildung des Eies auch eine Spermazelle hinzukommt, 
denn es ist nicht zu erwarten, dass das Ei nur gerade so lange 
ruhe, als die Möglichkeit dauert, dass noch eine Spermazelle zu 
ihm gelange, dann aber erst sich weiterentwickele mit oder ohne 
Befruchtung. Wir müssen annehmen, dass die Vortheile, die 
die sexuelle Fortpflanzung mit sich bringt, so gross sind, dass 
sie den Untergang zahlloser unbefruchteter Eier aufwiegen, und 
wir müssen in dem,männlichen Gameten nicht den Erreger zur 
Entwicklung der Eizelle, sondern den Träger der Eigenschaften 
des männlichen Organismus sehen, die mit den in der Eizelle 
liegenden Eigenschaften des weiblichen Organismus vereinigt 
werden sollen. 

Neben den Vortheilen, auf welche nach obiger Auseinander- 
setzung die sexuelle Fortpflanzung gerichtet ist, kann nun noch 


ein dritter angeführt werden, der mir bis jetzt nicht in ent- 
sprechender Weise Beachtung gefunden zu haben scheint. Die 
Sexualität kann nämlich auch ein Mittel zur Ausbildung höher 
stehender, d. h. complicirter gebauter Formen werden, In 
dieser Hinsicht kommt es in Betracht, dass nicht bloss zwei 
Individuen ihre Gameten zur Vereinigung bringen, sondern 
dass die beiden Gameten oder auch Individuen als männlich 
und weiblich unterschieden sind. In solcher Weise wirkt die 
geschlechtliche Fortpflanzung besonders bei den Blüthen- 
pflanzen und wir brauchen, um dies zu erkennen, nur die 
verschiedenartigen Einrichtungen für die Bestäubung und die 
mannichfaltigen, oft wundervollen Gestalten der Blüthen und 
Constructionen der Bestäubungsapparate mit ihrer Anpassung 
an die Insecten zu betrachten. Viel mehr aber als bei den 
Pflanzen ist im Thierreich die Sexualität in der Hand der Natur 
ein Mittel zur Vervollkommnung oder besser gesagt zur Aus- 
bildung complicirter gebauter Formen geworden. Hier handelt 
es sich nicht nur um die Mittel zur Vereinigung der verschieden 
gebauten Geschlechter, sondern auch um die Auswahl der 
Individuen und was dabei die geschlechtliche Zuchtwahl ge- 
wirkt hat, das führt Darwin in meisterhafter Weise in seinem 
bekannten Werke aus. Aber auch hier dürfen wir nicht zu 
weit gehen und nicht glauben, dass erst durch die geschlecht- 
liche Fortpflanzung eine Entwicklung zu höheren Formen statt- 
fände. Im Allgemeinen zwar geht mit der Vermehrung der 
Bedürfnisse, welche ja durch die Sexualität gegeben wird, eine 
Vervollkommnung der Einrichtungen, hier also der Organi- 
sation, Hand in Hand. Aber gerade das Pflanzenreich liefert 
uns einige gute Beispiele davon, wie sich eine hochentwickelte 
Organisation bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung finden kann. 
Die Laminariaceen, wie schon oben erwähnt, welche sich 
nur durch asexuelle Schwärmsporen fortpflanzen, stehen im Bau 
ihres Thallus auf derselben hohen Stufe im Reiche der Algen 


— 2060 — 


wie die Fucaceen, bei denen eine Befruchtung zwischen sehr 
verschieden gebauten Gameten stattfindet. Bei den Moosen fin- 
den wir den complicirtesten Bau in der Mooskapsel, dem Organ, 
welches zur ungeschlechtlichen Vermehrung dient, und analog 
ist bei den Farnpflanzen die ungeschlechtliche Generation 
diejenige, welche Stamm, Blätter und Wurzeln bildet, während 
die geschlechtliche Generation als ein unscheinbarer kleiner 
Thallus auftritt!). Also nur unter gewissen Umständen wirkt 
die Sexualität in der Weise, wie ich sie in dritter Linie als 
einen Vortheil, der daraus für die Entwicklung der Organismen- 
welt entsteht, anführte. Esist aber nun zu bedenken, dass im 
Pflanzenreich die Sexualität gar nicht die hervorragende Rolle 
spielt, welche ihr im Thier- und Menschenreich zukommt. Für 
diese Betrachtungsweise habe ich am Schlusse der Einleitung 
einige Andeutungen gemacht. 


ı) Hiergegen nun wieder könnte Jemand einwenden, dass es sich bei 
den Moosen und Farnen um einen Generationswechsel handelt, der ja nach 
demselben Principe auch bei den Phanerogamen vorhanden ist. Die Sache 
liegt aber insofern anders, als bei letzteren die ungeschlechtliche Generation 
so zu sagen in den Dienst der geschlechtlichen gestellt ist, was sich darin 
zeigt, dass die ungeschlechtliche Generation die Aufgabe übernommen hat, 
für das Zusammenbringen der Gameten, die Bestäubung, welche der eigent- 
lichen Befruchtung, vorangeht, zu sorgen; bei den Kryptogamen ist dies (mit 
Ausnahme von Azolla) nicht der Fall: 


Verzeichniss 


der im Texte vorkommenden Pflanzen- 


Abies canadensis 120. 

— pectinata 88. 89. 

Abutilon 105. 

Acetabularia 177. 191. 

Acorus Calamus 29. 137. 

Adenostylis Cacaliae 108. 

Aesculus hippocastanum 
120, 121. 

— rubicunda 121. 

Agave americana 82. 

— vivipara 126. 

Ahorn 120. 

Ailanthus glandulosa 89. 

Algen 7. 9. Io. Iı. 14. 
27. 145. 16I—170. 178. 
190. 

Alisma Plantago 130. 

Alnus glutinosa 89. 

Alo& 82. 

Amorphophallus 12. 

Anabaena 169. 

Anchusa 94. 

Andropogon Ischaemum 
327: 

— Schoenanthus 70. 

Anemone 94. 

— nemorosa 73. 74- 

— silvestris 121. 

Aneura multifida 10. 

— spec. II*. 

Angiospermen 165. 166. 
168. 189. 194— 196. 

Apfel 61—68. 149. 


* bedeutet Abbildung. 


Aphanochaete 
170% DITEHIST 
Araceen 147. 
Araliacee 123. 
Arundo phragmites 30. 
Asclepias curassavica IO5. 
Ascomyceten 44. 164. 165. 
199. 
Ascophyllum 181. 
— nodosum I81*. 
Askenasy 99. IO5s Anm. 
200. 
Aspidium Filix mas 187”. 
Avena sativa 129. 
Azalea dahurica I00 Anm. 
Azolla 166. 206 Anm. 


repens 


Babinet 109. 
Bambus 90. 


ı Bambusa arundinacea 87. 


Bambuseen S6. 87. 
Banane 33. 34. 39. 83. 
150. 151. 
Bangiaceen 184. 185. 
Barbula fragilis 32. 
— papillosa 31. 
de Bary 0. 71. 73. 
Basidiomyceten 164. 199. 
Batate 37. 38*. 155. 
Bates 95. 96. Io5. 
Batrachium 114. 
Batrachospermum moni- 
liforme 187*. 


und Autor-Namen. 


Bauhin, J. 62. 

Behrens.-]- 19r. 

Benecke, F. 68 Anm. 
70. 84. 86. 153. 

Berkeleyseo: 

Beta vulgaris 75. 

Betula alba 88. 89. 

Binns 34. 

Binz 61 Anm. 


' Birke 88. 89. 
Birne 61-68. IIO Anm. 
177. 


Blankenhorn zı. 


| Bocksbart 73. 


Bolle 39. 64. 65. 
Bombaceen 133. 
Bornet I8o Anm. 
Borrago officinalis 
128. 
Borzi 169. 
Bouche& 39. 64. 
Boulger I1o. 
Brassica 99. 
Brefeld 164. 
Breitenbach IggAnm. 
Bromeliaceen 147. 
Broussonetia papyrifera 
49. 
Bryophyten 161. 
Bryopsis 177. 
Bryum concinnatum 31. 
— Reyeri 31. 
Buche 75. 89. 120. 


127 


Bütschli 170. 
Bujsman' 119. 
Bulbochaete 9. 167. 

— pygmaea 9*. 
Burgerstein IQ Anm 
Buxbaumia aphylla 13. 


Cacao 150. 

Cacteen II3. 123. 

Caelebogyne 8. 

Callitriche 130. 

Calmus 29. 

Camelina sativa 75. 

Campylopus fragilis 32. 

Canada-Pappel 46. 

Capsella 73. 

Cardamine uliginosa 140. 

Carex rigida 137. 

Carludovica 147. 

Carpinus betulus 88. 

“ Caspary 140. 

Castanea vesca 89. 

Caulerpa 32. 145. 146. 

Cedrela sinensis IIQ. 

Centaurea Cyanus Io6. 

Cerealien 108. 109. 

Cereus 123. 

Chaetopeltis minor 176*. 

Chaetophoraceen I77. 

Characeen 178. 

Chara crinita 142. 

— fragilis 187*. 

Chlamydomonas 173. 

— Braunii 173*. 

Chlorophyceen 167. 169. 
183. 

Chusquea 87. 

Cirsium 142. 

— affıne 142. 

— purpureum 142. 

Clos 29. 

Closterium 171*. 

Clusius 29 Anm. 

Cochlearia armoracia 140. 

Codiaceen 146. 

Codium 146. 


208 


Coenogonium 7 Anm. 

Coleochaete II. 176. 178. 

— pulvinata 176*. 187*. 

— scutata II*. 

Colin 108. 

Colocasia antiquorum 36. | 
377 LISIES. 

Conjugaten II. 169— 173. 
186. 193. 


Coniferen 23. 189. 


Convallaria III. 

Convolvulus Batatas 37. 
38*, 155. 

Corallina virgata 187*. 

Corydalis 94. 

Corylus Avellana 88. 

Corypha 5. 

— Gebanga 4*. 

Cosmarium I7I. 

Crocus 99. III. 

— sativus Io6. 107. 

Croucher 64. 

Cruciferen 81. 

Cucurbita 99. 100. 


— Pepo 98. 

Cutleriaceen 179. 180. 

Cyanophyceen 15. 169. 
170. 

Cycas 143. 


Cylindrocapsa 178. 

— involuta 187*. 

Cymodocea antarctica 
114. IIS. 

Cystopus 73. 


DaelvanKoeth 22. 
Dahlia variabilis 156. 
Daphne 94. 

Darwin 28. 29. 37. 49 
Anm. 118. 126 Anm. 
136. 137. 140. 152 Anm. 
155. 157. 

Dasycladaceen 167. 


Deeaisne's1. 35. 

Decandolle, A. 33. 
37. 39. 55.08. 08% 11 

—, C. 103. 

Dentaria bulbifera 138*. 

Deschampsia alpina 29. 

Desmidiaceen 171. 172. 

Dianthus 141. 

Diatomeen I4. 169—I7I. 

Dicranodontium _arista- 
tum 3I. 

Dictyota dichotoma 187*. 

 Dictyoteen 182. 183. 

Didymosphaeria populina 
44. 

Digitalis grandiflora 128. 

 Dinoflagellaten 169. 

'Dioscorea Batatas 35. 56. 

— sativa 36*. 

'Dochnahl 65. 

' Dorema Ammoniacum 82. 

Dothiora sphaeroides 44. 

Downing 63. 

\ Dracaena Draco 90. 

Drachenbaum 90. 


Echium vulgare 109. 
Ectocarpus siliculosus 
174. 178. IYOE@ EC 
Edelkastanie 89. 
Edwards 108. 
Eggers 30. Anm. 
Eibe 88. 
Eiche 89. 90. 166. 
Elatine Alsınastrum 130. 
144. 
Elodea canadensis 31. 32. 
114. II5. 142. 143. 
Engler 107 Anm. 
Epilobium angustifolium 
94. j 
Epithemia 170. 171 Anm. 
EquisetumTelmateja 187”. 


Dattelpalme 35. 143. 149. 
152. 
David a1. 


Erdbeere 15. 16*. 17. 105. 
Eriodendron anfractuo- 
sum 133. 


Erle 89. 

Ernst 124. 133. 

Erythrotrichia obscura 
184*. 

Esche 125. 


Euchlaena mexicana 107. 
Euphorbia Cyparissias 73. 


Fagus silvatica 89. 120. 


Farne 12. 13. 96. 145. 147. 
160. 166. 185. 190. 206. 


Deerhrer 122.183, 


Feigenbaum 37—39 143. 


153% 
Ferula Narthex 119. 
Festuca 28. 

— Fuegiana 29. 

— ovina 29. 
Feuerlilie 138. 
Fichte 88. 89. 
Ficus 93. 

— Carica 37. 
Flagellaten 168. 
Flechten 6. 32. 202. 


Florideen 167. 169. 183. 


184. 185. 192. 
Focke At. 42. 46. 47. 
Fortune 37. 


Fourcroya gigantea 148*. 


149. 
— Selloa 148*. 


Frank 35Anm. 41 Anm. 
44- 45 Anm. 59. 66 Anm. 


79. 75- 
Fraxinus excelsior 125. 
— Ormus 119. 
Fritillaria 194. 
Frömbling 87. 
Fucaceen 166. 179. 180 
182. 183. 206. 
Fucus 181. Igo. 
— serratus 179*, 180 187*. 
— vesiculosus IgI. 192. 


Gärtner, C. FF. 141. 156. 
Gagea bohemica 139. 


‚Heinricher ı82. 


— en 


209 

Gain 129. 

Galanthus nivalis 99*. 

Gartenkresse 98. 

Gefässkryptogamen 165. 
166. 195. 

Georgine 40. 

Geranien 40. 

Getreide 48. 71. 80. 92. 
150. 

Geum 141. 

Goebel ıo. 

Goethe, R. 32. 54 Anm. 

Götterbaum 8g. 

Goldregen 1. 

Gräser 28. 80. 81. 83. 137. 

Gramineen 87. 

Griffithsia setacea 187*. 

Grimmia torquata 31. 

Grisebach, 116. 200. 

Guignard 186. 188. 189. | 
196. 

Gurke 72. 

Gymnospermen 168. 


Haberlandt ı$. 

Hackel 29. 85. 87. 107 
Anm. 

Halimeda 146. 

Hansen 35 Anm. 132 
Anm. 

Hanstein 8. 197 Anm. 

HaplosporaVidovichii 183 
Anm. 

Harper 164 Anm. 

Hasel 88. 110. 

Liee@ ke Tist. 

Hefe 14. 

Hegler 170. 


Helianthus tuberosus 107. 


156, 


Hemileia vastatrix 71. 

Heptapleuron umbraculi- 
ferum 125. 

Heterospora 183 Anm. 


Möbius, Fortpflanzung der Gewächse., 


Hildebrand, F. 93 
Anm. 104 Anm. ııı. 
Anm. 115 Anm. 

Himanthallia 181*. 

Hippuris vulgaris 130, 

Hochstetter 96 Anm. 

Hogg 44. 

Huber 176 Anm., ° 

Hühnerdarm 6. 73. 81. 

Humboldt ıos. 108. 
IIO. 

Hyacinthe 40. 99. 111. 

Hydrodictyeen 177. 

Hydrodictyum 175. 

Hypericum calycinum 
737: 


Jacob, G. 105 Anm. 
106. IIO Anm. 116. 120. 

Jäger 23. 

Iberis amara 98. 

Jessen 24 Anm. 36. 40. 
57—59. 62. 63. 72. 


Impatiens parviflora 97. 


Iris 99. 

Isnardia palustris 130. 144. 

Isoötes Malinerviana 
187*. 


Juncus 130. 

— supinus 144. 
Juniperus 89. 143. 190. 
Jussiaea grandiflora 137. 


Kalm ııS. 
Kaffeebaum 71. 124. 150. 
Kapuzinerkresse 103. 


ı Kartoffel 35. 36. 37. 47. 


55 1. 73. 158./860: 
Kerner2$8Anm.31 Anm. 
82 Anm. 93. 107 Anm. 
114. 132 Anm. 137. 139. 
140. 142. 20I. 
Kiefer 88. 89. 
Klappertopf 73. 
Klatschrose 73. 
14 


Klebahn 170 Anm. 171. | 


172 Anm. 192 Anm. 
Klebs 160 Anm. 168 
Anm. 174. 177 Anm. 203 
Anm. 
Knight 62. 63. 64. 65. 
Koch, K. 46. 
Koelreuter IQl. 


Koelreuteria paniculata 
119. 

Kohl 109. 

Krause, A. 83. 
Krüger 70. | 
Kuckuck 183 Anm. | 
Kümmel 109. 
Kryptogamen 162. 

"190. 206 Anm. 


186. 


Lärche 88. 
Laminariaceen 
178. 205. 
Laryx europaea 88. 
Laubmoose 31. 144. 
Lauterborn 170 Anm. 
Lavatera 141. 
Lebermoose 32. 144. 198. 
Lein 98. 
Lejolisia 
184*. 
Leguminosen I50. 
Lemna I14. 
Lemnaceen IO7. II4. 137. | 
Leucodon sciuroides 32. 
137. 
Lilium 194. 
— bulbiferum 138*. 139 
— croceum 138. 
— Martagon 189*. 
— tigrinum 138. 
Lindau 6. 
Lindley 64. 653. 
Linne& 122. 123. 
Litorella lacustris 130. 
Linum 141. 
Livingstone 41. 


37.366. 


mediterranea 


| Mesocarpus 17I. 


210 


Lobelia 141. 


Musa 83. 105. 150. ISI. 


— Erinus 103. — Ensete 83. 
Ludwig 29 Anm. — Fehi 150. 
Lunularia vulgaris 32. 142. | — Sapientium 33. 151. 


143. 


| Lupinus albus 129. 


Lychnis 141. 
Lycium 141. 


Lycopodium Phlegmaria 


187*. 

Lyngbya 15. 

Lysimachia nummularia 
29. 


Magnus 120. 


ıMalva vulgaris 97. IOI. 

, Maranta arundinacea 153. 
ı Marchantia 13. 143. 

\— polymorpha 13*. 185*. 


187*. 
Marri 54. 


Marsilea quadrifolia 144. 


— vestita 187. 
Medicago sativa 129. 


ı Mehlthau 50. 52. 54. 7I. 


—, falscher 32. 


| Melone 72. 


Mercurialis 143. 

. 

Metzger 39. 

Mimulus Tilingi 97*. 
IOI. 

MölleryAr7; 

Monoblepharis 163. 


|— sphaerica 163*. 187*. 
.| Monotropa 94. 


van Mons ®. 


Moose 12. 13. 31. 137. 144. | 


145. 160. 165. 166. 185. 
190. 195. 206. 
Morchel 12. 


ı Mougeotia Uleana 172*. 


Müller,F. 87 Anm. 105. 
109. 
Müller-Thurgau 54. 


— Troglodytarum 33*. 
150. 
Mutterkorn 48. 


Nardosmia fragrans 107. 
Nelke 40. 
Nels 51. 
Nemalion multifidum 192. 


98. 


193*. 
Nietner 50. 

Nobbe 49 Anm. 
Nördlinger 88 120 
Anm. 123. 125 Anm. 

Nymphaeaceen I14. 


Oberlin 53. 

Obstbäume 47. 61—68. 
1IO. IIS. 122. 20S 226 
154. 

Oedogoniaceen 167. 

ı Oedogonium 167. 176. 178. 

193. 

"— Boscii 187*. I9I*. 192. 

Oelbaum 38. ı1IOo. 152. 
153. 

Oidium Tuckeri 50. 5I. 

|, "322994 

Olea europaea 38. 

| Olive 39. 153. 

‚Oltmanns ı81ı Anm. 

| 192 Anm. 

'Oncidium Lemonianum 
30*. 147. 

| Orange 154. 

ı Orchideen 4. 30. 89 Anm. 

| 147. 166. 

Osmunda 
187*. 

' Otthia populina 44. 

'Overdieck 63. 121. 


Claytoniana 


Palme 5. 166. 

Palmellaceen 14. 

Pandorina 174. 

Panicum miliaceum 75. 

Papaver 90. 

— Rhoeas 73. 

Pappel 143. 

—, italienische 18. 24. 

Payen 72. 

Pelargonium zonale 128. 
129. 

Pellia calycina 187*. 

Pelvetia 181". 

Pentstemon 147: 

Penzi-g 39. 

Peperomia- 147. 

Peronospora densa 74. 

— macrocarpa 73- 

— papaveris 74. 

— viticola 53. 60. 

Peronosporeen 163. 

Petersen ISI. 

Petersilie 109. 

Petunia 100. 

Pfeilwurz 155. 

Phaeophyceen 169. 182. 
183. 

Phaeozoosporeen 183. 

Phalaris canariensis 127. 

Phanerogamen 162. 163. 
165. 186. I9O. 194. 206 
Anm. 

Phaseolus vulgaris 98. 

Phoenix dactylifera 34*. 
35- 

Phycomyceten 163. 164. 

Phytophthora infestans 
60. 

— omnivora 75. 

Picea vulgaris 88. 89. 120. 

Pilobolus 5. 

Pilularia globulifera 144. 

Eilze2.6. 7. 10. 12. 27. 
38. 44. 45. 46. 47. 51. 
E22 058..59: 60. 72. 73- 
ae: 06, 132. 160. 
162. 163. 164. 165. 202. 


2II 


Pinus montana 88. 

— silvestris 88. 89. 

Pirola 94. 

Plectonema Wollei 14*. 

Plinius 50. 

Poa 28. 

— alpina 29. 

— bulbosa 28. 

— stricta 28. 

Pöppig 96. 

Polygonum 
108. 

— fagopyrum I29. 

— viviparum IO8. 137. 

Polytrichum commune 
187*. 

Populus alba 46. 

— canadensis 46. 

— canescens 46. 

— nigra 40.41 Anm. 46. 

— pyramidalis 40. 

— tremula 41. 89. 

Porphyra 185. 

Potamogeton 130. 

Primel 94. 

Primula Clusiana 132. 

— minima 132. 

Pringsheim 174. 

Prunus insititia 65. 

Pteridophyten 161. 

Pterostyrax hispida 119. 

{ Pyramidenpappel 24. 40. 
41°—47. 

Pythium 
75- 


amphibium 


de Baryanum 


Quecke 73. 
Ouercus pedunculata 89. 
90. 


Raleigh 55. 
Ranunculus 114. 

— Ficaria 29. 137. 138*. 
— lanuginosus 121. 
Rebe 49. 71. IO5. 154. 
Rhinanthus 74. 

Rhus Cotinus 119. 


Ricinus 88. 103. 

Riesenfichte, califor- 
nische 6. 

Rivularia 15. 

— bullata 14*. 

Rose 40. I23.. 140. 149. 

Rosskastanie I. 

Rostrup 44. 45. 

Rothe, Tyge 43. 47- 

Royle 126 Anm. 

Rubus Idaeus 83. 

— odoratus 83. 

Rübe 109. 

Rise IT 10. 

Runkelrübe 72. 


Saccharum 85. 
— officinarum 68. 69* ff. 
S5*, 
Sac rs. 204 20.> 08...00: 
TOO. 103. LI IISH167: 
168. 198 Anm. 
Sageret Ti 
Sagittaria sagittifolia 130. 
v.Salisch 45 Anm. 
Salix babylonica 46. 
Salvinia 161. 162. 182. 
Sandelbaum 125. 
Santalum album 123. 
Saprolegnia monilifera 
164. 
Saprolegnieen 163. 
SChAcht 90. zERFRTAg 
Anm. 150. 153.155 Anm. 
Schenck 130. I44. 
Schilfrohr 30. 
Schimper 146. 147. 
Schleiden 24. 56. 
Schmitz 184. IS5. 
Schopenhauer 20.22 
Anm. 109g Anm. 
Schröter, C.'87: 
Schwarzpappel 40 Anm. 
43. 46. - 
Se. ott,].- 125 
Scorodosma foetidum 82. 
Scrophulariaceen 81. 


14* 


Scytosiphon lomentarius 
178. 

Seemann 35 Anm. 

Selaginella 161. 

— cuspidata 187*. 

Sellerie 109. 

de Seynes Io. 

Silberpappel 46. 

Sinapis nigra 75. 

Siphoneen 14. 167. 177. 
192. 

Sirogonium 173. 

Sommergetreide 80. 81. 

Sophora japonica 119. 

Sorauer..o5,i.48., 113. 
123 Anm. 124 Anm. 125. 

Sorbus domestica IIg. 

Sparganium simplex 130. 
144. 

Speechley 65. 

Spergula arvensis 75. 

Sphaeroplea 177. 178. 

— annulina 187*. 

Sphaerotheca Castagnei 
144 Anm. 

Spirogyra 9*. 15. 17. 171. 
175. 193. 

Stellaria bulbosa 139. 

— media 5. 73. 81. 

Stieleiche 89. 

Strasburger 177 
Anm. 186. 188. 195. 196. 

Stratiotes aloides 142. 143. 

Syringa I. III. 


Tanne 88. 89. 190. 
Taro 36. 

Taxus 143. 

— baccata 88. 89. 


212 


Tetraphis 13. 

— pellucida 13*. 

von Thuemen 45. 48. 
50. 53. 68. 75. 

Thuer 63 Anm. 

Thuret 180 Anm. 

Tillandsia usneoides 146. 
147. 

Timmia norvegica 32. 

Tilopterideen 182. 183. 

Tradescantia virginica 
128. 129. 

Tragopogon 73. 

Trauerweide 46. 47. 

Trifolium repens 75. 

Triticum repens 73. 


 Tropaeolum 99. 


— majus 103. 
Tucker 50. 
Tulpe 40. 99. 111. 


Ulme 125. 

Ulmus campestris 125. 
Ulothrix 15. 17. 175. 
— nitens 14*. 

— zonata 174. 
Ulotrichaceen 177. 
Ulvaceen 177. 185. 


| Umbelliferen 81. 82. 
| Unger 57. 
ı Uromyces Primulae 132. 


Utricularieen 147. 


Vaucheria 167. 177. 192*. 


193. 


— synandra 187*. 


ı Veilchen 105. 

ı Verbascum 142. 

ı Vergissmeinnicht 105. 
ı Vicia Faba 98. 


Vinca minor 29. 


| 


Voechting 97. 101. 
Volvox aureus 187*. 
Vonhausen 45 Anm. 


-Vuillemin 44. 45. 


Vuyck 114 Anm. 


Waldanemone 73. 
Waldmeister 73. 74. 
Wallace 96. 

Wallnüsse 110. 
Warming 116. 

Weiden 46. 143. 
Weidenröschen 94. 
Weinstock 47. 49 ft. 

W eismann 196. 197. 198. 
Weissbuche 88. 


‚| Weizen 72. 108. 


Wendt 123. 


ıWiegmann 14l. 


Wiesner 8I Anm. 8 
Anm. 95. 
Wille 32. 192 Anm. 
Willkomm 40 Anm. 
Wintergetreide 81. gl. 
Wissenbach 122 Anm. 
Wistaria chinensis 121. 
Wolftia arrhiza 107. 
Wolfsmilch 73. 
Wollny 117. 118. 


Yamswurzel 35. 36. 37. 


Zanardinia collaris 179*. 
180. 187*. 


| Zea Mais 75. 129. 


Zitterpappel 46. 89. 

Zorn 62. 65 Anm. 

Zuckerrohr 26. 68 ff. 69*. 
84. 85". 86. 121. 124. I53- 


 Zygnema 171. 193. 


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Pflanzen. Mit 5 lithographischen Tateln uud 17 Abbildungen im Text. 1891. 
Preis: 24 Mark. 


Heft 4: Das Verhalten des Pollens und die en den 
Gymnospermen, Schwärmsporen, Gamelen, pflanzliche Spermato iden und 
das Wesen der Befruchtung. 1892. Mit 3 lithogr. Tafeln. Pseis: 7 Mark. 


Heft 5: Ueber das Saftsteigen. — Ueber die Wirkungssphäre der Kerne 
und die Zellgrösse. 1893. Preis: 2 Mark 50 Pt. 
Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen. 
1878. Vıeis: 1 Mark 60 Pt, 
Die Angiospermen und die @ymnospermen. Mit 22 Tafeln. 1879. 
Preis: 25 Mark. 
Das kleine botanische Praetieum für Anfänger. Anleitung 


zum »elbststudium der mikroskopischen Botamık und Einlünung ın die mukroskopische 
Technik. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 110 Holzschnitten. 1893. Preis: 5 Mark, 


geb. 6 Mark. 


Das Protoplasma und die Reizbarkeit. Rede zum Antritt des 


Rektorates der Kheın. kriedr.-Wilhb, Universität am 18. Uktober 1891. Preis; 1 Mark. 
Soeben erschien: 


Das botanische Praetieum. Anleitung zum Selbststudium der mikro- 
skopischen Botanik für Antäuger und Geübtere. Zugleich ein Handbuch der mikro- 
skopischen Technik, Mit 221 Holzschnitten. Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage. 
1897. Preis: brosch. 20 Mark, geb. 22 Mark 50 Pt. 

Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei 


den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Mit 2 litho- 
graphischen Tafeln. 1884. Preis: 5 Mark. 
Ueber den Bau und das Wachsthum der Zellhäute. - Mit 
8 Tateln. 1882. Preis: 1U Mark, 
Zellbildung und Zelltheilung. Dritte völlig umgearbeitete Auflage. 
Mit ı4 Tafeln und 1 Holzschnitt. 1880. Preis 15 Mark. 
Dr. Fritz, Privatdocent Dr. Heinrich, Privatdocent 
’ Nol 9 a. d. Universität Bonn, Schenck, a. d. Universität Bonn. 
2 Dr. A F. W., a. o. Professor p 
Schimper, an der Universität Bonn, Lehrbuch der Botanik für 
Hoehsehulen. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 594 zum Teil farbigen Ab- 
bildungen. 1895. Preis: brosen. 7 Mark 50 Pt., eleg. geb. 8 Mark 50 Pf. 
Dr. F.. Docent der Botanik am Eidgen. Polytechnikum in Zürich, 
von Tavel, Vergleichende Morphologie der Pilze. Mit 90 Holz- 


schnitten. 1892. Preis: 6 Mark. 
Max, Dr. med. et phil,, Privatdocent der Physiologie an der medici- 
Verworn, "> eg 


nischen Fakultät der Universität Jena, Allgemeine Physiologie. 


-— in. 
Ein Grundriss der Lehre vom Leben. Mit 270 Abbilduugeu. 1845. Preis; brusch. 
15 Mark, in halbfranz geb. 16 Mark 50 Pf, 


de Vries Hugo, ord. Prof. der Botanik a. d, Universität Amsterdam, Intracellulare 
’ Pangenesis. 1889. Preis: 4 Mark, 

— — Die Pflanzen und Thiere in den dunklen Räumen der 

Botterdamer Wasserleitung. Bericht über die biologischen Untersuchungen 


der Crevothrix-Gumuwission zu Kotterdam vom Jahre 1887. 1890. Preis: 1,80 Mark 


Zimmermann, Dr. A., Professor an der Universität Berlin, Morphologie 
und Physiologie des pflanzlichen Zellkerns. 
—L————————————— 


Eine kritische Literatursiudie. Mır 84 Abbilduugen ım Text. 1896. Preis: 5 Mark» 


Frommaunsche buchdruckercı (Hermann Pohle) in Jena, — 1596 Ü 


New York Botanical Garden Library 
QK825 .M6 
Mobius, Martin A 


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